caiman.de 02/2013

[kol_3] Helden Brasiliens: Brasilien rettet deutschen Carnaval
Unidos da Tijuca wagen Gewagtes

Deutschland als Carnavalsthema? Wie soll denn das bitte schön gehen? Die Deutschen wie auch ihr Karneval stehen für steife Ernsthaftigkeit, wohl temperierte Betroffenheit und die überlegte Geste. Also alles das, was Carnaval in Brasilien gerade nicht ausmacht.

Ausgerechnet im fröhlich-vergnügten Rio de Janeiro macht sich jetzt eine Carnavalsschule (was soviel wie Verein bedeuten soll) daran, das Thema "Deutschland" tanzbar zu machen. Getanzt übrigens von halb- oder weniger bekleideten Mädels, die ständig strahlen; getanzt von Zehntausenden auf den Tribünen des Carnavalstempels "Sambódromo", die auch noch laut mitsingen, ohne dass Gotthilf Fischer aushelfen müsste.


Und es ist nicht irgendein Verein, der sich an das heikle Thema wagt, sondern der aktuelle Champion des weltbesten Carnavals, also dem von Rio de Janeiro. Die Carnavalsschule "Unidos da Tijuca" ist bekannt dafür, Gewagtes zu wagen. Ihr Chef-Designer, auch "carnavalesco" genannt, ist Paulo Barros, die schillerndste Figur des Carnavals von Rio.

Barros hat in den letzten Jahren derartig viele Neuerungen in die Aufführungen der Carnavalsschulen gebracht, dass ihm auch beim Thema "Deutschland" viel zuzutrauen ist. Man darf also gespannt sein, wie er Playmobil, Goethe, Brecht und die Nibelungen unter eine Jeckenkappe bringen wird.

Vermasselt hätten die Party beinahe noch die in Brasilien reichlich vertretenen deutschen Großunternehmen, die sich entgegen der Erwartung der "Tijuca" nicht darum drängelten, das Abenteuer zu sponsern. Genau so wenig wie die deutsche Regierung, die ihr Sponsoring auf Events im Rahmen des Deutschlandjahres in Brasilien konzentriert. Und das beginnt nun mal erst im Mai und nicht schon im Februar zu Carnaval. Soviel Genauigkeit muss sein dürfen!

Das alles dann doch noch geklappt hat, darf man dem Improvisationstalent der Brasilianer und der Mischung aus Beharrlichkeit und stetem Optimismus der "Unidos" zuschreiben. Jetzt fehlt nur noch das Urteil der Carnaval-Punktrichter. Ob sie die Antagonismen "Deutschland" und "Carnaval" versöhnen werden können?

Text + Fotos: Thomas Milz

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