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[kol_1] Macht Laune: Jeden Tag Familienfest
Nicht immer einfach
 
Ich bin Single im besten Alter. Mein Name ist Maria Josefa Hausmeister und ich liebe Bier. Sobald ich ein neues Land, eine neue Region bereise, teste ich und entscheide spontan, ob Familienmitglied oder nicht. Einfach war es etwa in Moçambique mit 2M oder in Guatemala. In Guate trank man gutes Gallo, außer in Quetzaltenango, wo es das sehr schmackhafte Cabro gab. Für mich wie Bruder und selten verkostetes Schwesterchen. Früher war das in Venezuela ähnlich: La Negra, besonders als Polarcita in der 0,22 l Flasche oder auch Dose, war ganz große Familie. Regional dagegen eher entfernter Verwandter. Leider lässt sich die Familie in Venezuela nur noch selten sehen. Mit jedem Polar, das ich bestelle, bekomme ich Polar Light oder furchtbares Polar Ice oder irgendetwas, wo Bier darauf steht, vorgesetzt. Selbst im Supermarkt oder auf dem Polarlastern ist die Polarcita Mangelware.



Diesen Winter verbringe ich in Figueras in Katalonien und hier gibt es im 100 Kilometer entferneten Barcelona die Brauerei Damm. Es ist noch nicht lange her, da boten sämtliche Supermercados das zur Familie gehörende Estrella Damm, das ebenfalls zur Familie zählende Xibeca Damm und das nicht im trauten Kreis befindliche San Miguel feil. Dieses Mal hat mich beim Familienbesuch fast der Schlag getroffen: zwei komplette Regale voller unterschiedlicher Biersorten. Cruzcampo etwa hat es gen Norden gezogen, regionale Marken wie Moritz suchen ihr Glück in der nahen Ferne oder Alhambra in der weiten und Spezialabfüllungen mit der Auszeichnung Gran Reserva verdecken den Familienangehörigen geradezu die Sicht auf die Kunden. Konservativ wie ich bin, wandern zunächst ausschließlich Xibeca und Estrella in den familiären Einkaufswagen. Mit der Zeit aber kann ich einer Neuerung nicht wiederstehen: dem Damm Weissbier oder Cerveza de Trigo. Und? – Aufgenommen! Mehr dazu unter hopfiges.

Und ein zweiter Griff an den Flaschen vorbei mitten hinein in die Dosen hat meine katalanische Familie bereichert. Damm hat Estrella eine neue Oberfläche verpasst. Eine unglaublich schmeichelnde Oberfläche. Allein schon, wenn ich beim Griff in den Kühlschrank die 0,33l-Dose Estrella versehentlich streife, hat der Rest der Familie das Nachsehen. Es geht ein ungemein heimeliges und beglückendes Gefühl aus von der Dose in der Hand. Etwa wie sehr wässriger und damit fein angerührter Zement, der getrocknet eine fast spiegelglatte Oberfläche darstellt. Wenn diese nun von der Sonne beschienen noch bis tief in die Nacht den Körper wärmt, dann entsteht ein Gefühl als sei man auf Daunen gebettet. Und schmecken tut es auch und an die Jugend erinnert es zudem.



Nun aber besteht das Dilemma der Entscheidungsfindung: Mit welchem Familienmitglied möchte ich die nächsten Minuten verbringen? Die Unschlüssigkeit hat mich schon mehrfach zu Wein greifen lassen. Und wie es eben so ist, wenn man außerhalb des Familienkreises mit Stoff versorgt wird, können Kopfschmerz und Sodbrennen das Gemüt trüben. Und so ist mir dringend geraten in den in den Schoß der Familie zurückzukehren und meine Unschlüssigkeit zu überwinden. Bei Bedarf bleibt mir, Supermarktregale Stück für Stück nach neuen Cousinen und Cousins zu durchforsten.

Text +Fotos: Maria Josefa Hausmeister

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