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[kol_2] Helden Brasiliens: Der Wandermönch vom São Francisco-Fluss
Treffen mit Bischof Luiz Flavio Cappio

Geboren wurde er am Tag des Heiligen Franz von Assisi, dem 4. Oktober. Beinahe hätten seine Eltern ihn deshalb Francisco genannt. Aber sie nannten ihn Luiz Flavio. Doch die Verbindung zu dem Heiligen sollte ein Leben lang bestehen. Vom Wunsch beseelt, ein religiöses Leben zu führen und den Ärmsten der Armen nahe zu sein, trat er in den Franziskanerorden ein und begann in den Vororten São Paulos zu wirken.

Irgendwann trieb es ihn hinaus und er begab sich auf den Weg durch Brasilien. – Bis in den Bundesstaat Bahia, an die Ufer des nach dem Heiligen Franz von Assisi benannten Rio São Francisco. Diesen wanderte er von der Quelle bis zur Mündung entlang, um das Leben der Anwohner verstehen zu lernen.



Ich treffe Dom Luiz Flavio Cappio ebenfalls am Ufer des São Francisco, in dem kleinen Ort Barra, wo Cappio seit über einem Jahrzehnt als Bischof tätig ist. Es ist früher Morgen, gerade hat er seine Morgenbotschaft über das Gemeinderadio an die gläubigen Frühaufsteher verkündet. Jetzt kauft er Brot und Milch auf dem Markt, spricht mit den Leuten, hört sich ihre Sorgen an. Jeden Morgen macht er diese Tour durch die Stadt, sofern er da ist. Denn meist ist er unterwegs, bereist seine riesige Diözese. Mit öffentlichen Bussen, "denn bei langen Strecken schlafe ich gerne am Steuer ein". Der stete Wanderer wurde zum ewigen Reisenden.

Gerade ist er von einer 10-tägigen Rundreise durch seine Diözese zurück gekommen. Erschöpft wirkt er, nach gerade einmal drei Stunden Schlaf. Doch die Pflicht rufe, und stets werde er um 4.30 Uhr wach, "so oder so, da hilft nichts".

Ob es nicht seltsam sei, dass er ausgerechnet am São Francisco lebe? "Vielleicht hat mir da ja mein Unterbewusstsein einen Streich gespielt …" Nachdenklich schaut er auf den Fluss. Gerade hat er über das Radio von einer Mutter erzählt, die um ihren Sohn bangt, der den Kampf gegen die Drogen zu verlieren scheint. Ob sie sich nicht schämen würden, so viele Familien ins Verderben zu stürzen, hat der Bischof die Drogendealer per Radio gefragt. Manchmal würden sie ihm drohen, doch er glaube nicht, dass man ihm tatsächlich etwas antun werde, meint Cappio.

Ein Prophet sei er, hört man seine Mitbürger über ihn sagen. Ein Held! Bei Messen und Veranstaltungen in seiner Diözese kommt einem eher der Begriff "Popstar" in den Sinn, so stark ist die Reaktion der Gläubigen, wenn sie ihn treffen. Vielleicht liegt es an seiner Glaubwürdigkeit, seiner Unbedingtheit im Kampf um die gute Sache. Zwei Mal trat er in Hungerstreik gegen die von der Regierung geplante Umleitung von Wasser aus dem São Francisco-Fluss ins trockene Hinterland. "Die Leute fragten mich damals, ob ich gerne sterben würde – nein, leben wolle ich – antwortete ich ihnen darauf und deswegen kämpfe ich um den São Francisco." Wasser sei Leben, der Tod des Flusses bedeute den Tod der Menschen hier.



Cappio verabschiedet sich, es ist früher Morgen. Die Milchkanne hat er in der Hand, gleich beginnt sein Rundgang über den Markt, die kurzen Gespräche mit den Menschen. Er winkt, dann schlendert er die Uferpromenade hinab.

Text + Fotos: Thomas Milz

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