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[kol_1] Grenzfall: Moneda und Moneten
Die Macht des kleinen Geldes

Seien wir mal ehrlich: der schnöde Mammon regiert die Welt! Überall. Ob nun in der okzidentalen oder orientalen Welt, ob Nord oder Süd oder West oder Ost. Nur Cash macht fesch, wie mir mal anvertraut wurde. Vielleicht liegt es daran, dass ich noch immer keine betuchte Frau fürs Leben gefunden habe, dass mir dieser Satz hier wieder einfällt. Aber halt, ich schweife ab. Also: Wer nix zum Ausgeben hat, der bleibt auf der Strecke.

santiago de chile

Paradoxer Weise kann es in der Stadt der guten Lüfte auch andersherum sein. Du hältst einen Haufen Geld in der Hand, bekommst aber nichts. Wie ist das möglich, fragst Du? Ganz einfach. Man gehe nach einer intensiven Ankunftswoche auf die Bank und ziehe mit der EC-Karte sechshundert Pesos aus dem Automaten, um die Miete für das Zimmer zu bezahlen und noch ein bisschen was zum Leben zu haben. Nur kurz zum besseren Verständnis: 500 Pesos, das entspricht beim derzeitigen Umrechnungskurs ziemlich genau 136,16 Euro - von der Kaufkraft her gesehen, dürfte man aber getrost drei- bis viermal so viel erwarten verglichen mit dem alten Kontinent. Kurzum, das ist, zumindest in meinen Augen, eine Menge Holz, mit dem sich allerlei lustige Sachen anstellen ließen. Der Automat verrichtet also klaglos seinen Dienst und spuckt sechs einhundert Peso Noten aus. Ganz warm sind sie und riechen irgendwie nach Druckerfarbe, wenn sie so in meiner Hand liegen. Ein tolles Gefühl. Ich falte die Scheine zusammen und verstaue fünf davon in meiner Geldbörse, einen schiebe ich in die Hosentasche. Es gibt nichts Lästigeres, als ständig nach seinem Geldbeutel zu kramen, um irgendwas zu bezahlen. Deshalb hab ich mir seit längerem angewöhnt, das Geld in meinen Hosentaschen griffbereit  zu halten. Nun ja, raus aus der Bank und wieder ins pralle Stadtleben Buenos Aires! Ah, "la ciudad de la furia", wie es Gustavo Cerati mit seinen alten Soda Stereo besingt, hat mich wieder.

Es ist Sommer und es ist heiß, beinahe schon unerträglich heiß und die Stadt ist deutlich menschenleerer als sonst. Ferias Judiciales ist das Stichwort: der Beamtenapparat ruht bis Anfang Februar und die Porteños sind alle - soweit es die Situation erlaubt - an die Strände Argentiniens und Uruguays geflohen, um sich Seite an Seite den Teint für die nächsten Monate zu holen. Für mich heißt das im Umkehrschluss, dass sie den Weg freimachen, um den Stadtsommer mit ein wenig mehr Ruhe genießen zu können. Hier und jetzt! Wie auf Kommando klingelt im selben Augenblick mein Telefon: "Schatz, hast Du nicht Lust zum Mittagessen vorbeizukommen? Ja! Sehr schön, dann warten wir auf Dich!" Klick. Gut, ich muss ja auch nicht antworten. Ich nehme diese Art Befehle gerne entgegen, zumal die Stimme an der anderen Leitung zu einer guten Freundin gehört. Und Essen kann in diesem Falle ja per se schon nicht so falsch sein. Hunger habe ich jedenfalls genug. Also auf zum Retiro, hinein in den Zug nach San Isidro, dem etwas betuchteren Viertel der nördlichen Region Buenos Aires’. Vielleicht weht heute sogar der Wind eine kühle Brise vom Rio de la Plata herüber.

Als ich schließlich die Treppen zur Subte, der hiesigen U-Bahn, hinuntersteige und mich in die Warteschlange zum Ticketkauf einreihe, schaue ich neugierig in die mich umgebenden Gesichter und atme den typisch-muffigen U-Bahngeruch.

Nach zwei schnellen Minuten stehe ich in der Schlange beinahe ganz vorne, als es mir siedendheiß auffällt: das Klirren der Münzen, die in die kleine Mulde am Schalter hineinfallen, herausgenommen werden und als Wechselgeld dem Fahrgast entgegenrollen.

"Amigo…" höre ich hinter mir und schon werde ich sanft in Richtung Gitter geschoben, auf dessen anderer Seite wohl der Schalterbeamte hockt und seine Münzen zählt. Zu sehen ist er jedenfalls nicht. Als ich ihm meinen einhundert Peso Schein, zugegeben ein wenig verschämt, zu reichen versuche, um die kurze Fahrt zum Bahnhof zu bezahlen, kommt nicht ein mal ein müdes Lächeln. Nicht dass ich es sehen kann, aber ich merke es an der Reaktion; denn eine solche gibt es nicht. "No tengo cambio de cien!", ist die lapidare Antwort. Kein Wechselgeld. Was mach ich nur? Schwarzfahren kommt nicht in Frage, denn auch wenn man einfach über diese kleinen Drehtüren hüpfen könnte, um hinunter zur U-Bahn zu kommen, so steht hier direkt ein Beamter davor, der das Ganze überwacht. Und zehn Zehner-Karten will ich mir jetzt auch nicht leisten. Erst einmal weg vom Schalter, die Hinterleute drängeln schon.

Ich steige also die Stufen wieder hoch zur Straße, um mir irgendwo den Schein zu wechseln. Was auf den ersten Blick eine einfache Angelegenheit erscheint, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als wirkliche Herausforderung.

Die ersten beiden Kioskos wollen mir zwar wechseln, können aber nicht, der dritte will nur, wenn ich auch was kaufe. Dann aber bitteschön mehr als zehn Peso ausgeben, weil es sonst auch nicht gehen würde. Schau ich denn wirklich so gringomäßig aus?

santiago de chile


Meine letzte Hoffnung liegt im herkömmlichen Supermarkt. Irgendwas wird sich schon auf die Schnelle finden lassen. Und ja, eine Flasche Wasser und ein paar Bizcochos sind allemal drin. Ich schäme mich schon fast, als ich mich wieder hinten an eine viel zu lange Schlange anstelle, weil es ja nur drei Peso fünfzig sein werden. An Wechselgeld sollte es aber hier bitteschön nicht mangeln. Irgendwann bin auch ich an der Reihe und ich reiche der Verkäuferin den großen bläulichen Schein mit dem Konterfei von Julio Argentino Roca, zweifacher Präsident Argentiniens (ist allerdings schon etwas länger her). Die Blicke der guten Frau sprechen Bände, doch ich setze mein freundlichstes Lächeln auf - das bewirkt bekanntlich Wunder. Allerdings nur manchmal, denn die Dame gegenüber betrachtet die 100 Peso recht argwöhnisch und untersucht den Schein akribisch. "Es trucho." Falsch? Nein meine Liebe, das kann nicht sein, ich hab ihn eben aus dem Bankautomaten geholt. Die Banken wollen zwar auch hierzulande nur unser Geld, aber wenn sie es schon rausrücken, dann sollte man doch annehmen können, dass es sich um echte Scheine handelt, oder? Die Dame sitzt etwas teilnahmslos und achselzuckend auf ihrem Stuhl. Ich hole mein Portmonee raus und reiche den nächsten hinüber. Selbe Prozedur, leider auch gleiches Ergebnis. Also Nummer drei. Ein bisschen genieße ich es jetzt auch. Hinter mir ca. sechs andere zahlungswillige Kunden und ich plage mich hier mit einer Kassiererin herum, die auf das Wohl der Firma und auf das Wohl des Kunden getrimmt wurde, wobei man Letzteres nicht sofort bemerkt. Immerhin ist es schön kühl im Supermarkt.

Bei Nummer vier kann ich mir dann die Bemerkung, dass ich noch zwei Weitere zur Ansicht habe, nicht mehr verkneifen. Inzwischen werde ich von den dunklen Augen bereits getötet. Ein Stich ins Herz, aber mir ist es egal.

Tatsächlich wird der vierte Schein für gut befunden und angenommen. Ich erhalte das Rückgeld von sechsundneunzig Pesos und fünfzig Centavos. Und das bedeutet für mich nichts anderes, als dass ich einen Peso fünfzig für Subte und Bahn zur Verfügung habe. Und weil das nicht reicht, hab ich in der Hinterhand noch den fünf Peso Schein - und die Hoffnung, dass zumindest dieser beim Gebrauch gewechselt werden kann

Text + Fotos: Andreas Dauerer