ed 12/2008 : caiman.de

kultur- und reisemagazin für lateinamerika, spanien, portugal : [aktuelle ausgabe] / [startseite] / [forum] / [archiv]


[kol_2] Pancho: Pfannkuchen mexikanisch zur Aggressionsbewältigung

In die Schlange soll ich mich stellen. Niemals! Widersinnig aggressionssteigernde Strapaze. Freund, ich sitze, trinke, rauche! Wozu sonst der Sinn des Kaufmannsladens mit integrierter Bar, von Tisch 3 den Blick frei auf Kasse 5.

Lampista, Lampista (Elektriker), rufe ich ins Telefon, doch nach etlichen Freizeichen stirbt die Leitung. Wiederholung zwei Tage später und dann noch einmal am Freitag. Immerhin erreiche ich die Mailbox: Lampista, hier ist Don Röschen... Bis nächste Woche Freitag bin ich in Spanien. Bitte schau vorbei.

Dann ist Mittwoch. Noch keine Rückmeldung. Ich wähle erneut: Lampista? No. Kann ich mit dem Lampista sprechen? No. Wer ist denn da? Ein Kind. Und der Lampista? No.


Pfannkuchen mexikanisch mit Tunfisch, Chili, Koriander

Ich bin frustriert, meine Pläne zerschlagen, ein Freund verschwunden. Verschwunden ohne Abschiedsgruß? – Wahrscheinlich ist der Grund eher banal, denn wie einfach ist es, ein Handy zu verlustieren: Es fällt aus der Tasche und der Finder sagt Danke. Es landet im Bierglas, weil für dich der Tanz auf Klapptischgarnituren feiern bedeutet. Du fischt es vom Grund des Beckens, weil auf der Hochzeit deines Freundes spontan die Party in den Pool verlagert wird. Am Flughafen wird es konfisziert, weil Modell Landluft mit Korkenzieher dem Kapitän Angst einjagt. In der Bahn fliegt es aus dem Fenster, weil dein Klingelton geschmacklich extravagant. Oder du bist einfach immer unterwegs und läufst nach Jahr und Tag in den Hafen deiner Heimat ein. Und es ist Karneval, weil in deiner Heimat immer Karneval ist. Und erst mal außer Rand und Band gilt gleiches für dein Handy. – Alles schon erlebt.

Auf dem Bürgermeisteramt erfahre ich, dass mein Lampista unser Dorf verlassen hat. Unbekannt verzogen. Die Handynummer gewechselt. Mich als Heimatlosen sollte so ein Vorfall ungemein in Rage versetzen und die Aggression über den Verstand siegen, ausrasten, nur noch blinder Hass, Gewalt. Doch ich bin vorbereitet. Bevor ich unkontrolliert aufstampfe mit dem Fuß, greif ich hinters Ohr und ziehe Plan Hilfe hervor: Pfannekuchen mexikanisch. Allein der Gedanke beruhigt.

Tunfisch in Olivenöl, Chili, Jogurt, Hackfleisch und Avocada liegen auf dem Band von Kasse 5. Meine Hand wandert zum Halfter, nur zur Vergewisserung. Dann lege ich Geld auf den Tisch, ziehe ein letztes Mal an der Fortuna light, rücke die Short zurecht, schiebe die Sonnenbrille ins Haar.

Zu Hause angekommen, brat ich das Hackfleisch bis es fast schon trocken ist wie Straßenstaub im Spätsommer und hebe reichlich Frühlingszwiebeln unter. Schmecke dann ab mit Dijonsenf, Maggi und viel Salz. Für die Guacamol reicht der Saft einer halben Zitrone oder Limette, fein gehackte Zwiebel, Chili, Salz und Pfeffer. Den Tunfisch mit Jogurt, gewürfelter roter Zwiebel, Dijonsenf, Öl, Zitrone zu einer Paste verrühren – Schmand, Fischkäse kann alles dazu. Pfannekuchen präparieren, jeweils drei pro Teller: einer mit Hack, einer mit Guacamol und einer mit Tunfischpaste. Jeweils reichlich mit Koriander und gehackten frischen Chilischoten bereichern, zusammenrollen und servieren.



Pannkuchen mexikanisch mit Tunfisch, Chili, Koriander

Der Mann von Kasse 5, der sich während ich kochte auf der Terrasse mit Sonne vergnügt hat, dankt mit Appetit. Aggressionen nie gehabt und trotzdem im Griff. Der Tag klingt aus in innerer Ruhe: wenn du dir Plan Hilfe wieder hinters Ohr klemmst! Man kann nie wissen, du kleine tickende Zeitbombe.

Text + Fotos: Dirk Klaiber

[druckversion ed 12/2008] / [druckversion artikel] / [archiv: pancho]


© caiman.de: [impressum] / [disclaimer] / [datenschutz] / [kontakt]