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[art_1] Spanien: Fuente de Cantos - zu Besuch im Geburtsort des genialen Barockmalers Zurbarán
Vor ein paar Wochen empfing die Stadt Düsseldorf hohen Besuch: Königin Leticia von Spanien eröffnete eine Kunstausstellung, die anlässlich des 350. Todesjahres von Francisco de Zurbarán (1598 - 1664) konzipiert wurde, rund 70 seiner Werke aus aller Welt vereint und vorher in Madrid zu sehen war. Mit der Konzeption dieser Sonderschau ist der Stadt Düsseldorf, die ansonsten im ewigen Schatten Kölns nicht gerade als Kunststadt berühmt ist, ein großer Wurf gelungen.
Von den Top Ten der besten Barockmaler Europas kam die Hälfte aus Sevilla oder gehörte der Sevillaner Malerschule an. Velázquez, Murillo, Valdés Leal und Francisco de Herrera waren gebürtige Sevillaner, während Francisco de Zurbarán zwar fast sein ganzes Leben in Spaniens Malermetropole Sevilla verbrachte, aber nicht dort geboren wurde. Sein Geburtsort ist ein kleines Dorf im Süden der Extremadura, das wir dem großen Meister zu Ehren jetzt besuchen werden.
Wenn man sich dem Ort über die Vía de la Plata wandernd nähert, sieht Fuente de Cantos aus der Ferne aus wie viele Dörfer in den einsamen Weiten der südlichen Extremadura, die zu den am dünnsten besiedelten Regionen Europas gehört. Nur die Dorfkirche des Provinznestes mit 5000 Einwohnern wirkt schon von außen größer und prächtiger als in den Nachbardörfern. Ansonsten das Übliche: enge weiße Gassen öffnen sich ereignislos und leicht verschlafen den Neuankömmlingen, das Tempo ist äußerst entschleunigt und auch das halbe Dutzend Störche auf dem Kirchturm lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Hier also wurde das rätselhafte Genie Zurbarán im Jahr 1598 geboren, suchte allerdings sein Glück in Sevilla, noch bevor er volljährig war.
Sevilla, das bedeutende Zentrum der Barockmalerei, beklagt sich heute sehr, dass es als Heimatstadt des größten aller Maler (Diego de Velázquez wurde hier ein Jahr nach Zurbarán geboren) nur drei kümmerliche Werke des Genies vorzeigen kann. Fuente de Cantos hat es noch viel härter getroffen: kein einziges Gemälde des größten Sohnes der Region, Francisco de Zurbarán, lässt sich hier finden. Seine bedeutendsten Werke befinden sich heute im Museo de Bellas Artes von Sevilla, im Kloster Guadalupe im Osten der Extremadura sowie verstreut in aller Welt (in den Museen Prado oder Thyssen-Bornemisza, Madrid; im Louvre, Paris; in der National Gallery, London; in der Hispanic Society, New York; in der Kathedrale von Sevilla, in den Sevillaner Kirchen San Esteban oder La Magdalena etc.).
Doch ist man in Fuente de Cantos sehr bemüht, auch ohne Demonstration eines Originals das Andenken an Zurbarán lebendig zu halten. Sein Geburtshaus in der Calle Águilas 37 kann wegen Restaurierung zur Zeit nicht besichtigt werden. Aber gegenüber der Kirche im "Centro Zurbarán" präsentiert man umfassende Informationen über Leben und Werk des Maestro und die z.T. sehr sehenswerten Ergebnisse eines jedes Jahr neu ausgeschriebenen "Mal-Wettbewerbs auf Zurbaráns Spuren". Alle Zurbarán-Fans sind aufgerufen, sich mit selbst gemalten Werken um den von der Gemeinde ausgeschriebenen Preis zu bewerben. Ausgewählte Werke des Wettbewerbs werden hier im Centro präsentiert und es ist alles dabei - von detailgetreuen Kopien eines Zurbarán-Gemäldes über drollige Kinderzeichnungen bis hin zu innovativen Avantgarde-Kreationen, die sich durch irgendein Motiv Zurbaráns inspiriert fühlten. Für Jugendliche aus der Region wird dieses Haus ihre erste, vielleicht entscheidende Begegnung mit Kultur und kunsthistorischer Wissensvermittlung sein.
Stolz bringt die sympathische Studentin jedem Besucher das Konzept dieses ambitionierten dörflichen Kunstzentrums näher und erklärt mit jugendlichem Enthusiasmus, was Zurbarán auch im 21. Jahrhundert trotz vieler Vorurteile gegen ihn (und die Kunst des Barocks im allgemeinen) modern und sehenswert macht. Denn in der Moderne wurde Francisco de Zurbarán von der Kritik oft ähnlich ungerecht behandelt wie andere wichtige Barockmaler (z.B. Murillo). Dieselben Kunsthistoriker, die den vielseitig virtuosen Murillo in die Ecke des Puttengetümmels und der Madonnenserien stellten, reduzierten Zurbarán auf das Label "Maler der Mönche". In der Tat rückte das düstere Genie aus Fuente de Cantos Dutzende von Heiligen inmitten der Finsternis der Welt ins beste Licht, strahlte sie an mit unsichtbaren Lichtquellen, beeinflusst vom Chiaroscuro-Stil Caravaggios.
Natürlich war Zurbarán religiös, er musste es sein. Aber er malte das, was Auftraggeber bestellten und wer es nicht schaffte, dauerhaft einer von drei oder vier königlichen Hofmalern zu werden (wie sein Freund Velázquez), musste eben Heilige, Madonnen und Mönche für reiche Klöster und Wallfahrtskirchen malen. Und dabei stellt sich die Frage, was die größere künstlerische Herausforderung war: hundert verschiedene Mönche in den gleichen weißen Kutten, aber mit Blicken in verschiedenen Stadien meditativer Versenkung darzustellen oder hundertmal denselben König in hundert verschiedenen Gewändern?
Für Zurbarán gilt: egal, wer in einem von ihm gemalten Gewand steckte - niemand konnte Kleidungsstoffe so malen wie er. Die kostbaren Roben seiner adligen Heiligen erscheinen wie auf Fotos. Jedes Detail, jede Falte im Stoff, jede Perle, jeder gestickte Schnörkel eines Samtumhangs wird naturgetreu wiedergegeben. Diese naturalistische Darstellungsweise war zwar ein Markenzeichen des Sevillaner Barocks, aber außer Velázquez konnte niemand in Sevilla diese überbordende Fülle kleinster Teile perfekter malen als Zurbarán. Der Titel der Düsseldorfer Ausstellung "Meister der Details" ist also wohl gewählt.
Seine weiblichen Märtyrerinnen und Heiligen präsentiert er, anders als seine Mönche, nicht im asketischen Büßergewand, sondern fast wie aristokratische andalusische Models auf dem Laufsteg, dem großen Welttheater. "Santa Dorotea" und "Santa Casilda" gehören zu seinen gelungensten Porträts heiliger Damen in Prunkgewändern, in denen Seidentücher in eleganten Farben, Goldbrokat und Perlenstickerei um die Wette glänzen.
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Ein interessanter Widerspruch zwischen innerer Haltung und äußerer Darbietung, der sich in vielen solcher Porträts wiederholt: sehr ernste und selbstbewusste Frauengestalten in Posen der Demut und aufopfernder Bescheidenheit, aber gewandet wie Königinnen.
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Und Zurbarán war vor allem ein Meister der Farbe Weiß. Kein anderer Maler hat dieser Farbe so viele Nuancen und Schattierungen abgewinnen können. Bei Zurbarán ist Weiß nicht eine, sondern tausend Farben. Das vergilbte Weiß einer alten Schriftrolle, bei der jeder Knick exakt gemalt ist, das wächserne Weiß der Mönchskutten, durchzogen von feinen Schatten der Falten in der groben Wolle, das gräuliche Weiß des Leichnams Christi am Kreuz, das makellos strahlende Ultra-Weiß seiner Heiligengewänder. Und ja, vor allem ist Weiß bei ihm inneres Licht, die Farbe der Heiligkeit, Symbol der Ewigkeit. In seinen größten Meisterwerken, der "Apotheose des heiligen Thomas von Aquin" (1631, Museum der Schönen Künste, Sevilla), der Mönchsgruppe unter dem Mantel der "Virgen de las Cuevas", dem "Gekreuzigten Christus" (1644/1655, beide ebenfalls in Sevilla) und dem "Begräbnis des heiligen Bonaventura" (1629, Louvre, Paris) leuchtet Zurbaráns Weiß der Heiligen und Mönchskutten so überirdisch von innen, dass es wie ein Echo geschickt aus der Lichtwelt des Jenseits nicht nur das Bild selbst, sondern gar den Raum umher erhellt.
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Weiß ist die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod - und egal, ob der Betrachter daran glaubt oder nicht, dies ist Zurbaráns Vermächtnis.
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Und Fuente de Cantos, sein bescheidener Geburtsort, lohnt auch ohne Originalgemälde einen Besuch. Der Hochaltar aus dem 16. Jahrhundert in der Dorfkirche wäre einer Kathedrale würdig und die herb schöne Landschaft der Extremadura ringsumher mit ihren endlosen, von Licht durchfluteten Hainen von Steineichen ist ein Kunstwerk, das in seiner ewigen Harmonie keine Maler braucht, sondern Maler hervor bringt.
Text + Fotos: Berthold Volberg
Tipps und Links:
Centro Zurbarán in Fuente de Cantos: Eintritt frei, Öffnungszeiten 10 - 14 Uhr und 16 - 19 Uhr (außer montags), im Sommer bis 20 Uhr.
(Pilger)herberge in Fuente de Cantos: El Zaguán de la Plata, C. Llerena Nr. 40, Tel. 678-277716
Eine Villa im Finca-Stil mit paradiesischem Garten, Pool und Terrasse, im Anbau ein kleines Landwirtschaftsmuseum, das gern gezeigt wird von den sehr gastfreundlichen Besitzern, die einen Gast, der ihnen sympathisch ist, spontan zu einem guten Rotwein einladen. Zudem ist Benutzung von Küche und Internet sowie Waschmaschine/ Wäschetrockner kostenlos. Übernachtung 18 Euro im Einzelzimmer, 12 Euro im Mehrbettzimmer.
Restaurant El Gato: zweimal vorhanden: an der N630 bzw. Calle Real 37, bietet preisgünstige und köstliche Menüs, zu empfehlen natürlich alles vom schwarzen Schwein, z.B. "Secreto Ibérico"
Stiftung Museum Kunstpalast Düsseldorf: "Zurbarán - Meister der Details" vom 10.10.2015 bis 31.01.2016.
Adresse: Ehrenhof 4-5
D 40479 Düsseldorf
T +49 211 566 42 100
info@smkp.de
www.smkp.de
Museo de Bellas Artes (Sevilla): http://www.juntadeandalucia.es/cultura/museos/MBASE/
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Volberg, Berthold
Sevilla - Stadt der Wunder
Porträt der andalusischen Kunstmetropole mit großem Bild- und Textteil zur Semana Santa
(Nora) ISBN: 978-3-86557-186-1
Paperback
328 S. - 16 x 25 cm |
[druckversion ed 11/2015] / [druckversion artikel] / [archiv: spanien]
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