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[art_2] Spanien: Ein Hoch auf Torremolinos
 
Das ehemalige Fischerdorf, 12 Kilometer westlich von Málaga gelegen, genießt nicht gerade den besten Ruf als Urlaubsparadies. In den 60er Jahren avancierte Torremolinos zum Touristenzentrum der Costa del Sol und es begann ein Bauboom, durch den die an vielen Stellen spektakuläre Steilküste kilometerweit mit Hoteltürmen und Appartment-Anlagen zubetoniert wurde. Man erntete schließlich den zweifelhaften Ruhm, in dieser Gemeinde die zweitgrößte Anzahl an Touristenbetten innerhalb Spaniens zur Verfügung zu stellen.

Torremolinos
Torremolinos
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Viel Unschönes ist seitdem über Torremolinos gesagt worden, manche nannten den Ort schon das "Benidorm Andalusiens". In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Bevölkerung dieser wuchernden Urbanisation dazu noch sprunghaft von 26.000 auf 65.000 Einwohner angestiegen und in den Sommermonaten wird diese Zahl durch fremde Sonnenanbeter locker verdoppelt. Aber so schlimm wie das Mittelmeer-Manhattan bei Alicante ist es hier bei weitem nicht.

Torremolinos ist besser als sein Ruf: hier wird für jeden Geschmack etwas geboten. Zum einen hat der Massentourismus auch Vorteile gebracht. Denn er hat für eine perfekte Infrastruktur gesorgt. Für alle, die aus dem Strand Dolce Vita die Flucht in die Kultur antreten wollen, gibt es sehr gute Verkehrsanbindungen an die attraktivsten Städte Andalusiens: Granada, Antequera, Ronda, Sevilla. Außerdem eignet sich Torremolinos hervorragend als Ausgangsbasis für Bergwanderungen in der Sierra de Mijas, die in nur 10 Kilometer Entferung liegt, der Sierra de Ronda oder im Karstgebirge El Torcal, beides erreicht man nach ca. 50 Kilometern.

Torremolinos Torremolinos Torremolinos

Und zum anderen muss man in dieser Touristenhochburg auf nichts verzichten. Das Hotel- und Restaurantangebot ist riesig, da ist für jede Vorliebe etwas dabei, vom ortsüblichen "pescaíto frito" bis zur französischen Haute Cuisine und der deutschen Bratwurst - und preisgünstiger als auf den Inselgruppen der Balearen oder Kanaren.

Ideal für einen munteren Strandurlaub ist Torremolinos allemal. Der 7 Kilometer lange Strand ist sauber und sehr gepflegt, durchsetzt mit kleinen Palmenoasen (z.B. entlang der Playa de Bajondillo) und zwischen Hotelklötzen und Appartmentblöcken kann man durchaus noch romantische Winkel und schöne alte Villen wie den 1925 von Antonio Navajas erbauten Palast im Neomudéjarstil entdecken. Dieser Prachtbau ist ein Relikt aus einer Zeit als es das Wort Massentourismus noch nicht gab und Reisen an die Sonnenküste das Privileg von ein paar reichen Engländern waren. Einigen gefiel es hier so gut, dass sie für immer blieben. Dabei würde diese Stadt an der Costa del Sol gar nicht mehr existieren, wenn es nach den Engländern gegangen wäre.

Torremolinos
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Aber der Reihe nach, schließlich begann die Geschichte von Torremolinos mit den Römern, die an dieser Bucht auf dem Weg von Gades (Cádiz) nach Malaca (Málaga) eine Siedlung gründeten, von der eine kleine Nekropolis an der Plaza de Cantabria zeugt. Dann folgten die Araber, die hier während des gesamten Mittelalters (712 - 1492) herrschten. Aus dieser Epoche stammt das einzige wirklich alte Baudenkmal, der arabische Festungsturm, der um 1300 errichtet wurde und später dem ganzen Ort seinen Namen geben sollte: Torremolinos, der "Turm der Mühlen" - denn Jahrhunderte lang war der Turm umgeben von zahlreichen Getreidemühlen.

Kurioserweise taucht der Name erst offiziell auf, nachdem das Städtchen ausradiert worden war. Im Jahre 1704, während des Spanischen Erbfolgekriegs, kam die Stunde Null von Torremolinos: der englische Admiral George Rooke ließ den ganzen Ort niederbrennen und dem Erdboden gleichmachen (bis auf den arabischen Turm, der das Inferno überstand). - Ob die zahlreichen englischen Touristen, die heute hier durch die Gassen schlendern, wohl von der Zerstörung Torremolinos durch ihren Landsmann wissen?

Torremolinos
Torremolinos
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Ein paar Jahrzehnte blieb dieser Küstenabschnitt unbesiedelt bis in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wieder Häuser und Mühlen gebaut wurden. Die Lage an der Steilküste, die wie ein Balkon über dem Mittelmeer thront, war zu verlockend. Um 1900 gab es vereinzelt erste Touristen, in den 20er und 30er Jahren öffneten die ersten Hotels, aber richtig entdeckt wurde Torremolinos in den goldenen 50er Jahren als viele Hollywood-Stars hier Urlaub machten (Ava Gardner, Orson Wells, Marlon Brando u.a.). Nach den Berühmtheiten kamen die Massen und der Bauboom setzte ein - mit den bekannten und sichtbaren Folgen. Eine Begleiterscheinung war das schillernde Nachtleben, das sich nirgendwo im Franco-Spanien so liberal entfalten konnte wie hier bis das hemmungslose Treiben dem altersschwachen Diktator 1971, im "Jahr des Zorns", zuviel wurde und es zahlreiche brutale Razzien gegen Hippies, Homosexuelle und Drogensüchtige in den Bars von Torremolinos gab.

Torremolinos
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Heute geht es in dieser mediterranen Touristenhochburg wieder deutlich toleranter zu. Für alle, die keine Angst vor großen Menschenansammlungen haben, ist Torremolinos ein wunderbares Beobachtungsfeld, denn es gibt wenige Orte, wo so gegensätzliche Menschentypen auf engsten Raum nebeneinander leben oder liegen - nicht nur am Strand. Da sieht man Großfamilien beim Picknick, Omas unterm Sonnenschirm mit Sandburgen bauenden Enkeln davor und schwule Bodybuilder-Paare direkt daneben. Lärmende Strand-Fußballer dribbeln mitten hindurch. Friedlich unter der Sonne Andalusiens vereint, feiern alle den Sommer, das Meer und die Jugend - die momentane oder die längst vergangene.

An den Stränden von Torremolinos geht alles, nur sind sie nicht unbedingt zur Meditation geeignet. Die kilometerlange Strandpromenade lädt zum eifrigen Sonnenuntergangsjoggen mit Meerblick ein und wer vom Schwimmen und von ausgiebigen Abend-Gelagen noch nicht müde genug ist, für den hält die andalusische Party-Metropole ein temperamentvolles Nachtleben bereit. So strömen um Mitternacht viele vom Bajondillo-Strand die steile Treppe zum Ortszentrum hinauf und auf dem Rückweg wird so manch einer, durch ein paar Mojitos in euphorisierten Zustand versetzt, auf dieser steilen Treppe mit besonders glatten Stufen gestürzt sein. Aber das Meeresrauschen und der Kaffeeduft, der bei Sonnenaufgang aus der ersten Bar strömt, lassen den Schmerz schnell vergessen.

Text + Fotos: Berthold Volberg

Empfehlungen:

Torremolinos
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Hostal und Restaurant GUADALUPE
Calle Peligro 15 (Playa Bajondillo)
29620 Torremolinos
Tel-Fax: 0034-952-381937
www.hostalguadalupe.com
In einem der ganz wenigen Altbauten direkt an der Strandpromenade wird in einfachen Zimmern richtiges Urlaubsgefühl vermittelt. Von den stets gut gelaunten Besitzern, die beim Servieren im Restaurant auch mal spontan (und gut) singen, immer hilfsbereit und als Entertainer agieren und ihr Restaurant mit viel schöner Keramik und Musik aus aller Welt zu einem sehr gemütlichen Lokal gemacht haben. Mittags und abends bieten sie hier ein günstiges und gutes Komplett-Menü an (besonders zu empfehlen die Seehecht-Medaillons, das "Paté de la Casa", Schweinefilet mit Malaga-Soße sowie die Linsen und andere Eintopfgerichte).

Bodega Quitapenas (Restaurant):
An der steilen Treppe gelegen, wo alle vorbei kommen auf dem Weg vom Strand ins Nachtleben und mit unübersehbarem Reklameschild ausgestattet, bietet dieses typisch andalusische Restaurant mit schöner Terrasse vor allem schmackhafte und preiswerte Fischgerichte in großen Portionen und eine sehr kleine, aber gut sortierte, Weinkarte. Besonders zu empfehlen sind die "Tartitas de camarones" (frittierte Reibekuchen mit eingebackenen Flusskrebsen), Backfisch (Bacalao) und die ganze Palette des "Pescaíto frito" (frittierte Fischspezialitäten). Sehr freundliche Kellnerinnen.

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