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[art_2] Brasilien: Es waren viele Pferde
Der brasilianische Schriftsteller Luiz Ruffato
 
"Dass ich überhaupt Schriftsteller geworden bin, ist letztlich ein Wunder." Luiz Ruffato schaut aus dem Fenster seiner Wohnung in São Paulo hinaus auf das graue Meer aus Häusern, Beton und einen Regen verhangenen Himmel. Seine Mutter sei Analphabetin gewesen, die im Interior von Minas Gerais als Wäscherin die Familie über Wasser hielt. Der Vater, ebenfalls im stetigen Kampf mit dem geschriebenen Wort, verkaufte Popcorn auf der Straße.

Sein Weg durch Brasiliens Gesellschaft sei eigentlich vorgezeichnet gewesen, realistisch "maximal Hilfsarbeiter". Doch neben seinem Schlosserjob in einer Fabrik strebte Luiz seinem Traum an, Journalist zu werden. Was ihm schließlich gelang.

"Irgendwann merkte ich dann, dass es mir liegt, Geschichten meiner Kindheit und meines frühen Arbeitslebens aufzuschreiben, in Literatur zu verwandeln." Das Ergebnis waren zwei erste Erzählbände, Histórias de remorsos e rancores (1998) und Os sobreviventes (2000).

Der Rest sei eigentlich Glück gewesen, meint er heute. 2001 erschien der experimentelle Roman Eles eram muitos cavalos, den Brasiliens Kritiker begeistert aufnahmen. Mit "James Joyce im Kopf", wie ein Kritiker später schreiben sollte, schildert Luiz hierin einen Tag im Leben von 69 Bewohnern der Megastadt São Paulo. Ein Mosaik von Momentaufnahmen mit dem der Schriftsteller der Unfassbarkeit der gigantischen Stadt an den Kragen geht.

"Ab 2003 machte das Buch plötzlich wie von selbst international Karriere," grinst Luiz. Mittlerweile ist es in mehrere Sprachen übersetzt, die deutsche Ausgabe Es waren viele Pferde erschien 2012 beim Hamburger "Assoziation A" Verlag. "Eigentlich ist es seltsam, wenn man bedenkt, dass es sich um ein schwieriges Buch handelt, um ein sehr unkonventionelles Werk."

Luiz hing den Journalismus an den Nagel und kümmerte sich fortan ganz um seine Schreiberei. Im Durchschnitt veröffentlicht er seitdem ein Buch pro Jahr; viel Zeit für andere Dinge bleibt da sowieso nicht.

Luiz ist ein Erfolgsfall der zeitgenössischen Literatur seines Landes. In Brasilien wird gerade die 11. Auflage von Es waren viele Pferde vorbereitet, ungewöhnlich für einen Gegenwartsautor in dem südamerikanischen Land. Auch in Deutschland war die Erstausgabe ziemlich schnell vergriffen.

Es waren viele Pferde
Luiz Ruffato
Gebundene Ausgabe: 158 Seiten
Assoziation A; Auflage: 1 (Oktober 2012)
ISBN-10: 3862414205
ISBN-13: 978-3862414208

Leben kann Luiz von seiner Schriftstellerei trotzdem nicht – wie eigentlich alle brasilianischen Autoren mit Ausnahme von Paulo Coelho. "Ich habe viele Aktivitäten rund um das Schreiben entwickelt, mit denen ich mein täglich Brot verdiene." Dazu gehörten Vorträge, Workshops und Jurytätigkeiten bei Literaturfestivals.

Gemeinsam mit rund 70 schreibenden Kollegen wird Luiz Mitte Oktober auf der Frankfurter Buchmesse präsent sein, wo Brasilien als diesjähriges Gastland besondere Aufmerksamkeit erregen wird.

Er selber hat auch einen triftigen Grund vor Ort zu sein. Soeben ist bei "Assoziation A" sein Buch Mama, es geht mir gut erschienen. Das Buch ist das erste einer fünfteiligen Reihe mit dem portugiesischen Titel Inferno provisório (Vorläufige Hölle). Zwischen 2005 und 2011 veröffentlichte Luiz die die letzten 100 Jahre umspannenden Geschichten über Brasiliens Arbeiter. Man darf wohl davon ausgehen, dass die Reihe nun auch in ihrer Gänze in Deutschland erscheinen wird.

Mama, es geht mir gut
Luiz Ruffato
Gebundene Ausgabe: 160 Seiten
Assoziation A; Auflage: 1 (Juli 2013)
ISBN-10: 3862414213
ISBN-13: 978-3862414215

Wer Luiz Ruffato auf seiner rund einmonatigen Lesereise durch deutschsprachige Lande sehen will, dem bieten sich reichlich Gelegenheiten. Man sollte sie nicht verpassen!

04.10. Köln, Literaturhaus Köln mit DLF & DLR-Kultur, 19:30 Uhr
07.10. Frankfurt, Union International Club, 19:00 Uhr, Anmeldung erforderlich
08.10. Frankfurt Buchmesse – Eröffnungsrede
09.10. Frankfurt Buchmesse - Blaues Sofa, Übergang Halle 5.1 zu Halle 6.1, 11:30 Uhr
10.10. Frankfurt Buchmesse – Leseinsel, Halle 4.1., 14-16 Uhr
10.10. Frankfurt Buchmesse – Halle 5.0, Weltempfang mit Ilija Trojanow, 16:30 Uhr
11.10. Frankfurt, Literaturbahnhof, 16-17 Uhr
11.10. Hofheim, Kulturverein, 20 Uhr
12.10. Frankfurt Buchmesse, LitCam, 11 Uhr, Fußball-Buch
14.10. Mainz, Itaú Cultural
15.10. Bad Berleburg, Berleburger Literaturpflaster, 20 Uhr
17.10. Wien, Itaú Cultural
18.10. München, Literaturhaus München, 20:00 Uhr
20.10. Zofingen - Schweiz, OX. Kultur im Ochsen, 11:15 Uhr, Historie als Kulisse
20.10. Zofingen, OX. Kultur im Ochsen, 14:15 Uhr, Von der Härte des Lebens
21.10. Freiburg, Literaturbüro mit Radio Dreyeckland & Jos Fritz Buchladen, 20:00 Uhr
22.10. Wuppertal, Literaturhaus NRW, 19:30 Uhr
23.10. Düsseldorf, Literaturbüro NRW, 19:30 Uhr
25.10. Berlin, Buchladen Schwarze Risse, 20 Uhr
27.10. Hamburg, Golem, 20 Uhr
29.10. Leipzig, GRASSI, Museum für Völkerkunde, 19 Uhr
30.10. – 2.11. Frankfurt, Romanfabrik

Text: Thomas Milz
Fotos: amazon

Weitere Links zu Luiz Ruffato:
"Es waren viele Pferde" bei Perlentaucher

"Mama, es geht mir gut" beim Assoziation A Verlag

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