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[art_2] Bolivien: Wassersparen in Bolivien
Zu Besuch in einer Grundschule in El Alto
 
Bei uns in Deutschland regnet es öfter, als manch einem lieb ist, zumindest jetzt im Frühling. Im Sommer wird es mit dem Wasser manchmal etwas knapper, dann steht das Wasser in den Stauseen niedriger und man soll nicht ganz so viel Wasser zum Blumen gießen verwenden. Aber das ist nichts im Vergleich zu der Wasserknappheit, die in anderen Ländern herrscht. In Bolivien wird das Thema Wassersparen sogar in der Schule behandelt.

"Drei Namen hat das Wasser", singen die Kinder und zählen in ihrem Lied auf, wie Wasser in den indianischen Sprachen, die man in Bolivien spricht, genannt wird. In ihrem Unterricht dreht sich alles rund ums Wasser. Wasser, das hat Paula gelernt, ist sehr, sehr wichtig: "Wir können das Wasser trinken und auch sonst viele Dinge damit machen, zum Beispiel die Zähne putzen. Menschen und Tiere brauchen Wasser, denn ohne Wasser könnten wir nicht leben."

Paula ist 9 Jahre alt und geht in die 3. Klasse in El Alto in Bolivien. El Alto bedeutet soviel wie "sehr hoch". Und das beschreibt die Stadt ziemlich genau, liegt sie doch inmitten der bolivianischen Anden. Fast alle Häuser in El Alto sind aus roten, unverputzten Ziegelsteinen gebaut. Sie sind klein und nicht besonders schön - und man sieht gleich, dass die Menschen in El Alto nicht besonders reich sind. Hier oben herrscht Wasserknappheit, die ganze Gegend ist graubraun und steinig. Alle Kinder in der Schule beschäftigen sich mit dem Thema Wasser. Auch in der 8. Klasse haben die Schüler darüber gesprochen und sich gefragt, welche Probleme durch die Wasserknappheit entstehen.

"In manchen Gegenden gibt es manchmal für einige Stunden kein Wasser. In anderen Gegenden sogar tagelang nicht. Es gibt einfach nicht genug Wasser", erzählt Christian. Und seine Klassenkameradin Joel ergänzt: "Wenn es kein Wasser gibt, dann müssen sich die Menschen in langen Schlangen an den Wasserwagen aufstellen, wo sie dann in Kanistern Wasser holen können. Um Wasser zu sparen, waschen sie ihr Gemüse nicht gründlich genug und werden krank."

Doch warum gibt es in Bolivien so wenig Trinkwasser?
Es regnet dort nur in der einen Hälfte des Jahres. Dann werden große Sammelbecken mit Wasservorräten gefüllt. Früher gab es noch einen anderen "Speicher": Die großen Gletscher auf den hohen Bergen. Der Schnee dort ist immer nach und nach geschmolzen und als Wasser in die Stadt geflossen. Doch aufgrund der Klimaerwärmung schmelzen die Eismassen zu schnell, statt nach und nach in die Stadt abzufließen, schießen die Wassermassen innerhalb kürzester Zeit zu Tal. Auch das ist eines der Probleme, über das die Kinder mit ihren Lehrern täglich in der Schule sprechen.

"Aqua para la vida", rufen die Kinder, "Wasser zum Leben". Und so heisst auch das Unterrichtsfach, in dem sich alles rund ums Wasser dreht. Hier lernen die Kinder, dass sauberes Trinkwasser durchsichtig ist, dass es keinen Geruch und keinen Geschmack hat. Sie haben Schulhefte vor sich, in denen alles über das Wasser erklärt wird. Im Chor antworten sie auf die Fragen der Lehrerin, ob Wasser eine Farbe habe: "No"; ob man Wasser riechen könne: "No". Alle Schüler tragen weiße Kittel über ihrer normalen Kleidung - das ist die Schuluniform.

Einmal pro Woche wird dieses besondere Fach unterrichtet, in dem die Kinder auch gelernt haben, wie man Wasser sparen kann. Und Paula hat da gut aufgepasst: "Man darf nicht soviel Wasser verbrauchen. Man muss die Wasserhähne immer zu drehen, wenn man sich die Zähne putzt und die Dusche ausstellen, wenn man sich einseift. Und man darf auf gar keinen Fall mit dem Wasser rumspielen, denn dann verschwendet man es, und es gibt doch so wenig Trinkwasser. Und wir müssen das Wasser sauber halten und dürfen es nicht verschmutzen.

Da ist Paula schon beim nächsten Problem: Das wenige Wasser, das es gibt, ist oft nicht sauber. In Bolivien gibt es nicht wie bei uns in jeder Stadt eine Kläranlage, in der das Wasser gereinigt wird. Alles, was im Klo landet, das Spülwasser, das Duschwasser - all diese Abwässer fließen einfach so in einen Fluss. "Doch auch Müll, die Abwässer von den Fabriken, das Wasser vom Autowaschen tragen zur Verunreinigung bei. Wir müssen uns besser um die Umwelt kümmern", meint der neunjährige Braulio.

Die Kinder berichten zu Hause, was sie im Unterricht gelernt haben. Und in Jocelins Familie beispielsweise wird nun umsichtiger mit dem kostbaren Gut umgegangen: "Ich habe das, was die Lehrerin gesagt hat, meinen Eltern erzählt und meiner Mutter gesagt, dass sie Wasser sparen muss. Sie verwendet jetzt das Wasser, mit dem sie die Wäsche gewaschen hat, noch einmal um damit den Boden zu wischen."

Würden alle Menschen in Bolivien so sorgfältig mit dem Wasser umgehen wie die Kinder aus dieser Schule, dann wäre Wasserknappheit vielleicht gar kein so großes Problem in diesem Land. Doch dazu müssten alle an einem Strang ziehen.

Text + Fotos: Katharina Nickoleit

Tipp: Katharina Nickoleit hat einen Reiseführer über Bolivien verfasst, den Ihr im Reise Know-How Verlag erhaltet.

Weitere Informationen über die Autorin findet ihr unter:
www.katharina-nickoleit.de

Titel: Bolivien Kompakt
Autorin: Katharina Nickoleit
252 Seiten
ISBN 978-3-89662-364-5
Verlag: Reise Know-How
2. Auflage 2009

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