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[kol_1] Macht Laune: Jazz im Trialog
Im Interview mit Trio Corrente
 
Das Trio Corrente aus São Paulo spielt seit rund 13 Jahren zusammen. Bei ihrem Auftritt auf der Musikmesse jazzahead in Bremen, überraschten die Musiker, die auch schon Till Brönner auf seinem Rio-Album begleiteten, mit unglaublichen Breaks, starken Melodien und großer Spielfreude. Torsten Eßer sprach mit Fabio Torres (p), Edu Ribeiro (dr) und Paulo Paulelli (b) über Jazz, brasilianische Rhythmen und Kultursponsoring.

Trio Corrente
Volume 2, NH 8057 (2011)

Auf eurer CD "Volume 2" finden sich einige Bossa Nova-Titel. Ist sie noch wichtig für Brasilien und für den Jazz?
Paulo: Natürlich gibt es eine neue Generationen von Musikern, die nur noch aktuelle Sachen hört, nichts älteres mehr. Aber die meisten – wie wir auch - nehmen ältere Musikstile auf und entwickeln sie weiter. Denn es gibt vor allem in der Bossa Nova Lieder mit wahnsinnig guten Melodien; da ändern wir dann nur die Arrangements.

Verwendet Ihr noch andere traditionelle Rhythmen im Jazz?
Edu: Wir nutzen alle brasilianischen Rhythmen; sie sind sich auch oft sehr ähnlich. Das Gute ist, dass sie alle leicht mit der Idee des Jazz zu verbinden sind, also mit der Abwechslung von Thema und Improvisation.
Fabio: Chorro und Samba überwiegen allerdings, da sie eher urbane Rhythmen sind und wir ja aus São Paulo stammen. Aber Frevo oder andere Rhythmen spielen wir natürlich auch. Außerdem kennt durch die Medien auch heute noch jeder den Rhythmus aus dem letzten Winkel des Landes. Das war früher anders.

Braucht das brasilianische Publikum diese Verbindung zum Land, oder gefällt ihm auch Musik ohne Selbstreferenz, also Cool Jazz z.B.?
Fabio: In São Paulo gibt es viele Jazzer, die nur Jazz spielen und sie haben ein Publikum. Und traurigerweise gibt es auch Festivals, bei denen kein einziger Brasilianer auftritt. Doch immer mehr Gruppen machen es so wie wir und vermischen die Musikstile.

Was haltet Ihr von der Vermischung der brasilianischen Stile mit elektronischer Musik wie z.B. Ceú es macht?
Edu: Ich höre wenig elektronische Musik, aber ich denke Leute wie Ceú sorgen dafür, dass die brasilianische Musik auch in neuen Kontexten präsent bleibt. Und manchmal auch die Jugend wieder für sie interessiert.

Ich habe zuvor mit spanischen Musikern gesprochen und dort geht der Kultursektor gerade vor die Hunde. Wie stellt sich die Situation brasilianischer Jazzmusiker momentan dar?
Edu: Die Situation für Jazzmusiker ist nie einfach, aber momentan geht es tatsächlich etwas bergauf. Wir hatten nicht viele Jazzfestivals oder –clubs, aber...
Fabio: ...jetzt gibt es ein Gesetz, dass den Unternehmen Steuererleichterungen gewährt, die ein Teil ihres Geldes in kulturelle Veranstaltungen investieren. Und aus diesem Grund gibt es momentan viel mehr Festivals.

War das eine Idee von Ex-Kulturminister Gilberto Gil?
Fabio: Nein, diese Initiative gab es schon vor ihm. Aber sie hat auch ihre Schattenseiten: Eine große Firma, die so ein Festival organisieren lässt, engagiert manchmal lieber einen sehr bekannten (ausländischen) Musiker, der gar nicht so gut ist, anstatt gute, aber nicht so bekannte Landsleute. Aber ohne Zweifel haben insgesamt auch die unbekannteren Musiker von diesem Gesetz profitiert.

In Brasilien ist es ja üblich, dass Musiker sich in verschiedenen Bereichen betätigen, ein Jazzer also auch in einer Sambaband oder in einem Sinfonieorchester spielen kann. Wie ist das bei Euch?
Edu: Vor dem Trio habe ich in vielen Tanz- und Folklorekapellen sowie mit einem Orchester gespielt. Das macht aber auch die Qualität brasilianischer Musiker aus, dass sie Erfahrungen in vielen Bereichen haben.
Fabio: Das hat in Brasilien Tradition, Villa-Lobos ist das beste Beispiel. Der Abstand zwischen der Klassischen und der Unterhaltungsmusik ist in Brasilien nicht so groß wie z.B. in Deutschland.
Paulo: Das stimmt! Ich komme aus einer Musikerfamilie, in der alles gespielt wurde, von der Klassik bis zum Samba.

Im Konzert gestern hörte ich einen Titel, der wie von Villa-Lobos klang?
Fabio: Das war ein Chorro, und der wurde ja auch von Villa-Lobos oft benutzt.

In eurem Konzert gab es auch viele überraschende Breaks mit sehr kurzen Soli. Ist das euer Stil?
Edu: Wir kennen uns schon lange. Bei unseren Auftritten ist nichts vorher angelegt, außer den einleitenden Themen der Stücke. Wir reagieren aufeinander sehr natürlich und haben viel Spaß dabei. Das ist wie früher bei den call-and-response-Gesängen.
Fabio: Unser ganzer Auftritt ist ein großer Dialog, bei dem wir uns immer ergänzen und selten – das muss ehrlicherweise gesagt werden – auch mal verlieren. Wir achten sehr aufeinander und reagieren dann. Unsere Chemie stimmt einfach.

Das klang eher nach einem gelungenen Trialog...

Text: Torsten Eßer
Cover: amazon

Linktipp:
http://triocorrente.com

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