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[art_4] Venezuela: Catatumbo-Delta im Maracaibo-See

Das Delta des in Kolumbien entspringenden Flusses Catatumbo erstreckt sich in den Maracaibo-See, den größten Binnensee Südamerikas. Es ist von Mangroven durchsetzt, die durch ihr verzweigtes Wurzelsystem in dem unbefestigten schlammigen Boden Halt finden. So entstehen zahlreiche kleinere verwinkelte Seitenarme des Catatumbo. Neben Delfinen, Brüllaffen und vereinzelten Kaimanen ist besonders die Vogelwelt vertreten: Papageien, Aras, Tukane, Wasservögel wie Ibise und Reiher und Greifvögel wie der Fischadler.

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Abgesehen von den Mangrovenwäldern gibt es vor allem noch zwei Gründe, warum sich ein Ausflug ins Delta und zum Maracaibosee lohnt:

1. Blitz von Catatumbo: Hierbei handelt es sich um elektrische Entladungen in Form von Blitzen direkt über der Wasseroberfläche, ohne dass auch nur die geringsten Anzeichen eines Gewitters bestehen. Das Phänomen kann man das ganze Jahr über beobachten, allerdings setzt es von Zeit zu Zeit für mehrere Tage aus. Die Goajiro-Indianer, die vor allem das nord-westliche Seegebiet bewohnen, erklären sich das Phänomen dieser Blitze wie folgt:

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Legende vom Hut der Sonne
Zu Anbeginn der Zeit lebten im Inneren der Ma, der Erde, zwei Freunde namens Ka´i, die Sonne, und Kashí, der Mond. Eines Tages waren sie es leid, in den Gängen der unterirdischen Höhlen zu weilen und beschlossen, die Oberfläche zu erkunden. Kashí schlug vor, den Gang nach oben mit einem kleinen Wettstreit zu verbinden: Wer weiter und schneller laufe und dabei am meisten Leben erschaffe, habe gewonnen. Ka´i gefiel der Vorschlag und so machten sie sich auf den Weg.

Als sie ins Freie traten, war die Erde in tiefe Dunkelheit gehüllt, da sie von gewaltigen Wolken umgeben war. Ka´i schritt umgehend zur Tat, durchbrach die Finsternis und brachte dank seines strahlenden Hutes Licht auf die Erde. Inmitten des nun Sonne durchfluteten Sandes platzierte er eine Mutter mit ihrem Kind. Sein Freund Kashí konterte mit einer Ziege und ihrem Zicklein. Während schon die Mutter den heißen Sand kaum ertrug, weinte ihr Kind bitterlich ob der Hitze. Die Ziegen aber liefen munter drauflos ohne den glühenden Sand überhaupt zu spüren. Und so konnte Kashí durch sein bedachtes Vorgehen Ka´i dieses und weitere Male bezwingen, was Ka´i immer mehr in Rage versetzte und ihn Krawall und Sabotage schwören ließ.

Kashí rief das Wasser zu sich und nach dem er es hatte regnen lassen, sprossen augenblicklich alle nur erdenklichen essbaren Pflanzen aus dem Boden. So mussten weder Mensch noch Tier Hunger leiden. Ka´i jedoch, der Kashí keinen Triumph mehr gönnte, verbrannte die Pflanzen mit seinen starken Strahlen. Der Versuch von Kashí, die Strahlung mit dicken Wolken zu unterbinden, scheiterte, da Ka´i seine Bemühungen verstärkte und die Wolkendecke durchdrang.

Nun war es an Kashí, der seine zweite Niederlage hintereinander einstecken musste, sich zu sorgen. In diesem Moment begegnete er Keerralie, dem schicksalhaften Feuer. Nachdem dieser den Ausführungen des Kashí gelauscht hatte, antwortete er:

"Ka´i ist zu mächtig. Mit fairen Mitteln wirst du ihn nicht schlagen können."
"Was soll ich tun?", fragte ihn Kashí.
"Ka´is gesamte Macht steckt in seinem Hut. Ich werde ihn dir besorgen."

Und so entwendete Keerralie Ka´i während dieser schlief den Hut der Sonne.

Als Ka´i erwachte, traute er seinen Augen nicht. Hoch oben am Himmelsgewölbe sah er Kashí wandeln und einen silbernen Lichtschein gen Erde projizieren. Umgehend sprang er auf und in Richtung Kashí rasend schrie er diesem entgegen: "Gib mir meinen Hut zurück, du Verbrecher."

Als Kashí seinen Freund auf sich zustürzen sah, nahm er ebenfalls die Beine in die Hand und nun liefen und liefen und liefen sie hintereinander her immer rund herum um die Erde bis Kashí vorschlug, den Wettstreit zu beenden. Ka´i erklärte sich einverstanden und so beschlossen sie, dass Ka´i den leuchtenden Hut fortan am Tage tragen solle, während Kashí schlief und andersherum.

Und während von diesem Tage an Sonne und Mond abwechselnd die Erde beschienen, war Keerralie nicht mehr ganz wohl in seiner Haut, denn er hatte den mächtigen Ka´i bestohlen. Und so versteckte er sich in den Mangrovensümpfen an den Ufern des Maracaibosees und verließ nur noch im Schutze der Nacht, wenn Ka´i schlief und der Lichtschein gedämpft die Erde erreichte, das Dickicht, um mit seiner Erscheinung in Form von schicksalsträchtigen Blitzen über der Wasseroberfläche die Menschen zu erschrecken.

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2. Pfahlbauten: Ein zweiter Grund, warum man das Catatumbo-Delta besuchen sollte, sind die Pfahlbauten. Die Bewohner des Sees haben ihre Häuser teilweise im See auf Pfählen errichtet. Venezuela, zu deutsch Klein-Venedig, hat durch diese Bauart seinen Namen erhalten. Als Namensgeber gilt der italienische Entdecker Amerigo Vespucci, der im Auftrag der spanischen bzw. portugiesischen Krone in den Jahren 1501 - 1503 die Küstenregionen Venezuelas und Brasiliens erkundete. (Aufgrund dieser Entdeckungen und des phonetischen Wohlklangs des Namens Amerigo verlieh der deutsche Kartograf Waldseemüller 1507 dem ganzen Kontinent in seinen bald Welt bekannten Karten den Namen "Amerika".)

Es besteht die Möglichkeit im See auf einem Palafito, so nennen die Venezolaner ihre Pfahlbauten, zu übernachten, zu speisen und zu baden. Vorsicht ist geboten aufgrund der Stachelrochen. Zwar ist der See flach und man kann oftmals stehen, sollte das aber vermeiden. Ansonsten ist es himmlisch, wenn die sanfte Brise die Hängematte umspielt, von der aus man Ausschau hält nach in der Ferne leuchtenden Blitzen.

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Touren ins Catatumbo Delta/Maracaibosee
Touren ins Delta del Catatumbo starten in Mérida. Hierbei gibt es zwei Varianten:

1. Eine Ein-Tagestour, die früh am Morgen über die Schnellstraße nach El Vijia direkt zum See-Hafen Puerto Concha führt, von wo aus man für 5-6 Stunden mit dem Außenborder zur Erkundung des Deltas und des Sees aufbricht und abends nach Mérida zurückkehrt.

2. Eine Zwei-Tagestour, die der Ausfahrtsstraße Richtung Jají folgt. Der Weg führt hierbei zunächst durch den Sierra La Culata Nationalpark und ist rechts der Straße mit Wasserfällen gespickt. Nach einem kurzen oder ausführlichen (je nach Tour-Anbieter) Aufenthalt im koloniale Andendorf Jají gelangt man auf einer meist unbefestigten Straße durch subtropische Nebelwälder vorbei an Bromelien, Orchideen, Cecropien (Ameisenbäume) und riesigen Baumfarnen zum Dorf La Azulita. Mitten durch Kaffeeplantagen fahrend, erreicht man am Nachmittag Puerto Concha, den Ausgangshafen am Maracaibo-See. Nach einer Bootsfahrt durch die Mangrovenvegetation des Catatumbo-Deltas wird man zu den Pfahlbauten gebracht, in denen Hängematten als Nachtlager dienen. Nachts hat man zumeist die Chance, die Wetterleuchten über dem See zu beobachten. Am nächsten Tag folgt nach einem weiteren Bootsausflug die Rückfahrt nach Mérida über El Vijía und einen Canyon, dessen Vegetation aus Feigen- und Säulenkakteen besteht.

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Text + Fotos: Dirk Klaiber

TIPP: Die beiden Touren werden angeboten von: Casa Vieja Mérida / caiman Tours

Online Reiseführer Venezuela (reihe fernrausch)
Der Hauptteil des Reiseführers besteht aus Beschreibungen von Ausflugsmöglichkeiten in die Natur, in Form von ein- oder mehrtägige Touren, individuell oder mit Guide organisiert, und Abenteuertrips.