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Amor: Unter dem Regenbogen
Parada Gay in São Paulo 2006
17. Juni: Muskelbepackte Männer in engen Höschen, Travesties oben ohne. Ohren betäubende Beats dringen aus den 22 Themenwagen, und obwohl die lachende Sonne die Außentemperaturen gerade einmal auf 17 Grad hoch heizt, hat das ganze etwas von Strandparty. Die 10. "Parada Gay" in São Paulo hat gerufen, und über zwei Millionen Neugierige und Exhibitionisten sind dem Ruf gefolgt. Unter dem offiziellen Motto "Homophobie ist ein Verbrechen" zog der fünf Kilometer lange Buntstreifen über São Paulos Prachtmeile, die Avenida Paulista. Danach ging es die Rua da Consolação bis ins Stadtzentrum hinunter.
Mit etwa zwei Millionen Teilnehmern ist die "Parada Gay" mittlerweile weltweit die größte ihrer Art. Dabei hatte man 1997 ganz klein angefangen. Gerade einmal 2000 Aktivisten der Schwulenbewegung zogen damals durch das Zentrum der mit 20 Millionen Einwohnern drittgrößten Metropole der Welt. Musik dröhnte damals aus einem kleinen Lautsprecher, den man behelfsmäßig auf dem Dach eines weißen VW-Busses montiert hatte.
Seitdem hat sich das Spektakel zu einem erstklassigen Tourismusevent entwickelt. Gut 75 Millionen Euro wird das Ereignis wohl zusätzlich in die Kassen der Stadt spülen. Nur zu den Formel 1 Rennen kommen ähnlich viele Gäste. So sah man neben Trubeltouristen aus ganz Brasilien auch viele Aktivisten aus aller Herren Länder. Mittlerweile hat es sich weit über die Landesgrenzen Brasiliens herumgesprochen, was hier abgeht.
Geht es jedoch nach dem Willen der Stadtverwaltung, so soll die diesjährige Parade die letzte gewesen sein, die über die Prachtmeile der Avenida Paulista ziehen durfte. Die Avenida soll grundsätzlich für Kundgebungen jeglicher Art gesperrt werden. Schuld, so hört man während der Parade immer wieder, seien die Fans des Fußballklubs Corinthians, die im Dezember während einer spontanen Meisterschaftsfeier mal eben die Avenida kurz und klein geschlagen hatten.
Allerdings wirft man der Stadtverwaltung vor, die Parade wenn schon nicht ganz abschaffen, dann wenigstens an einen weniger attraktiven Platz verbannen zu wollen. Im Vorfeld der diesjährigen Parade war es so zu zahlreichen Unstimmigkeiten zwischen Organisatoren und der Stadtverwaltung gekommen, die angeblich die zugesagten Finanzmittel nicht bereitgestellt hatte. Auch um die Frage, wer die Kosten für die für die Verkehrsregelung eingesetzten städtischen Beamten übernehmen sollte, gab es Streit.
Die Teilnehmer ließen sich davon aber keinesfalls die gute Stimmung verderben. Nachdem die Parade am frühen Abend im Stadtzentrum zu Ende ging, öffneten zahlreiche Schwulendiskotheken und Bars ihre Tore. Drag Queens und DJs wetteiferten dabei um die Partygäste. Viele verlängerten die Party direkt bis Sonntagmittag, um dann Brasiliens zweites WM-Spiel gegen Australien zu schauen. Gefallen haben dürfte der Kick dabei aber wohl den wenigsten.
Text + Fotos: Thomas Milz