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[kol_4] Lauschrausch: Muerdo trifft Muguruza
Viento sur vs. Nola? Irun meets New Orleans

Zwar ist das Cover der neuen CD von Paskual Kantero alias Muerdo einem Altar der kubanischen santería-Religion nachempfunden, inhaltlich aber haben seine Songs damit nichts zu tun. Kantero singt in der Tradition auch kubanischer Liedermacher gegen die Übel der heutigen Gesellschaft an. Das tut er nicht alleine mit der Gitarre in der Hand, sondern mit musikalisch ausgereiften Stücken, die auch schon mal als romantisch klingender, flamencoangehauchter Popsong daher kommen, im Text jedoch unverschlüsselt von der Verschmutzung der Meere handeln ("Paisaje submarino").

Muerdo
Vento sur
kasba / galileo mc

Der Sänger aus Murcia und seine Mitstreiter verstehen es, ihre "Protestsongs" auf "Viento sur" in eine Rumba zu kleiden ("Canto…") oder sie als Latin-Funk-Rap zu präsentieren ("Sonidos"). Nicht jedes Stück ist gesellschaftskritisch, es gibt auch Lieder über die Liebe im Ska-Rhythmus ("Canción de la carretera") oder ein ironisches Lied darüber, dass früher alles besser war, im swingenden Bigband-Stil ("Luz natural").

Immer mal wieder durchbrechen gesprochene Passagen von Texten lateinamerikanischer Dichter oder Aktivisten unerwartet, aber nicht unangenehm, die Lieder, zum Beispiel in "Lejos de la ciudad", einem Song gegen linke Revolutionstheoretiker, die nur über Freiheit reden, und nicht, wie die Landbevölkerung, real darum kämpf(t)en. Charango und Trommel wecken hier Erinnerungen an die andinen Protestsongs der 60er und 70er Jahre. Die schöne Ballade "Claridad" taucht am Ende noch einmal in einer remixten Version von DJ Panko auf.


Der baskische (Ex-)Punk und Sänger Fermin Muguruza hatte die Idee, neue und alte Titel aus seiner Feder in New Orleans aufzunehmen, mit dortigen Musikern. Herausgekommen sind zehn Titel, die – wie im ersten Song "Kolore bizia" (lebhafte Farben) - New Orleans-Jazz mit Dub und Ska vereinen, versehen mit Muguruzas baskischen Texten, die in bewährter Manier gegen Faschismus, Fremdenhass und Heuchelei ansingen. Ob sich der Ska nun mit schnellen Marchingband-Sounds vereint, mit einem Saloon-Klavier oder einem Akkordeon, die Songs sprühen vor Energie, klingen aufgrund der Bläser allerdings auch oft ähnlich.

Fermin Muguruza
Nola? Irun meets New Orleans
Talka / galileo mc

"Black is beltza" (beautiful) singt, eine funky Hommage an schwarze Helden bzw. Widerstandskämpfer wie Malcolm X oder James Brown oder wenn er afrikanische Kulte, die in der Religion der Schwarzen überlebt haben (Voodoo!), nach Navarra verlegt ("Zugarramurdin akkelarrea" / "Hexen in Zugarramurdi"). Dieser eigentlich schöne Song bricht leider mittendrin ab und wird zum elektronischen "Ritualrap" bis er wieder zum Song zurückkehrt.

Zwei bluesige, englischsprachige Fremdkompositionen und ein fröhliches Widerstandslied ("Gorra Herria") -  Ska-Punk mit Akkordeon - finden sich noch auf der CD, die begleitet wird von einem schönen Booklet und einer DVD mit der Dokumentation "Nola?", die einerseits die Entstehung der CD im Studio zeigt, andererseits die Geschichte von New Orleans im und nach dem Hurrikan "Katrina", der im Jahr 2005 die Stadt verwüstete.

Text: Torsten Eßer
Cover: amazon

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