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[kol_1] Grenzfall: Cipriani, ein Anti-Christ auf dem Thron Limas
 
„Menschenrechte sind Schwachsinn!“ Von wem stammt dieses Zitat aus Lateinamerika? Von Pinochet? Von Fidel Castro? Von Fujimori? Oder von Somoza? Nein, weit gefehlt. Diese gewagte Wortschöpfung stammt von einem, der sie sich eigentlich nicht leisten kann: Kardinal Juan Luis Cipriani, dem Erzbischof von Lima. Dieser Erzbischof erregte Aufsehen, als er  am 30.01.1999 – begleitet von heftigen Protesten seiner Gemeinde – in sein Amt eingeführt wurde, war er doch der erste Kardinal, der als Mitglied der Sekte Opus Dei zu diesen Würden kam. Als ob diese Auszeichnung für einen Sektenpriester nicht schon genug wäre, bekam er nur zwei Jahre später auch den Purpurmantel eines Kardinals hinterher geworfen.

Das Opus Dei ist ein Schattengewächs: es wurde aufgepäppelt im Schoß der spanischen Franco-Diktatur und es blüht auf im Schatten anderer Diktaturen: in Chile unter Folterknecht Pinochet, in Argentiniens Militärdiktatur unter General Videla und in Fujimoris Peru, wo jetzt die Tochter des korruptesten Staatschefs, den Peru je hatte, an die Macht drängt – mit lauter Wahlkampf-Unterstützung Ciprianis.

Eine feine Lobby-Liaison bahnt sich da an: der machtbesessene Oberhirte und die Fujimori-Tochter Keiko – in Anlehnung an Pinochet auch „Chinocheta“ genannt. Beide wollen Peru zurück verwandeln in eine mafiöse Diktatur, in der eine Hand die andere wäscht. Und natürlich haben beide mehr Geld für den Wahlkampf zur Verfügung als die Gegenpartei unter Ollanta Humala.

Sollte sie den Wahlkampf gewinnen, wird La Chinocheta die Kirchenfürsten zu begünstigen wissen und Cipriani wird sich freuen dürfen, dass gekaufte Todesschwadronen wieder „Kommunisten“ und linke Priester verfolgen und verschwinden lassen. Sollte es dabei wieder „Kollateralschäden“ geben wie bei der Erstürmung der japanischen Botschaft, wird der zynische Kardinal seine Hände in Unschuld waschen. Cipriani ist in seinem Werdegang noch nie durch christliches Verhalten aufgefallen. So forderte er lauthals die Todesstrafe für Abimael Guzmán, den Führer des „Sendero Luminoso“ und bezeichnete einen Jesuiten öffentlich als „Terroristen“.

Während seiner Amtszeit als Erzbischof der Andenstadt Ayacucho ließ dieser brutale Zyniker auf dem Bischofsthron doch tatsächlich ein Schild an seinem Erzbischofspalast anbringen mit dem Hinweis: „Hier werden keine Meldungen über Menschenrechtsverletzungen angenommen.“ Herr Cipriani setzt sich wie alle Opus Dei Mitglieder ausschließlich vehement für die Menschenrechte des nicht geborenen Lebens ein, doch sobald ein Mensch geboren das Licht der Welt erblickt hat, sollte er besser keine Rechte mehr reklamieren. Und natürlich gibt es für Cipriani Menschen erster und zweiter oder dritter Klasse. Als während der Fujimori-Diktatur 300.000 (!) Frauen (meist ohne ihr Wissen) in Peru zwangssterilisiert wurden, wo ertönte da die eifrige Stimme des Erzbischofs, für den doch Verhütung eigentlich Teufelswerk ist? Er bevorzugte vornehmes Schweigen, denn schließlich handelte es sich bei den Sterilisierten fast ausschließlich um in ärmlichen Verhältnissen lebende Indiofrauen aus ländlichen Bergregionen – für den weißen Kirchenfürsten in der Stadt der Könige war dies zweitklassiges Menschenmaterial, das sich nicht zu sehr vermehren sollte.

Welche Moral kann man von einem Kirchenführer erwarten, der so spricht und handelt? Es ist mehr als verständlich, dass angesichts der Worte und Taten dieses Kardinals viele wahrhaft Gläubige in Peru sich die Frage stellen, was an diesem rassistischen Lautsprecher, der den Diktator Fujimori nicht exkommunizierte, sondern hofierte, überhaupt christlich ist? Es war jedenfalls keine Überraschung, als während seiner ersten Messe als Erzbischof von Lima  einige Kirchenbesucher Plakata hoch hielten mit der Zahl 666 (sie symbolisiert in der Offenbarung des Johannes den Antichristen) und riefen: „Gott befreie uns von Cipriani!“

Cirprianis Ziele waren nie religiös, sondern vielmehr die weltlichen eines Politikers. Das Opus Dei ist keine religiöse, sondern eine politische Bewegung, ultra-konservativ bis faschistoid, mit dem Ziel, mafiöse Besitzstrukturen zu zementieren, vor allem in Lateinamerika.

Besonders Kinder und Jugendliche will man indoktrinieren und hat deshalb keine Kosten gescheut, üppig ausgestattete Bildungszentren als Kaderschmieden einzurichten, um die Opus-Ideologie (jawohl: Ideologie, nicht Religion!) zu verbreiten. Mit Blick auf Methoden und Ziele dieser Sekte kann man das Opus Dei durchaus mit der Clique reicher, fanatischer Saudis, die überall wahabitische Koranschulen eröffnen, um Länder, in denen der Islam immer gemäßigt und tolerant war, mit dem Bazillus des Fanatismus zu infizieren. Das Opus Dei  ist wie die „christliche“ (dabei natürlich zutiefst unchristliche!) Version der wahabitischen Fanatiker, mit denen sie noch etwas gemeinsam haben: die führenden Opus Dei-Mitglieder sind reich, sehr reich, und ihr Reich ist sehr wohl von dieser Welt. Sie haben scheinbar unerschöpfliche Finanzreservoirs zur Verfügung, mit denen sie ein unseliges Netzwerk von ideologisch gefärbten Bildungseinrichtungen aufbauen. Sie haben sich an allen Schaltstellen der Macht im Vatikan und anderswo festgesetzt wie ein Krebsgeschwür, um Machtstrukturen und Finanzströme zu kontrollieren.

Am Ende scheint die Saat aufzugehen: heraus kommen Heuchler-„Christen“ wie Cipriani, die den Namen Christi beschmutzen und ihre wahren Ziele offenbaren, wenn sie Botschaften verkünden wie „Menschenrechte sind Schwachsinn.“

Das peruanische Volk hat in diesem Monat Juni die Wahl: falls diese auf La Chinocheta fällt, könnte es für die große Mehrheit der Peruaner, die keine finanzkräftige Lobby hinter sich wissen, ein böses Erwachen geben.

Text: Juan Carmelo

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