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[kol_1] Pancho: Croquetas
Die fetteste Tapa der Welt
Wenn es ein Gericht gibt, das zwingender Bestandteil jeder Tapas-Speisekarte sein muss, dann diese oft unterschätzten kleinen Teile. Eher unscheinbar, im besten Fall immerhin mit schöner, goldbrauner Färbung. Wobei viele Andalusier der Meinung sind, dass man die Güteklasse einer Tapas-Bar allein an der Qualität ihrer "Croquetas caseras" messen kann. Da fast jedes Lokal in Südspanien sie nach geheimem Hausrezept zubereitet und auf der Karte hat, werden kulinarisch interessierte Besucher zum Geschmacksvergleich eingeladen. Nur eine Tapas-Bar, die ebenso originelle wie köstliche Croquetas-Kreationen anbieten kann, verdient das Gütesiegel "excelente".
Dabei muss man zuerst einmal wissen, dass die direkte deutsche Übersetzung "Kroketten" völlig irreführend ist. Denn unsere Röllchen aus Paniermehl-verkleideter Kartoffelpüree-Pampe haben mit den raffinierten andalusischen Croquetas außer der Form rein gar nichts gemeinsam. |
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Doch Vorsicht: Zwar sind Croquetas köstliche Gourmet-Happen, aber ein Wettessen ist nicht gerade magenfreundlich, da sie eine geballte Ladung pures Fett enthalten. Nie werde ich vergessen, als ich bei einer Geburtstagsfeier verkündete, die Croquetas seien "abgezählt": es gebe nicht mehr als 10 pro Kopf. Die erste Reaktion war Entrüstung der Gäste, aber schließlich hat niemand die 10 geschafft, der Tapferste schaffte 8, alle anderen höchstens 6 es ist halt eine Tapa, keine Schlachtplatte.
Bei der Zubereitung sind die drei häufigsten Betriebsunfälle:
- zu langes Frittieren (Croquetas werden zu trocken und zu hart oder gar braunschwarz)
- zu große Faulheit beim Rühren (es bilden sich Klümpchen in der Bechamel-Masse, sehr unappetitlich)
- zu große Trägheit beim Schnibbeln (die Masse bleibt zu grob und pappt nicht zusammen, Croquetas fallen beim Braten oder oft schon vorher auseinander)
Die Zubereitung ist sehr zeitaufwendig (vier Stunden sind als minimaler Zeitaufwand einzukalkulieren, es kann auch deutlich länger dauern) und durchaus kompliziert, was aber nicht für Entmutigung sorgen sollte. Denn wenn Croquetas richtig gut gelingen, können sie bei allen Beteiligten großen Enthusiasmus auslösen.
Damit der beträchtliche Aufwand sich lohnt, empfiehlt sich eine größere Menge Zutaten (für ca. 8 Personen, d.h. für etwas mehr als 60 Croquetas):
Für die Bechamel-Masse:
Ein halbes Kilo Mehl, ein Liter Milch, 1 ganzes Paket Butter (250 Gramm), eine extrem fein gehackte Zwiebel, 3 ebenfalls sehr fein gehackte Knoblauchzehen.
Je nach Geschmacksrichtung (man beachte das "oder"), wichtig ist nur, dass alle Zutaten sehr klein gestückelt unter die Bechamel-Masse gequirlt werden:
ca. 400 Gramm entweder Serrano-Schinken oder Chorizo oder Bacalao (Kabeljau, in Spanien verwendet man getrockneten) oder Mojama de atún (getrockneter Thunfisch-Schinken) oder Gambas-Stückchen oder vegetarische Varianten: Roquefort oder Ziegenkäse oder Gorgonzola (auch kombiniert mit Walnuss-Stückchen) oder Camembert
Gewürz-Zutaten (hier ist alles kann, kein muss):
Muskatnuss, Salz, Pfeffer, Paprikagewürz, evtl. Curry, Chili, getrocknete Tomaten in winzige Stückchen geschnibbelt, Kräuter nach Gusto: Rosmarin, Thymian, Minze, Majoran, Basilikum, einen großzügigen Schuss (ein Gläschen) süßen Sherry (sehr empfehlenswert!) oder Marsala,
Für die Hülle:
statt Paniermehl geriebene Brotkrümel und 4 5 gequirlte Eier
zum Braten/Frittieren: sehr reichlich Olivenöl (bis zu 1 Flasche)
Zubereitung: Zuerst alle Zutaten (Schinken oder Chorizo oder Mojama oder Fisch oder Käsesorte nach Wahl) klein schnibbeln, dabei vor allem Kräuter, Zwiebel und Knoblauch in winzige Stückchen hacken (allein diese Prozedur des geduldigen Zutaten-Zerhackens dauert bis zu einer halben Stunde). Dann die Butter in einem hohen, großen Topf zerlassen und darin Zwiebel und Knoblauch und Schinken (oder die jeweils alternative Zutat für die Hauptgeschmacksrichtung) bei schwacher (!) Hitze sehr langsam dünsten. Wenn alles ein wenig golden schimmert (auf keinen Fall zu dunkel anbraten!), kommt die eigentliche Arbeit: nach Hinzufügen von Muskatnussgewürz abwechselnd sorgfältig durchgesiebtes Mehl und die Milch langsam und in kleinen Mengen dazugeben und mit dem Schaumschläger rühren, rühren, rühren dabei nicht zu sehr meditieren, denn die Masse darf nicht zu steif und nicht zu flüssig werden. Nach und nach muss man alle Gewürze und den Sherry, getrocknete Tomaten usw. dazugeben. Schließlich wird die Masse zäh und klebrig, nicht selten klebt sie in einem großen Klumpen am Schläger. Zum Schluss noch ein geschlagenes Ei unterkneten, damit die Masse beim Abkühlen geschmeidig bleibt. Das alles dauert mindestens 1 Stunde, da man bei sehr schwacher Hitze zubereiten muss, denn es darf auf keinen Fall etwas anbrennen.
Danach muss die Masse mindestens 1 Stunde abkühlen, am besten relativ flach auf eine große Platte streichen.
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Während dieser Zeit braucht man nicht untätig bleiben, sondern kann altes, hartes Weißbrot zu feinem Brotstaub raspeln und die Eier schaumig schlagen. Anschließend formt man aus der Kroketten-Masse länglich-ovale, etwa 2 cm dicke und doppelt so lange Klößchen. Man kann dazu einen Löffel nehmen, aber am besten geht’s einfach mit den Händen. |
Wenn das geschafft ist, müssen alle 60 70 Croquetas in das verquirlte Ei getunkt und dann mit Brotstaub bestreut werden. Zum Schluss kommt Fett zu Fett: die mit reichlich Butter zubereiteten Croquetas stoßen auf Olivenöl. In eine große und tiefe Pfanne fast 1 Flasche Olivenöl gießen und Croquetas bei eher schwacher Hitze und leichtem Wenden goldgelb braten. Wer Angst vor zuviel Fett hat, kann sie auch zumindest mit etwas Olivenöl beträufelt im Backofen garen (allerdings mit erhöhter Gefahr, dass sie zu trocken und hart werden).
Übrigens: Croquetas schmecken aufgewärmt fast noch besser als ganz frisch und wer zuerst nicht glaubte, dass die Zubereitung mindestens 4 Stunden dauert, der ist nachher so geschafft, dass er vergisst, auf die Uhr zu schauen ... am besten erholt man sich vom Zubereitungs-Marathon, indem man erstmal eine Croqueta probiert (oder 2 oder 3 oder...).
Text: Berthold Volberg
Fotos: Thomas Jäckel
Von Berthold Volberg ist über Sevilla mit einem umfangreichen Semana-Santa-Spezial folgende Monografie erschienen:
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Volberg, Berthold
Sevilla Stadt der Wunder
Porträt der andalusischen Kunstmetropole mit großem Bild- und Textteil zur Semana Santa
(Nora) ISBN: 978-3-86557-186-1
Paperback
328 S. - 16 x 25 cm |
[druckversion ed 05/2009] / [druckversion artikel] / [archiv: pancho]
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