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[art_3] Spanien / Teneriffa: La Orotava
Bananen & Barock auf Teneriffa
 
Kein Ort auf der Welt scheint mir geeigneter, die Schwermut zu bannen und... den Frieden wiederzugeben als Teneriffa. (Alexander von Humboldt 1799)

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Diese Meinung des niveauvollsten aller deutschen Teneriffa-Touristen scheinen auch mehr als zwei Jahrhunderte später noch sehr viele Besucher zu teilen. Allerdings folgen die wenigsten Touristen heute hier Humboldts Spuren und sie suchen auch kaum in erster Linie Frieden, sondern eher Nachtleben und Surfbretter.

Dabei hat Teneriffa sehr viel mehr zu bieten als Meer und Sonne: eine spektakuläre Natur mit völlig verschiedenen Vegetationszonen auf engstem Raum und sehr sehenswerte Kulturmonumente. Beides vereint findet man vor allem im Orotava-Tal, das nach wie vor als die schönste Region Teneriffas gilt.

Alexander von Humboldt soll – von Nordosten kommend – beim Anblick des üppig blühenden subtropischen Tals mit dem Schnee bedeckten Teide-Gipfel im Hintergrund und der blau glitzernden Atlantikbucht im Westen mit Tränen in den Augen ausgerufen haben: "Dies ist das Schönste, was meine Augen je sahen!"

Wenn man heute an dieser Stelle, dem "Mirador Humboldt", steht, fällt es schon schwerer, Humboldts Entzücken ebenso nachzuvollziehen. Denn die Zersiedelung des riesigen, wie ein Amphitheater vom Meer aus ansteigenden Talkessels stört besonders in der Umgebung von Santa Úrsula durch zahlreiche Touristenburgen die Harmonie des Gesamteindrucks. Man hofft spontan, dass ein absoluter Baustopp die weitere Vernichtung der grandiosen Landschaft verhindern möge.

Während Humboldt noch ganz romantisch, wenn auch beschwerlich, auf einem Esel hier ankam, gelangt man heute weit bequemer und schneller auf einer breiten und allerdings wenig malerischen Autobahn ins Tal. Aber insgesamt konnten weder die Bausünden noch die Autobahn die Faszination des Ausblicks zerstören.

Von der Steilküste und den Terrassen der Bananenwälder, Weinberge, exotischen Blüten, bis hin zum Nebelwald des Monte Verde und dem darüber thronenden Schneegipfel des Teide bietet sich ein beeindruckendes Panorama. Und genau im Zentrum liegt eine Perle unter den spanischen Kleinstädten: das "Barockdorf" La Orotava.

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Für einen längeren Aufenthalt sicher zu beschaulich, ist es ein idealer Ausflugsort für alle, die einen Tag Pause von Strand und Sonnenbrand machen wollen. Das Städtchen zeigt in seinen ruhigen, schattigen Gassen ein fast andalusisches Flair. Vor allem Barockkirchen und die Adelspaläste der "Bananen-Barone" dominieren das Ortsbild.

Typisch kanarische Elemente sind die wunderbar geschnitzten Holzbalkone und der dunkle Vulkanstein, mit dem zum Beispiel das Portal des Klosters San Agustín erbaut wurde. Der Plantagenanbau der besonders aromatischen und süßen Zwergbananen und Weinanbau haben La Orotava im 18. Jahrhundert reich gemacht und die Grundlage für die Finanzierung der Prachtbauten geliefert. Das spektakulärste Gebäude aus dieser Blütezeit ist die Rokokokirche La Concepción mit rasant geschwungener konkaver Fassade und schöner Kuppel.

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Trotz der etwas übertriebenen Kronleuchter-Deko ist auch das Innere der Kirche einen Besuch wert. An Stelle des sonst üblichen Hochaltars steht ein kleiner Säulentempel, flankiert von ekstatisch verzückten Marmorengeln. Leider ist die Besichtigung nur zu den üblichen Zeiten der Messe möglich (Sonntag vormittags, Freitag abends).

Sehr schön sind auch der Rathausplatz oberhalb der Concepción-Kirche und der kleine, terrassenförmig angelegte Englische Park. Er ist der "kleine Bruder" des großen Botánico, der 10 Kilometer nordwestlich in Puerto de la Cruz liegt und 1788 auf Befehl König Karls IV. angelegt wurde, um tropische Pflanzen langsam an ein gemäßigtes Klima zu gewöhnen, bevor man ihnen die kalte kastilische Hochebene zumuten konnte. Heute wachsen hier überall wie selbstverständlich zahlreiche Blumen und Nutzpflanzen, die ursprünglich aus dem karibischen Raum oder Mexiko stammen.

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Und nicht nur in Gärten oder Parks, sondern im ganzen Orotava-Tal kann man zu jeder Jahreszeit eine wuchernde Blütenpracht und eine "Explosion der Farben" beobachten.

Schon Humboldt berichtete begeistert: Teneriffa, gleichsam an der Pforte der Tropen,... hat schon ein gut Teil der Herrlichkeit aufzuweisen, mit der die Natur die Länder zwischen den Wendekreisen ausgestattet. Im Pflanzenreich treten bereits mehrere der schönsten... Gestalten auf, die Bananen und Palmen... die reiche Pflanzenwelt glänzt in den lebhaftesten Farben...

Die Liste lässt sich leicht fortsetzen: Bougainvillea, Tulpenbäume, Hibiscus blühen hier in Farben, die man so noch nie gesehen hat. Und neben den exotischen Mango- ,Avocado- und Chirimoyabäumen bleibt die Bananenstaude der wichtigste Import aus der Neuen Welt.

Während im Englischen Park nur ein einziges Bananenbäumchen fast schüchtern in der Ecke steht, ist die Banane auf der ganzen Insel die Frucht, die in Form von Monokulturen die Landschaft prägt.

Ohne die Banane wäre La Orotava nie so wohlhabend geworden und seine Einwohner hätten sich kaum so prunkvolle Barockbauten leisten können. Aber Schönheit und Charme dieser barocken Kleinstadt werden weniger durch einzelne Bauwerke bestimmt, sondern vor allem durch die grandiose Lage. Besonders von den Terrassen des kleinen Englischen Parks Orotavas hat man eine doppelt grandiose Aussicht: links liegt hinter einem Blütenmeer wie ein blauer Spiegel die weite Atlantikbucht von Puerto de la Cruz, rechts in der Ferne, an klaren Tagen nur von ein paar Wolkenfetzen dekoriert, der Vulkankegel des Teide.

Man wird lange suchen müssen, um einen solchen "Rundumblick" auf Teneriffa zu finden. So fügen sich hier Barock, Bananen und unzählige Blüten zu einem Gesamtkunstwerk von Kultur und Natur zusammen, dem man auf jeden Fall einen Besuch abstatten sollte – am besten mit Humboldts Tagebuch im Gepäck.

Text: Berthold Volberg
Fotos: Maria Josefa Hausmeister

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