caiman.de 03/2015
[art_3] Spanien: Autark durch Photovoltaik von Lanzarote bis Köln Die Photovoltaik treibt in Deutschland die Energiewende voran. Gut die Hälfte aller in Deutschland installierten Photovoltaik befindet sich in privater Hand. Immer mehr Bürger erfreuen sich an eigenen Solarmodulen auf dem Hausdach. Obwohl die Einspeise-Vergütung von über 50 Cent pro Kilowattstunde (kWh) auf rund 10 Cent gefallen ist, rechnet sich die Investition auch finanziell. Vor allem aber zwingt die sogenannte Bürgerenergie Politik und Energieanbieter zum Handeln, denn die Einspeisung von Strom aus Photovoltaik will sinnvoll genutzt werden. Davon abgesehen verlieren die Energieanbieter durch die Eigenstrom-Nutzung immer mehr Kunden. Zumindest aber reduziert sich die Strom-Abnahmemenge der Bürger, die nun selbst Strom erzeugen, ganz erheblich. Springen wir erst einmal auf die Kanaren nach Lanzarote. Dort leben Julia und Mirko bereits seit fünf Jahren losgelöst vom gemeinen Stromnetz. Foto: Julias und Mirkos Solarmodule auf Lanzarote Lanzarote. 7.00 Uhr. Sonnenaufgang. Julia und Mirko starten in den Tag. Der Wasserkocher läuft und Mirko schneidet Obst und füllt es mit Milch und Eiswürfeln in den Mixer. Heute gibt es Wassermelone mit Papaya und Mango, dazu Empanadas (mit Fisch gefüllte Teigtaschen) und für den kleinen Sohn frisch gekochtes, püriertes Gemüse. Nach dem Frühstück schaltet Julia Laptop und Router ein. Sie checkt die Anfragen (die beiden betreiben eine kleine Reiseagentur für Individual-Touristen), beantwortet E-Mails und koordiniert die Buchungen von Apartments, Ausflügen und Sport-Aktivitäten. Zwei Stunden später geht’s zum Strand, ihre Gäste aus Stuttgart haben einen Surf-Kurs gebucht. Köln. 7.00 Uhr. Etwa zur gleichen Zeit, wie das Leben in Lanzarote, beginnt auch der Tag für Elke in Köln. Sie kocht Kaffee, liest Zeitung, hört Radio und schaut am Laptop, ob eine der Enkeltöchter Lust hat, zu skypen. Kok steht gegen 9.00 Uhr auf. Dann frühstückt das Rentnerpaar. Es folgen Duschen (Durchlauferhitzer), Föhnen, Rasieren, Zähneputzen alles elektrisch. Waschmaschine und Trockner laufen. Die jüngste Enkelin hat sich heute Morgen per E-Mail angekündigt und wünscht sich Spaghetti Bolognese, Fleischbrühe und Maultaschen. Die beiden kaufen ein und kochen stundenlang. Den überwiegenden Teil frieren sie ein. Neben der Gefriertruhe gibt es noch den „normalen“ Kühlschrank und den Getränke-Kühlschrank. An weiteren elektronischen Geräten besitzen sie einen zweiten Laptop mit zusätzlichem Bildschirm, Tablet, Drucker, Router, WLAN-Verstärker, zwei Handys, Telefon mit Anrufbeantworter, Staubsauger, drei Radios, Spülmaschine, diverse Küchengeräte wie Wasserkocher, Küchenmaschine etc., einen Rasenmäher, ein 52 Zoll TV-Gerät und natürlich etliche Lichtquellen. Ihr Stromverbrauch liegt bei 4.400 kWh pro Jahr bzw. 12 kWh pro Tag im Durchschnitt. Lanzarote. 16.00 Uhr. Jetzt sitzt Mirko im Büro vor dem Computer. Er telefoniert. Es geht um den Fahrrad-Ausflug morgen. Zudem reisen neue Gäste an, die einen Transfer vom Flughafen benötigen. Danach beantwortet er weitere Mails, schickt seinem Webmaster aktuelle Fotos und Tourbeschreibungen. Gegen 18.00 Uhr holt er die Wäsche aus der Waschmaschine und hängt sie auf. Um 19.00 Uhr, der Fernseher läuft seit zwei Stunden quasi nebenbei, essen Julai, Mirko und ihr Sohn zu Abend. Als dieser bereits schläft, trifft sich Julia zur Besprechung der weiteren Tage mit den beiden Schwaben und Mirko erledigt die letzten E-Mails. Ihren Stromverbrauch kennen die beiden nicht. Sie haben keinen Strom-Zähler installiert. Brauchen sie auch nicht, denn sie leben komplett autark. Ihren Strombedarf decken sie aus den im Garten installierten Solarpanels: acht Stück à 0,075 kWp und zwei à 0,1 kWp. Insgesamt also 0,8 kWp. „p“ steht für die Peakleistung oder „Spitzenleistung“ (gemeint ist die Leistungsfähigkeit unter Standard-Testbedingungen). Als Speicher für die Nachtstunden oder für einen kurzfristig höheren Verbrauch, als Sonnenenergie durch die Photovoltaik-Anlage gewandelt wird, nutzen sie 12 Batterien à 2 Volt und 550 Amperestunden. Die Speicherkapazität liegt demnach bei 12 x 1.100 Wh oder 13,2 kWh. Die Solarbatterien können jedoch nicht zu 100% entladen werden. Die Entladetiefe des installierten Typs liegt bei 50% der gespeicherten Strommenge. Also stellen die Speicher maximal 6,6 kWh zur Verfügung. Für Notfälle gibt es noch ein benzinbetriebenes Notstromaggregat mit 2,5 kW. Dieses kommt an Wolken verhangenen Tagen für bis zu zwei Stunden zum Einsatz. Anders als bei Elke und Kok in Köln sind diese tristen Tage in Lanzarote rar, doch vor allem zwischen Januar und März möglich. Im Übrigen funktionieren der Herd und der Warmwasser-Boiler mit Gas. Stromverbrauch
In Summe verbrauchen Julia und Mirko 3,48 kWh pro Tag bzw. 1.270 kWh pro Jahr. Köln. Elke und Kok haben 2011 das Energiespiel für sich entdeckt. Einmal angefixt setzten sie sich mehr und mehr mit dem Thema Energiewende auseinander. Im Jahr 2012 beschlossen sie, aktiv teil zu nehmen. Sie implementierten eine Photovoltaik-Anlage auf ihrem Bungalow-Dach. Kok hat uns folgende Zahlen geschickt, die auch den finanziellen Anreiz widerspiegeln: Wir haben unsere Anlage mit 8 kWp in 2012 installiert. Die Investitionskosten lagen bei 16.000 Euro und damit pro kWp bei 2.000 Euro. Für jede eingespeiste kWh erhalten wir 19,11 ct/kWh durchgängig für 20 Jahre.
Autark in Deutschland Aktuell liebäugeln Elke und Kok mit einem privaten Stromspeicher. Kok hat für sich errechnet, dass 6 kWh ihren kompletten Strombedarf decken sollten. Noch allerdings sind ihnen entsprechende Akkus zu teuer. Aber selbst wenn ein paar Jahre vergehen sollten, bis sie unabhängig sind von Strom-Anbietern und Strom-Politik, so haben sie mit ihrem Handeln Zeichen gesetzt. Sie speisen Strom aus erneuerbarer Energie ein und reduzieren ihre Abnahme von Strom, der u.a. aus Atomkraft und durch die Verbrennung fossiler Bodenstoffe gewonnen wird. Vor allem aber ist der Multiplikatoreffekt nicht zu unterschätzen. Zwei Freunde haben umgehend nachgezogen und Photovoltaik installiert. Eine Reihe weiterer Bekannter haben Elke und Kok zumindest für das Thema Energiewende durch Bürgerenergie sensibilisiert.
Reise-TIPP: www.lanzarote-individual.com Lanzarote ist ein Traum für kleinere Wanderungen, Wellenreiten, Baden, Tauchen und Klettern. Und Julia und Mirco sind absolut entspannte Gastgeber. Zudem leben sie in Sachen Strom komplett autark. [druckversion ed 03/2015] / [druckversion artikel] / [archiv: spanien] |