ed 02/2009 : caiman.de

kultur- und reisemagazin für lateinamerika, spanien, portugal : [aktuelle ausgabe] / [startseite] / [forum] / [archiv]


[kol_3] Macht Laune: Pepe und Pancho
Silvesterflausen und venezolanisch-deutsche Wahlsprüche

In aller Herren Länder sind Papageien zu mehr oder wenigen treuen Begleitern des Menschen geworden. Einige treffen es weniger gut und fristen ihr Dasein in winzigen Käfigen, andere verbringen den Tag auf der Piratenschulter oder nennen einen großen Garten ihr Terrain, in dem sie mit ihren gestutzten Flügeln herumtollen. Zu letzteren gehören Pepe und Pancho. Obwohl sie Männernamen tragen, hat sich bislang niemand dafür interessiert, ob ihre in Gefangenschaft entstandene Beziehung homosexueller oder doch heterosexueller Natur ist. Ist ja auch gleich. Hauptsache sie mögen und necken sich und hecken gemeinsam alljährlich zu Silvester Streiche aus.

[zoom]
[zoom]

Vor zwei Jahren nutzten sie die Gunst der Stunde, als die Menschen Tag 1 und 2 des Januars den Kopfschmerz im Bett pflegten, und hackten eine gewaltige Bananenstaude – das Prunkstück des Gartens – in Grund und Boden. Im Folgejahr begannen sie über Nacht das Weinen und Schreien der Kinder des Hauses zu imitieren, und zwar just in dem Moment, in dem auch endlich die Kleinste der drei Töchter des Hauses ihre Wütausbrüche reduziert hatte bzw. diese nicht mehr von einem ohrenbetäubenden Lärm begleitet wurden. Nun beginnt einer der beiden Loros täglich um 6.15 Uhr mit einem unglaublich so gar nicht herzzerreißendem Wehklagen: Huuuaaaa, Mama, Huuuuuaaaa, Papa, Huuuuuuaaaaa. Und der andere redet auf ihn ein oder schimpft mit ihm: Du darfst dies nicht, du darfst das nicht. Nuschel, nuschel, nuschel. Sei still, jetzt reicht es. Nuschel, nuschel, nuschel. Schluss jetzt und ab ins Bett. Nuschel, nuschel, nuschel.

[zoom]
[zoom]

Pepe?
Ja, schwuler Pancho?
Du weißt, was heute für ein Tag ist?
Klar, Pancho. Tag der süßen Rache, wie jedes Jahr. –
Und? Was heckst du aus?
Dieses Jahr mein lieber Tucken-Pepe hat es ein paar Touristen in der Posada, die an den Festivitäten teilnehmen werden.
Aha!

Und du Pepe, süße Schwester des schwarzen Humors, erinnerst dich doch, was sich dort oben in der Ritze verbirgt! Schließen wir doch eine kleine Wette ab.

Pepe wirft einen verstohlenen Blick in Richtung Ritze. Seine Gedanken kreisen aber schon um den Lohn des Wettgewinners:
Folgendermaßen wird es kommen: Panchita! Der Verlierer wird auf die Wiese hinabklettern und den Lockvogel spielen für den Mucuchis, den gewaltigen Andenhund mit viel Bernhardiner im Blut und gleichzeitigem Schoßhund der Menschen, so dass der Gewinner ihm ordentlich in den Schwanz hacken kann, sobald der Mucuchis nach dem Lockvogel schnappt.

Oh ja!
Pancho zeigt sich ganz verzückt ob des Gedankens, dem blöden Vieh, Schmerzen zuzufügen.
Oh ja! Meine trollige Pepita. Auf dass er mindestens einen Tag vor Schmerzen jaule.

Pepe und Pancho verfallen in ein kurzes inbrünstiges Hundjaulen. Dann schaut Pepe Pancho in die Augen und ermuntert ihn, nach außen hin Gelassenheit ausstrahlend, innerlich aber vor Neugier platzend, endlich Einzelheiten seines durchtriebenen Plans preiszugeben:
Prinzessin Einfallspinslerin, schieß schon los. Welch Flausen hegt der göttliche Pancho?
Wir werden, sobald die Party im Gange ist, den alten Alagran, den die Ritze bewohnenden Skorpion, unter dem Tisch der Feiernden platzieren. Um den Tisch herum gruppieren sich die Touristen aus Düsseldorf, 2 an der Zahl, die Touristen aus Schwaben, 4 an der Zahl und die beiden Kölner. Jeder von uns nennt eine der drei Volksgruppen. Derjenige von uns beiden, der auf die Gruppe tippt, deren Mitglied als erstes vom alten Alagran gestochen wird, hat gewonnen.

Grenzenlos verzückt, den Moment des Stiches kaum noch erwarten könnend, schreit Pepe:
Ich will die Schwaben, die haben so einen herrlich geringen Wortschatz.
Und auch für Pancho, den großen Sk Kölsch-Fan, fiel die Wahl im Sinne Kommissars Jupp Schatz einfach:
Düsseldorf.
Pancho, Freund und Freundin mein! Was machen wir mit den Kölnern? Verschonen wir im Falle eines Stichs in kölsches Fleisch den Hund?
Wo denkst du hin, lieblich gestutztes Pepe-Flügelchen? Nie im Leben. Dann setzen wir so lange neue Skorpione unter den Tisch, bis es die Schwaben oder Düsseldorfer trifft.

[zoom]
[zoom]

Der Abend naht und die Gäste versammeln sich. Auf dem Grill türmen sich Berge von Rinderfilets und Schweinefiletköpfen. Es wird getrunken und endlich das Fleisch angeschnitten. Die Verzückung der Gäste nutzt Pepe aus und gibt Pancho das Zeichen, den alten Alagran zu platzieren. Es trifft die Düsseldorferin, gleich zweimal. Der erste Stich geht ins Bein, der zweite in die Hand, die automatisch zum Bein gehastet war. Der Schmerz ist heftig, doch er ist nicht zu vergleichen mit dem, den der Mucuchies am nächsten Tag zu erwarten hat. Pepe und Pancho feiern ausgelassen bis es 24 Uhr schlägt. Das neue Jahr wird begrüßt mit Feuerwerkskörpern. Die Menschen egal ob Düsseldorf, Köln oder Schwaben, begleiten die Raketen auf ihren Himmelsstürmen mit Uh! Und Ah!-Rufen.

Fassungslos blicken Pepe und Pancho vom höchsten Ast des Avocadobaumes auf die Menschen hernieder. Dann sagt Pepe zu Pancho: ¡Uh! ¡Ah! ¡Chávez no se va!
Mit dem stark am Intellekt der Wähler Zweifel erhebenden Wahlspruch Uh! Ah! Merkel geht nicht! würde sich wohl auch in Deutschland Politik machen lassen.

Text + Fotos: Dirk Klaiber

[druckversion ed 02/2009] / [druckversion artikel] / [archiv: macht laune]


© caiman.de: [impressum] / [disclaimer] / [datenschutz] / [kontakt]