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[art_3] Mexiko: Tzetzal Tzotzil

Der staubige, steile Weg führt durch eine immergrüne Landschaft. Es ist sieben Uhr in der Früh und die Sonne wärmt noch nicht richtig. Eine Stunde Fußmarsch durch die dicht bewachsenen Berge Chiapas im Süden von Mexiko liegen vor dem mit einem schweren Rucksack bepackten Adin. Der 24-jährige hat heute viel vor: 60 Bienenstöcke muss er kontrollieren und das Gelände in Ordnung bringen.

Bei den Bienenstöcken angekommen, gönnt sich Adin keine Pause, sondern macht sich gleich daran, mit der Machete trockene Holzspäne zu schlagen, um damit seine Imkerpfeife zu füllen. Dann öffnet er vorsichtig die Kästen und bläst etwas Rauch hinein.


Die Bienen summen einmal auf und beruhigen sich wieder. Langsam und konzentriert zieht Adin die einzelnen Waben heraus. Zum Schutz trägt er nur einen Imkerhut, Handschuhe hat er keine. Doch gestochen wird er nur selten – mit Bienen umzugehen, das hat er schon als 13-jähriger von seinem Vater gelernt. Nur mit den " mutigen Bienen" hat er manchmal Schwierigkeiten. Um seine Bienenstöcke vor größeren Tieren und neidischen Nachbarn zu schützen, hat er vier Killerbienenvölker, die seinen Besitz gegen Eindringlinge verteidigen. Und wenn die ihn doch einmal stechen, dann nimmt er das gelassen hin. " Meine Familie verdankt den Bienen alles. Mein Vater war noch ein abhängiger Landarbeiter und lernte bei seinem Patron alles über Bienen. Er sparte ein wenig Geld und kaufte seine erste eigene Königin. Damit fing unsere Unabhängigkeit an, denn mit dem Gewinn aus dem Honig kaufte er das erste Stück Land, auf dem er dann Kaffee anpflanzte." Doch der Aufstieg der Familie wäre ohne den Fairen Handel undenkbar gewesen: " Das wichtige am Fairen Handel ist für uns nicht nur der höhere Preis, den wir für den Honig bekommen, sondern vor allem, dass wir überhaupt einen Absatzmarkt für unser Produkt haben. Denn hier in Mexiko könnte ich meinen Honig oft gar nicht verkaufen", erklärt Adin.

Es ist Mittag geworden, Zeit für eine Pause. Am Rande der Bienenstöcke packt Adin im Schatten eines Baumes sein Mittagessen aus: Eine Wasserflasche und gemahlenen Mais. Es ist ein wunderschöner Platz: Kein Straßenlärm stört die friedliche Stille aus Bienensummen und Vogelgezwitscher, keine Straße durchschneidet das dichte Grün. In der Mittagshitze duften die Blumen und Büsche noch intensiver. Zweimal in der Woche kommt Adin hier her um sich um seine Bienen zu kümmern. An den übrigen Tagen arbeitet er auf seiner Kaffeepflanzung. Mit einem Zwinkern in den Augen meint er, die Arbeit in den Bienenstöcken sei fast wie Urlaub, denn die Bienen seien wegen der Kälte vor acht Uhr in der Frühe so gereizt, dass er dort nichts ausrichten und deshalb ausschlafen könne. Wenn er in der Kaffeepflanzung arbeite, stehe er nicht um sechs, sondern um vier Uhr auf. " Reich kann ich mit dem Honig nicht werden, aber er ist eine gute zusätzliche Einnahmequelle neben dem Kaffee. Ich verdienen jetzt dank dem Fairen Handel soviel, dass wir ein Mal in der Woche Fleisch essen können. Und wir tragen jetzt neue Kleider. Zum ersten Mal in meinem Leben trage ich keine gebrauchten Hosen und Hemden", sagt Adin mit sichtlichem Stolz.

Die Pause ist vorbei, Adin macht sich wieder an die Arbeit. Mit seiner Machete schneidet er das hochgewachsene Gras zwischen den Bienenkästen. Es ist wichtig, dass es kurzgehalten wird und den Bienen nicht den Eingang zu ihren Stöcken versperrt. Adin hockt auf dem Boden und schlägt ein ums andere Mal mit dem langen Messer zu. Stunden später schaut er prüfend hoch zur Sonne.

Es ist Zeit aufzubrechen, wenn er noch bei Tageslicht zu Hause ankommen und nicht im Dunkeln durch das unwegsame Gelände stolpern will. Adin packt ein paar Waben mit männlichen Larven zusammen mit den Wachsplatten, der Drahtrolle, der Machete und dem Imkerhut in den Rucksack. An dessen Seite baumelt die Imkerpfeife. Das scheint eine ganz schön schwere Last zu sein – doch Adin winkt lachend ab. " Das ist noch gar nichts. Wenn ich den Honig ernte, dann wird es schwer. 60 Kilo habe ich immer den weiten Weg geschleppt. Aber im letzten Jahr habe ich dank des Fairen Handels soviel verdient, dass ich mir ein Pferd kaufen konnte. Das nimmt mir jetzt diese schwere Knochenarbeit ab." Seinen Honig liefert Adin bei der örtlichen Kooperative Miel y Café ab, einer Unterorganisation von Tzetzal Tzotzil. Sie würden es mit ihrem Honig auch gerne auf dem internationalen freien Markt versuchen, doch das ist schwierig, denn die Mitglieder können dafür nicht genügend Honig produzieren. Adin ist zwar ein geschickter Züchter, der seine Königinnen auch gut verkauft. Doch in der Gegend wachsen nicht genügend Blumen um die Honigproduktion noch wesentlich ausweiten zu können. " Wir haben also nur die Möglichkeit, unseren Honig an den Fairen Handel zu verkaufen."

Aolimba wartet am Dorfeingang. Jeden Abend steht sie hier um ihren Vater in Empfang zu nehmen. Noch ist die Dreijährige sein einziges Kind. Ernsthaft erklärt sie, dass sie Adin helfen möchte und besteht darauf, ihm die Machete abzunehmen, die fast so lang ist wie das kleine Mädchen. Aufgeregt erzählt sie dem Vater von den Abenteuern ihres Tages, während die beiden Hand in Hand nach Hause gehen. Dort hat Adins Frau Rosa in dem offenen Küchenhaus, das aus rohen Holzbrettern gezimmert ist, schon das Feuer auf dem Herd entfacht. Sie hat den Tag mit der Wäsche verbracht - per Hand und mit kaltem Wasser. An einem Holzbalken baumelt ein Sack mit Maismehl, an den die Mäuse nicht herankommen können. Rosa treibt die Hühner hinaus und formt geschickt mit der Hand Tortillas, die sie über der Glut backt. In einem Topf köchelt Bohnenmus. Den Höhepunkt der Mahlzeit hat Adin dabei: Die Drohnenlarven. Die Waben werden in der Pfanne geschmolzen, das flüssige Wachs abgegossen und die Larven mit Salz angeröstet.

Mit dem Bohnenmus zusammen in die Tortillas gewickelt, ergibt das ein nahrhaftes, proteinhaltiges Gericht, auf das Aolimba schon ungeduldig wartet. Die Nacht bricht herein, und während sich die Hühner im Baum einen Ast zum Schlafen suchen, trinkt Adin einen starken Kaffee – sein Arbeitstag ist noch nicht zu Ende.


"Ich möchte alle meine Bienenkästen austauschen, denn wenn sie mit Farbe gestrichen sind, dann ist der Honig nicht rein organisch", erklärt er und sucht das Werkzeug aus dem Küchenregal zusammen. Alle seine Bienenkästen schreinert Adin selber. Es braucht dazu nicht viel: Holz, etwas Draht und Geschick. Die fertigen Kästen wachst er zum Schutz gegen Nässe mit seinem eigenen Bienenwachs. Zwei volle Tage braucht er um einen Bienenstock fertig zu stellen. Um rein organischen Honig produzieren zu können, musste er sich auch etwas anderes als Gift im Kampf gegen die Ameisen überlegen, die immer wieder Raubzüge gegen die Bienen führen. Stolz zeigt er seine Erfindung: Eine aus Beton gegossene große Schale, die mit Wasser gefüllt wird. Darauf kommt dann ein Block mit dem Bienenstock, so dass die Ameisen nicht an die Kästen gelangen können. "Ich bin heilfroh, dass ich mein Pferd habe, alleine würde ich diese Ungetüme nie zu dem Bienenstock bringen können", erklärt Adin.

"Ich arbeite sehr hart. Manche Leute fragen mich, warum ich das tue, ich hätte doch schon alles: Ein Haus aus Stein, Kleider und gutes Essen. Aber ich muss auch an die Zukunft meiner Kinder denken. Wenn ich ihnen eine gute Ausbildung ermöglichen will, dann muss ich dafür Geld zur Seite legen. Und das kann ich nur, weil mir die gepa den Honig abnimmt."

Text: Katharina Nickoleit
Fotos: Christian Nusch

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Titel: Peru Kompakt
Autoren: Katharina Nickoleit, Kai Ferreira-Schmidt
276 Seiten
36 detaillierte Karten und Ortspläne, Umschlagkarten, Register, Griffmarken, 120 Farbfotos ISBN 3-89662-338-9
Verlag: Reise Know-How
2. Auflage 2005