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[art_1] Brasilien: Projekt Blauer Ara - Rettung eines bedrohten Pantanalvogels

Miranda, Mato Grosso do Sul – Selbst der agilste und pfiffigste Vogelbeobachter könnte sie nicht alle verorten. Etwa 650 Vogelarten leben im Pantanal. Touristen, die das Refúgio Ecológico Caiman besuchen - die Referenz im Bereich ökologisches Hotel und Naturschutz - haben gerade einen Savannenbussard (Heterospizias Meridionalis, auch als Froschbussard bekannt) und einen Amazonasfischer (Chloroceryle Amazon) beobachtet, als drei kobaltblaue Vögel, gefolgt von zwei weiteren, zwitschernd an ihnen vorbei fliegen. Die drei ersten steuern auf eine seltsame Kiste zu, die an einem Baumstamm befestigt ist.


Der kleine Vogelschwarm gehört zum Projekt Blauer Ara (Projeto Arara Azul). Seit etwa zwei Jahrzehnten scheint den Blauen Ara (Anodorhynchus hyacinthinus, auch als Hyazinthara bekannt) das gleiche Schicksal zu ereilen wie andere seiner Art.


Foto: divulgação Caiman

Der Kleine Blaue Ara (Anodorhynchus glaucus oder Meerblauer Ara genannt) gilt in Wissenschaftskreisen als ausgerottet; ebenso der Spixara (Cyanopsitta spixii), von dem zwar noch 60 Exemplare in Gefangenschaft leben, der aber in freier Wildbahn nicht mehr anzutreffen ist. Man schätzt, dass in den 80er Jahren etwa 10.000 Aras von Wilddieben und Indianern gefangen wurden, die seine Federn als Kopfschmuck verwenden. Erschwerend kam die Zerstörung des natürlichen Lebensraums hinzu. So landete der Blaue Ara auf der Liste der bedrohten Tiere.

Seitdem die Biologin Neiva Guedes ganz alleine vor 14 Jahren das Projekt Blauer Ara ins Leben rief, ist die Population in dem vom Projekt überwachten Gebiet (450.000 Morgen) von 1.500 auf 5.000 Exemplare hochgeschnellt. Guedes, die von Unternehmen und NGOs unterstützt wird, entwickelte eigene Methoden zur Arterhaltung, wie zum Beispiel die Anfertigung künstlicher Nester. Von ihrer Basis inmitten des Caiman-Gebietes aus überwacht ein fünfköpfiges Forscherteam etwa 3.000 Vögel, die in 346 natürlichen und 198 Hand gefertigten Nestern hausen. Die Jungen werden mit Mikrochips bestückt, Blutproben werden genommen und an die Universität von São Paulo (USP) geschickt, um DNA-Tests und weitere Analysen durchzuführen.

Das Refúgio Ecológico Caiman, auch unter dem Namen Pousada Caiman bekannt, erstreckt sich auf einem mehr als 148.000 Morgen großen Gelände, inklusive einer Fazenda, auf der die diversen Arbeiten vorgenommen werden. Darüber hinaus gibt es noch eine zentrale Zone mit 12.500 Morgen Urwald. “Die Pousada Caiman ist seit mehr als 15 Jahren eine Referenz für professionelle Arbeit im Pantanal”, so ist einem Bericht des Instituto de Hospitalidade in Savador zu entnehmen, einer wohltätigen Organisation, die den verantwortungsvollen und qualitativ hochwertigen Tourismus fördert.

“Darüber hinaus ist die Pousada Caiman das Hotel mit dem besten Service des Pantanals, mit sehr komfortablen Unterkünften, Dekorationen, die guten Geschmack verraten, aufmerksamen Führern und exzellenten Beobachtungsmöglichkeiten der Wildbahn”.



Foto: divulgação Caiman

Unter den Besuchern des Refúgio Ecológico Caiman sind Wissenschaftler aus Kanada, Dänemark, Norwegen und den Vereinigten Staaten, die sich der vom Projekt zur Verfügung gestellten Infrastruktur bedienen. In anderen Gegenden Brasiliens und auch Perus hat man bereits die modus operandi des Projektes übernommen. Die Anerkennung reicht bis in die Niederlande, wo Guedes den Golden Ark überreicht bekam, einen von der niederländischen Regierung gestifteten Preis für den Schutz der Umwelt. “Ich halte das von Neiva Guedes geleitete Projekt für ein Vorzeigemodell”, sagt Dener Giovanini, Generalkoordinator des „Nationalen Netzwerks zur Bekämpfung des Wildtierhandels“ (RENCTAS).

Der Blaue Ara wird sowohl wegen seiner Schönheit (er ist hauptsächlich von blauen Federn bedeckt, die einen perfekten Kontrast zu dem leuchtenden Gelb des Gesichts) als auch seiner Größe bewundert. Er ist der größte Ara der Welt: er misst vom Schnabel bis zum Schwanz einen Meter und wiegt 1.3 Kilo. Obwohl der Vogel in einigen Gegenden Amazoniens und des brasilianischen Nordostens anzutreffen ist, leben etwa 70% der Blauen Aras in der Region des Pantanal.

Zusammen mit den Papageien bilden die Aras die Familie der psittacidae. “Wegen ihrer Fähigkeit, die menschliche Stimme zu imitieren, was man ihrer Intelligenz zuschreibt, ihrer Schönheit und Anhänglichkeit sind sie die populärsten und begehrtesten unter den gehaltenen Vögel, als beliebtestes Haustier nur übertroffen von Hunden und Katzen”, so der Bericht der RENCTAS.

Der illegale Handel ist weiterhin die größte Gefahr für den Blauen Ara. Laut RENCTAS erzielt ein einziges Exemplar bis zu US-$ 25.000 auf dem Schwarzmarkt. Das Pantanal ist ein Viehzuchtgebiet, und deshalb versucht das Projekt Blauer Ara, die Unterstützung von Landwirten und Viehtreibern zu gewinnen. Mehr als 40 Landwirte erlauben, dass Feldforscher ihre Farmen zu Forschungszwecken betreten. “Seit Beginn des Projektes sind wir bemüht, die örtliche Bevölkerung mit einzubinden”, sagt Guedes.

Die Situation ist weiterhin schwierig, aber die Umweltkontrolleure und die gegen den Tierhandel kämpfenden Aktivisten sind sich einig, dass es dem Projekt mit Hilfe von Aufklärungsprogrammen für die örtliche Bevölkerung gelungen ist, die heimliche Wildjagd einzuschränken.

Foto: Hyacinth Macaws, Copyright 2003 M. Stafford (www.parrotsinternational.org)



“Die Zahlen sind infolge der Aufklärungsarbeit in bedeutendem Maße gesunken”, sagt Oberst Ademar Brites Cardoso vom 15. Bataillon der Umweltpolizei in Campo Grande. Giovanini fügt hinzu: “Die Leute haben die Vögel im Blick, und die Anwesenheit der Forscher hilft dabei. Das hat ganz gewiss eine Wirkung.”

Als sie anfing, damals noch als Studentin, wurde Guedes klar, dass die Biologen über keine geeigneten Methoden verfügten, um größere Vögel zu studieren. “Es gab keine technischen Hilfsmittel”, berichtet sie. “Wissenschaftler waren daran gewöhnt, kleine Vögel mit Netzen zu fangen. Aber das funktionierte hier nicht.“

Heutzutage hieven sich Wissenschaftler mit Hilfe von Bergsteigerausrüstung in die Baumkronen, um Daten zu sammeln und Nester zu inspizieren und diejenigen zu reparieren, die durch die Jahre oder von Unwettern zerstört wurden. Außerdem betätigen sie sich als Retter in der Not, und manchmal müssen sie tricksen, wie zum Beispiel von natürlichen Feinden bedrohte Eier zu klauen und an ihrer Stelle Hühnereier ins Nest zu legen. Die richtigen Eier werden in Geburtskästen ausgebrütet und die Jungen nach dem Ausschlüpfen in das Nest zurückgelegt.

Jeder Nachkömmling ist wichtig, da die Blauen Aras sich nur sehr sporadisch vermehren. Die Vögel leben in Paaren und jeder Vogel produziert lediglich ein bis zwei Eier pro Jahr. Ei wie auch Nachkömmling sind besonders durch natürliche Feinde bedroht. Erschwerend kommt hinzu, dass die Aras lediglich in Hohlräumen des Manduvi-Baumes, die älter sind als 60 Jahre, nisten und mit anderen Vogelarten im Kampf um diese in Konkurrenz stehen.

Um eine Lösung für die prekäre Nestsituation zu finden, haben Guedes und ihr kleines Team die Eigenschaften dieser natürlichen Schutzräume analysiert und verschiedene Materialien getestet, bevor sie ein von den Vögeln akzeptiertes künstlich gefertigtes Nest entwickeln konnten. “Der Prozess dauerte sehr lange – mehr als drei Jahre”, erinnert sie sich. Die Blauen Aras besiedelten etwa die Hälfte der vorgefertigten Nester, allerdings nur 10% der Nester wurden von Paaren zu Fortpflanzungszwecken genutzt. Die künstlichen Nester hatten aber noch einen unerwarteten Nebeneffekt: 17 andere Vogelarten siedelten sich in ihnen an, was gleichzeitig den Wettbewerb um die natürlichen Nester reduzierte.


Foto: Wagner Guimarães/Projeto Arara Azul

Guedes möchte ihre Arbeit auf Amazonien und den brasilianischen Nordosten ausdehnen, wo die Zahl der Blauen Aras weiterhin abnimmt. “Wir wollen expandieren”, sagt sie. “Aber dafür benötigen wir mehr Geld.”

Text: Bill Hinchberger
Übersetzung: Thomas Milz

Bill Hinchberger bereiste den Bundesstaat Mato Grosso do Sul auf Einladung des Refúgio Ecológico Caiman und von Voice Communications.

Bill ist Herausgeber des Brasilien-Online-Magazins www.brazilmax.com. Um diesen Text im englischen Original zu lesen, klickt hier.

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