caiman.de 04/2003

Venezuela - nach dem Streik

Es ist still geworden um Venezuela. Unbeachtet von der internationalen Presse ging das Ende des zweimonatigen Generalstreiks in den Wirren des sich anbahnenden Krieges Großbritanniens und den USA gegen den ölhaltigen Golfstaat Irak unter. Doch gerade der erneute Golfkrieg dürfte das Ende der venezolanischen Streikphase beschleunigt und dem Staatsoberhaupt Hugo Chávez den Machterhalt vereinfacht haben. Sind doch die USA, der übermächtige Partner der venezolanischen Opposition, des Unternehmertums, nun mit allen verfügbaren Ressourcen auf den Nahen Osten konzentriert. Das US-amerikanische Interesse an venezolanischem und kolumbianischen Erdöl scheint vorrübergehend in den Hintergrund getreten zu sein.

Das Leben in Mérida, der 500.000 Einwohner zählenden Universitätsstadt, die vom Generalstreik besonders hart betroffen war, ist zum Alltag zurück gekehrt. Die meisten Geschäfte sind geöffnet, die kilometerlangen Auto-Schlangen an den Tankstellen haben sich aufgelöst, der lokale und überregionale Busverkehr sowie die Flugverbindungen nach Caracas und in andere Großstädte sind wieder aufgenommen. Die Preise für Benzin und den öffentlichen Verkehr entsprechen denen vor dem Streik. Nur bei den Lebensmitteln greifen die staatlichen Preisregulierungen nicht, sie liegen etwa 20 Prozent über dem Niveau vom November. Der Verkauf von US-Dollar durch die Banken ist eingestellt und Die Entstehung eines Schwarzmarktes ließ nicht lange auf sich warten. Der inoffizielle Wechselkurs liegt bei 2000 Bolívares pro US-Dollar gegenüber den 1600 Bolívares des offiziellen Kurses.

Die finanzielle Situation der privaten Haushalte ist angespannt. Streikende wie die gesamte Universitätsbelegschaft sind seit vier Monaten ohne Lohn; und obwohl der Betrieb bereits vor zwei Monaten wieder aufgenommen wurde, ist nicht abzusehen, ob der Staat die Gehälter für den kommenden Monat auszahlen wird. Um den finanziellen Engpass zu überbrücken, versuchen die Angestellten alles - vom Mixer bis zum Computer - zu Geld zu machen.

Ganz im Gegensatz zum 48-Stunden-Putsch-Gegenputsch vom April 2002, geht Hugo Chávez aus der aktuellen Krise nicht gestärkt hervor. Denn weite Teile des Volkes stehen nicht mehr hinter ihrem Präsidenten. Seinen Machterhalt verdankt er unter anderem dem Wunsch des Volkes nach Rückkehr zum Alltag. Zudem bietet sich bislang keine ernsthafte Alternative zum aktuellen Machthaber. Wirkliche Chancen auf die Amtsübernahme hätten wohl nur die von der Bush-Regierung protegierten Unternehmer gehabt. Doch ohne die US-Unterstützung fehlt diesen scheinbar der Antrieb und das Durchhaltevermögen, das Volk gegen Chávez zu mobilisieren. Und das ist in Anbetracht der katastrophalen Wirtschaftspolitik der Vor-Chávez-Ära, die sich in erster Linie aus selbigen Unternehmern zusammensetzte, als positiv zu bewerten.

Reiseinformationen
Venezuela ist wieder zur Ruhe gekommen. Alle den Tourismus betreffenden Einrichtungen sind wieder in Betrieb: Flüge, Busse, Hotels, Tourbüros. Es empfiehlt sich, Caracas zu meiden und nach der Landung aus Übersee direkt weiter zu reisen. Der Nationale Flughafen befindet sich direkt neben dem Internationalen Flughafen und ist zu Fuß zu erreichen.

Flüge nach Mérida kosten circa US-$ 40 mit Avior oder Santa Barbara. Luxusbusse (bequem zum Schlafen, Beinfreiheit, klimatisiert) fahren ab Caracas über Nacht. Die Fahrt nach Mérida kostet circa US-$ 10 und dauert 10 Stunden. Ein privater Taxiservice beispielsweise zu den Stränden von Choroní (4-5 Stunden Fahrt) liegt bei US-$ 80 pro Auto und maximal vier Reisenden. Dieser muss von Deutschland aus vorbestellt werden.

Für mehr Infos kontaktiert Dirk (Köln) oder Joe (Mérida): dirk@caiman.de bzw.
joe@birds-venezuela.de

Text: Dirk Klaiber