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Interview mit der Deutschen Vizekonsulin Sonja Rogoll de Lazo

DaS: Was sind die am häufigsten begangenen Straftaten von Deutschen in Andalusien?
Sonja Rogoll de Lazo: Wegen der Nähe zu Marokko vor allem „Delitos contra la salud pública“, d.h. Drogenbesitz und –schmuggel, hauptsächlich Haschisch in großen Mengen. Die Drogenkuriere werden größtenteils in den Eingangshäfen Almería und Algeciras festgenommen.

DaS: Wundern sich manche deutsche Straftäter über die schnelle Verhaftung?
Sonja Rogoll de Lazo:
Vielen Erst-Tätern ist eine gewisse Naivität zu eigen. Sie sind grundsätzlich der Meinung, dass ihnen nichts passiert.

DaS: Was sind die häufigsten Anliegen der Inhaftierten an das Deutsche Konsulat?
Sonja Rogoll de Lazo:
Inhaftierte wenden sich in erster Linie an das Konsulat, um einen Kontakt zum Pflichtverteidiger, mit dem es häufig Sprachprobleme gibt, herzustellen. Des weiteren bitten sie um deutschsprachige Lektüre, Besuche und Geld oder Kleidung. Hier - wie auch in anderem Zusammenhang - wäre es hilfreich, wenn es an der Costa del Sol oder an anderer Stelle in Andalusien einen deutschen Hilfsverein gäbe, der sich mit um die Betreuung der Häftlinge kümmern könnte. Einzelne Ansätze zur Gründung eines solchen Vereins hat es schon gegeben und gibt es immer noch, doch die tatsächliche Gründung steht noch aus. Als Orientierung könnte jederzeit der Deutsche Hilfsverein in Madrid dienen, der seit Jahren besteht und Deutschen in Notlagen sehr effektiv hilft. Als eine solche Notlage ließe sich unter bestimmten Bedingungen auch der Aufenthalt in einer Haftanstalt bezeichnen, insbesondere wenn es darum geht, für Gespräche zur Verfügung zu stehen oder Briefpapier und -marken zu stiften.


Vizekonsulin
Sonja Rogoll de Lazo
DaS: Wie ist die Zusammenarbeit des spanischen Konsulats mit den Behörden?
Sonja Rogoll de Lazo:
Die spanischen Behörden benachrichtigen das Generalkonsulat bei jeder Festnahme eines Deutschen, es sei denn, der Festgenommene wünscht keine Benachrichtigung. Auch die Sozialarbeiter aus den Haftanstalten wenden sich an das Konsulat, wenn es Probleme gibt oder der Inhaftierte einen Kontakt wünscht.

Gänzlich unmöglich ist natürlich der Anspruch von Festgenommenen, die ihre Unschuld beteuern, sie sofort aus dem Gefängnis zu holen. Dem stehen sowohl die spanische Rechtslage als auch die Möglichkeiten des Generalkonsulats entgegen.

DaS: Welche Hilfe kann das Genealkonsulat dem Gefangenen geben?
Sonja Rogoll de Lazo:
Materielle Unterstützung ist fast nicht möglich. Dem GK stehen keine Mittel zur Verfügung. Sozialhilfe kann auf Antrag in reduzierter Form gewährt werden, wenn die Befriedigung der Grundbedürfnisse nicht sicher gestellt ist. Doch diese Voraussetzung trifft auf Spanien nicht zu, sondern ist auf Häftlinge in Ländern der so genannten Dritten Welt anzuwenden. Wir leisten logistische Unterstützung bei der Kommunikation mit Pflichtverteidigern und Familienangehörigen. Spanische Schreiben werden unter Umständen und je nach vorhandenen Kapazitäten übersetzt und mündlich übermittelte Nachrichten schriftlich weitergeleitet oder umgekehrt. Selbstverständlich wenden wir uns auch an die Gefängnisleitung, wenn es gravierende Probleme gibt, z.B. bei der ärztlichen Betreuung. Aber glücklicherweise sind diese Interventionen fast nie nötig. Dazu muss man wissen, dass deutsche Häftlinge wie spanische Häftlinge behandelt werden und keine Sonderbehandlung erfahren. Dies ist z.B. zu berücksichtigen, wenn es um ärztliche Leistungen geht, die sich an den Leistungen der spanischen Sozialversicherung orientieren. In der Praxis wird also bei Zahnschmerzen der Zahn gezogen, aber nicht behandelt. Dies wäre in Deutschland sicherlich anders, weil die Sozialversicherung dort eine weitergehende ist als hier. Deutschsprachige Zeitungen werden ab und an versandt. Es gibt aber in Deutschland auch Organisationen, die Abonnements für Gefangene kostenlos offerieren

DaS: Sind die Leistungen des Konsulats kostenpflichtig?
Sonja Rogoll de Lazo:
Der erste Besuch durch den Konsularbeamten ist kostenlos. Jeder weitere, sofern gewünscht, wäre gemäß dem Konsulargesetz in Rechnung zu stellen. Das ist in der Praxis aber noch nicht vorgekommen, da das Generalkonsulat bemüht ist, gleich mehrere Häftlinge bei einem Gefängnisbesuch zu sprechen. Bei Besuchen helfen auch die im Amtsbezirk ansässigen Geistlichen großzügig aus.

DaS: Welche ungewöhlichen Fälle sind Ihnen im Konsulat schon begegnet?
Sonja Rogoll de Lazo:
Kürzlich erfolgte die Festnahme einer alleinerziehenden Mutter mit kleinem Kind und Hund. In ihrem PKW war eine große Menge Haschisch versteckt. Die Mutter bestand darauf, das Kind mit ins Gefängnis zu nehmen. Das ist allerdings in den meisten Haftanstalten nur bis zum Alter von 2 Jahren möglich, das Kind war etwas älter. Also sollte es zu Verwandten nach Deutschland gebracht werden, doch die Mutter weigerte sich. Das Kind ist nun in einem spanischen Kinderheim und wird demnächst wahrscheinlich – mit Zustimmung der Mutter – von einer spanischen Familie temporär aufgenommen. Der Hund wurde von einer Freundin der Inhaftierten aus Deutschland abgeholt und befindet sich wieder in der Heimat.

DaS: Sind die Bedingungen in spanischen Gefängnissen mit denen des deutschen Strafvollzugs vergleichbar?
Sonja Rogoll de Lazo:
Ich würde das bejahen, obwohl ich mehr spanische als deutsche Haftanstalten von innen kenne. Es wurden viele neue Haftanstalten in Spanien gebaut, der letzte Neubau soll in Algeciras vor ca. einem Jahr seinen Betrieb aufgenommen haben. Gleichwohl kann man zusammenfassend sagen, dass der Aufenthalt in einer Haftanstalt immer ein negatives Erlebnis ist, gleichgültig in welchem Land. Man sollte sich daher vorsehen und besser die Gesetze einhalten, um sich ein solches Erlebnis zu ersparen.

DaS: Wie wird mit Minderjährigen (z.B. Ausreißern) verfahren?
Sonja Rogoll de Lazo:
Die spanischen Behörden (Juez de Menores – Jugendrichter) übernehmen von Amts wegen die Vormundschaft. Danach wird das Generalkonsulat benachrichtigt, um Angehörige bzw. Erziehungsberechtigte in Deutschland zu ermitteln. Bis zur Heimführung werden die Jugendlichen in einem Heim untergebracht. Die Heimführung erfolgt per Flug. Jugendliche werden durch die Konsularbeamtin oder einen Beamten der spanischen Jugendbehörde bis zum Flugzeug begleitet und dort der Stewardess übergeben, die sicherstellt, dass das Kind in Deutschland persönlich in Empfang genommen wird. Kleinere Kinder werden durch eine Begleitperson mit dem Flugzeug nach Hause gebracht. Dieses Verfahren gilt nicht nur für Ausreißer, sondern auch für Kinder von erkrankten oder inhaftierten Eltern.

DaS: Gibt es Fälle, für die in Spanien eine andere Rechtssprechung besteht, als in Deutschland?
Sonja Rogoll de Lazo:
Die rechtliche Behandlung der Haftfälle, das zu erwartende Strafmaß etc. richten sich ausschließlich nach spanischem Recht. Das Generalkonsulat kann diesbezüglich auch keine Rechtsauskünfte erteilen oder Angehörigen gegenüber Prognosen über zu erwartende Haftstrafen stellen. Nur soviel: auch in Spanien wird der bisherige Werdegang berücksichtigt. Das bedeutet, dass ein unbescholtener Bürger mit mildernden Umständen rechnen kann. Im Übrigen scheint die Behandlung eines Strafverfahrens teilweise mehr Zeit in Anspruch zu nehmen, als man dies in Deutschland vermuten würde. Genaue Angaben, wie viel mehr Zeit in Spanien verstreicht, bis ein Urteil gefällt wird oder wie viel länger eine Untersuchungshaft dauert, liegen nicht vor.

Interview + Foto: Jon F. Heitmann

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