caiman.de im november 2002

Spanische Fliege
Zwischen Liebe und Giftmord

Die Liebe ist die schönste Sache der Welt. Erfordert sie auch die ein oder andere körperliche Vorraussetzung, die nicht jedem, so scheint es, von Natur aus gegeben ist, so hat sich der Mensch in der Vergangenheit doch hinreichend Heilmittelchen für die schönsten Stunden einfallen lassen: Pulver aus Schildkrötenköpfen, Nashornhörnern und die gepökelten Hoden unzähliger Tierarten sind dabei nur harmlose Varianten - jedenfalls für Menschen. Dagegen muss der Einsatz des wohl berühmtesten und zu Recht auch gefürchtetsten Liebestrankes, der hochgiftigen Spanischen Fliege (lytta vesicatoria) entweder von großem Mut oder großer Verzweiflung getragen sein.

Seit dem griechischen Altertum wird das Insekt, das im Volksmund Spanische Fliege heißt, getrocknet, zerrieben und in Wein vermischt als Potenzmittel für die Herren verwendet oder zur Anfeuerung der Damen heimlich in ihre Speisen gemischt. Ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen, denn dieser kleine Käfer enthält den Stoff Cantharidin, der beim Menschen schon in Hundertstelgramm-Dosierungen zu einem sehr hässlichen und langsamen Tod durch Nierenversagen führt. Die eigentlich gewünschte Wirkung war zudem selbst bei niedrigerer Dosierung eher schmerzhaft denn erfreulich und die Zahl der Liebhaber, die kläglich in den Armen ihrer Geliebten starben, ist unüberschaubar. Unzählige Giftmorde an den königlichen Höfen gehen auf das Konto dieses metallisch grün schimmernde Ölkäfers; idealer weise konnte der Mord dabei jeweils dem Liebeshunger des Opfers zugeschrieben werden oder die Begleitumstände waren so peinlich, dass eine andere Todesursache vorgeschoben wurde. Speziell an den Höfen der letzten spanischen Habsburger brachten es die Intriganten in der Kunst der gezielten Überdosierung zu meisterlichen Vollendungen.

Auch äußerlich angewendet führt der vermeintliche Liebestrank zu unerquicklichen Nebenwirkungen: schmerzhafte Dauererektion, gerötete Haut, Bläschenbildung, Entzündungen und eitrige Geschwüre, aus diesem Grund kennt man den kleinen Gesellen auch unter dem Namen Blasenkäfer.
Vernünftigerweise ist man von diesen Anwendungen schon lange abgekommen, außer in wirklich winzigen Dosierungen in homöopathischen Anwendungen findet sich heute keine echte pulverisierte Spanische Fliege mehr in den so bezeichneten Präparaten; ihr Gebrauch ist verboten worden.

Der Mythos jedoch lebt weiter, wie kann es auch anders sein, soll sich doch sogar Casanova bisweilen der Hilfe der Spanischen Fliege bedient haben. Dieser allerdings schreibt in seinen Memoiren von wesentlich appetitlicheren Rezepten für den Fall, dass der Anblick einer schönen Frau allein nicht genügend Anregung beinhalte. Er schwört auf die liebes fördernde Wirkung von gewöhnlichen Kräutern wie Basilikum oder Petersilie, Selleriegerichten, Austern und nicht zuletzt auf die sündhaft teuren Trüffelpilze.

Wer doch auf die echte Spanische Fliege zurück zu greifen gedenkt, der suche sie in Südeuropa oder Nordafrika. Vorzugsweise treibt sie ihr Unwesen in Eschen und Ligusterbäumen. In unseren Breiten empfiehlt es sich, in der schönsten Sache der Welt dem Beispiel Casanovas zu folgen und Basilikum oder Petersilie zu fröhnen.


Text: Alexandra Geiser