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Grenzfall: Die Bestie im Schönheitssalon


Es ist doch so: als Gast in anderen Ländern passt man sich den Sitten und Gebräuchen an, auch wenn diese einem sonderbar erscheinen. Die Gastgeber sehen dafür großzügig über die ein oder andere Merkwürdigkeit ihrer Gäste hinweg.

So lauten die Gesetze der Gastfreundschaft, und das Einhalten derselben vermag das Leben der Menschen doch wesentlich zu vereinfachen, jedenfalls für die Dauer ihrer Zusammenkunft. Ist man gar zu einer hohen Feierlichkeit wie beispielsweise einer Hochzeit geladen, gilt das natürlich besonders. Nun begab es sich eines schönen Tages vor noch nicht allzu langer Zeit, dass eine solche Feierlichkeit in einem kleinen mittelamerikanischen Land stattfinden sollte und ich, oh Freude, war dazu eingeladen.

Zwei Tage vor dem großen Ereignis, so wollte es die Sitte, begaben sich die weiblichen Gäste gemeinsam in den Schönheitssalon.

Wunderbar, dachte ich bei mir, und vor meinem geistigen Auge sah ich uns schon alle hübsch nebeneinander vor einer Reihe Spiegel sitzen: die Braut, ihre Verwandtschaft und die engsten Freundinnen, und Heerscharen aufmerksamer Schönheitskünstler massieren, pflegen, cremen, maniküren und pediküren was das Zeug hält.


Entspannung pur, ein kleines Likörchen vielleicht dazu. Nebenbei werden die neuesten Gesellschaftsskandale durchgekaut und kleine Beautytipps ausgetauscht. Sie baden gerade Ihre Hände darin. Und ganz nebenbei verwandeln wir uns allesamt in strahlende Schönheiten. Ich kam also neugierig mit. Schaden konnte es keinesfalls, war ich doch bereits seit zwei Wochen mit dem Rucksack unterwegs gewesen und daher pflegetechnisch etwas in Rückstand geraten. Soweit jedenfalls meine Einschätzung, und so betrat ich frohgemut mit einem kleinen Kater vom Vorabend die Szenerie. Wie leichtgläubig ich doch war!

Kaum betrat ich den Salon, verwandelte ich mich in einen ungepflegten Neandertaler. Ich wurde sofort in Untersuchungshaft genommen, desinfiziert, entlaust und dann der Richterin vorgeführt. Mir wurden brüchige und eingerissene Fingernägel, Poren wie Mondkrater, rauhe Ellbogen und eine inexistente Frisur vorgeworfen. Die Chefin des Salons nahm mit abschätzenden Blicken die Rolle der Anklägerin an. Die Augenbraue sollte getrennt und zumindest der Rest des Gesichtes enthaart werden, donnerte sie und machte dann eine bedeutungsschwere Pause. Und ungeschoren kommen Sie hier nicht raus!

Meine schüchterne Frage nach mildernden Umständen ließ sie nicht gelten und verwies auf die Schwere der Verstöße. Ich machte sie auf das Gesetz der Gastfreundschaft aufmerksam und erklärte, dass ich in meinem Kulturkreis trotz Hornhaut an den Füssen durchaus als weibliches Wesen zu erkennen sei. Ungläubige Zweifel tauchten unter ihrem perfekten Make-up auf und sie beriet sich daraufhin lange mit den Geschworenen und der Richterin. Die Hornhaut an den Füssen hatte sie erschüttert. Eine lebhafte Diskussion kam auf. Unzurechnungsfähig, meinte eine Geschworene mit Pfirsichteint, Neandertaler sind schließlich nur eine unterentwickelte Vorstufe zum Menschen und daher nicht nach den Gesetzen der Zivilisation zu beurteilen. Eine andere bezweifelte gar die Richtigkeit meiner Aussage und hakte nach, wie ich zu Hornhaut an den Füßen käme, wenn ich mich doch normalerweise von Ast zu Ast schwinge. Man einigte sich gnädigerweise schließlich doch darauf, mich wenigstens hinreichend für die Feierlichkeiten herzurichten und die Strafe zur Bewährung auszusetzen, wenn ich mich dafür zu umfassenden Rehabilitationsmaßnahmen bereit erkläre. Regelmäßige Besuche bei der Kosmetikerin eingeschlossen.

Meine Erleichterung war groß; dankbar nahm ich die Handrückenrasur mit anschließender Maniküre an und gelobte feierlich Besserung. Da ich mich jedoch mit dem Hinweis auf zukünftiges Barfusslaufen weigerte, mir mit einer Art Kartoffelschäler die Fersen abhobeln zu lassen, wurde ich für die Zukunft unter ständige Beobachtung gestellt.

Aber gut, ich will mich nicht beschweren, auf der Hochzeit wurde ich nicht als Neandertaler enttarnt, meine Gastgeber sahen wohl höflich darüber hinweg.

Und meine Bewährungshelferin ist wirklich nett, sie hat die Hoffnung, mich in einen echten Menschen zu verwandeln, nicht aufgegeben. Mittlerweile ist sie bei mir eingezogen und jedes Mal wenn ich aus der der Dusche steige, drückt sie mir nachdrücklich einen Bimsstein gegen Hornhaut in die Hand.

Text: alexandra geiser
Foto: camila uzquiano
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