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Argentinien: Erstes Pop-Hotel Lateinamerikas - Ein Bastard namens "Boquitas Pintadas"

Samstagabend im Zentrum von Buenos Aires. Die Stadt ist voller Menschen. Überall ertönt lautes Hupen der Autos und Busse, die sich durch die Avenidas der 13-Millionen-Metropole drängen. Frauen in knappen, enganliegenden Kleidern neben Männern in weit aufgeknöpften Hemden und mit nach hinten gegelten Haaren sind unterwegs, die Nacht zu erobern. Sie laufen oder fahren durch Palermo, dem italienischsten der Stadtviertel oder durch Belgrano, durch die Recoleta, wo die Reichen und die Berühmten wohnen, oder durch das Kolonialviertel San Telmo. Manche aber zieht es nach Montserrat, einem alten eher unscheinbaren Wohnviertel im Zentrum Buenos Aires.



Montserrat – einst das Zuhause von Evita Perón und Yiya Murano
Kaum beachtet grenzt Montserrat etwas verschlafen und leicht heruntergekommen an die zehnspurige Avenida Nueve de Julio, eine der Hauptverkehrsadern Buenos Aires. Dabei handelt es sich historisch gesehen um eines der interessanteren Viertel der Stadt: Im 19. Jahrhundert lebte hier zum Beispiel Yiya Murano, eine Giftmischerin, die ihre Verwandten und Freundinnen mit selbstgebackenen Zianidplätzchen umbrachte. Zu Beginn der vierziger Jahre startete dann eine gewisse Eva Duarte ihre Karriere als Schauspielerin. Später wurde sie unter dem Namen ihres Ehemannes weltberühmt: Eva Perón – Hure und Heilige der Argentinier. Trotzdem hat dieses Viertel kein besonderes Interesse hervorgerufen – bis zwei Deutsche am 21. März 2000 das "erste Pop-Hotel Lateinamerikas" eröffneten.

Zwei Kölner in Buenos Aires
1994 verbrachten Heike Thelen und Gerd Tepass ein Jahr in Buenos Aires und verliebten sich nach eigener Aussage in die "Magie dieser Stadt".

Zurück in Köln träumten sie von einem gemeinsamen Hotel in der lateinamerikanischen Metropole. Nach Beendigung ihres Studiums der Regionalwissenschaften Lateinamerika in Köln, gingen sie zurück, um diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen.

Fast ein Jahr lang suchten sie vergeblich, bis ihnen im Dezember 1999 ein Haus in Montserrat angeboten wurde. Für DM 750.000 kauften und renovierten sie es drei Monate lang. Selbstbewußt bezeichnen sie das Ergebnis als einen "Bastard aus Hotel, Restaurant, Bar und Club".

Tante-Emma-Kunst-Supermarkt zwischen ehrbarem Schrott und edlem Glamour
Besonders die jungen Porteños (Bezeichnung für die Einwohner der argentinischen Hauptstadt) fühlen sich von diesem Ort angezogen. Hier treffen sich Lebenskünstler jeglicher Couleur genauso wie Maler, Musiker und Fotografen. Das Hotel hat 6 Doppelzimmer, die mit Mobiliar zwischen edlem Glamour und ehrbarem Schrott eingerichtet sind. Die poppig-populären Kunstgegenstände erstanden die beiden Kölner auf den Flohmärkten von Buenos Aires, bevor sie das Haus für ihr Hotel-Projekt entdeckten. So findet man in geschmackvoller Kombination alte gusseiserne Badewannen, Nierentische, Messing- oder französische Polsterbetten.

Jedes Hotelzimmer für sich ist als Kunstwerk und das Hotel als Galerie zu betrachten. Um es mit den Worten der beiden Selfmade-Gastronomen zu formulieren: das Hotel als Tante-Emma-Kunst-Supermarkt. Sämtliche Gegenstände (von der Kommode bis zum Bild an der Wand, vom Aschenbecher bis zum Zeitungsständer) können selbst bei schmalem Geldbeutel erstanden werden. Im 3-Monats-Rhythmus werden jeweils drei Zimmer und der gesamte Hotelbereich umgestaltet. Im Rahmen einer rauschenden Party wird dann das Hotel immer wieder neu eröffnet.

Benannt nach dem ersten Pop-Roman Lateinamerikas
Getauft haben sie ihren Bastard auf den Namen "Boquitas Pintadas" – geschminkte Lippchen. Er ist als Hommage an Manuel Puig zu verstehen, dessen gleichnamiger Roman als der erste Pop-Roman Lateinamerikas gilt.

"Der Titel drückt genauso viel Glanz wie Kitsch aus", sagen sie. "Und er geht genau so gut ins Gehirn wie ins Gehör." Abgesehen davon ist er leicht verständlich, und eignet sich somit bestens als Name für das erste Pop-Hotel Lateinamerikas.

Das Design des geschminkten Bastards charakterisieren die beiden Wahl-Porteños als einen undramatischen Minimalismus: Die Theke ist gleichzeitig Hotelrezeption, der Check In erfolgt an der Bar, und der Kellner wird zum Rezeptionisten. Das Café verlagert sich bei schönem Wetter auf den Bürgersteig, und die mittlerweile schon traditionelle Teatime findet auf der Hawaii-Terasse im dritten Stock statt. Ihren Cocktail genießen die Gäste in der Late-Night-Bar im Keller des Hauses. Sie ist ab Mitternacht gleichzeitig auch Club. Die DJs´ wechseln hier täglich.

Alle Zimmer des Boquitas Pintadas sind mit Bad, Balkon und Klimaanlage, TV/Video, High Fidelity Sound System, Telefon und eigenem Internetanschluss ausgestattet. Die Preise pro Nacht sind durchaus erschwinglich. Zu den Zimmern gelangt man in einem barock anmutenden Aufzug, wie er ansonsten wahrscheinlich nur noch in einem alten Pariser Stadthaus zu finden ist. Als besondere Bonbons verfügt das Hotel über einen Mini-Swimmingpool auf der Terrasse, eine kleine Bibliothek und einen Salon, der in Verehrung der großen Diva der 40er "Greta-Garbo-Salon" heißt.

Service wie bei den Großen
Die Serviceleistungen brauchen den Vergleich mit anderen modernen Hotels nicht zu scheuen: 24 Stunden am Tag mangelt es an nichts, und das Personal kümmert sich genauso um die Flugbestätigung wie um die Ausarbeitung von Individualreisen quer durch Argentinien.

Weiterhin gibt es tagesaktuelle Tipps zur Kunst-, Kultur- und Partyszene der Hauptstadt, sowie Adressen der Tangosalons und Tangolehrer. Außerdem vermitteln einem die beiden Ex-Kölner die passende Sprachschule und haben für besonders Neugierige eine Liste der unmöglichsten Sehenswürdigkeiten und skurrilsten Sehens-un-würdigkeiten von Buenos Aires.

Darüber hinaus sind sie immer auf dem Laufenden über die Programme der angesagten Clubs und Restaurants.

Etwas Magisches
Es zieht aber nicht nur zahlreiche Hotel-, Bar-, Restaurant-, Café-, und Clubgäste in das Boquitas Pintadas. Gerade professionelle Fotografen lieben das erste Pop-Hotel Lateinamerikas. Es dient ihnen als Kulisse für Foto-Shootings. Und auch die Mitglieder der bonaerenser Kunstszene genießen die einzigartige Möglichkeit, sich bei der Gestaltung eines ganzen Zimmers kreativ austoben zu können. Es scheint, dass der bunte Bastard mit den geschminkten Lippen für viele Porteños etwas Magisches ausstrahlt.

In dem Konzept des "Tante-Emma-Kunst-Supermarkt" mit seinem ehrbaren Schrott und Glamour, in seiner Gestaltung und seinem Mobiliar spiegelt sich die Inspiration wider, die Heike und Gerd für sich in Buenos Aires entdeckt haben.

Text + Fotos: Lars Borchert
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Kontakt:
Heike Thelen - Gerd Tepass

Pop Hotel boquitas pintadas
ee.uu.1393
1101 buenos aires
telfax (+54 11) 4381 6064
email: pop-hotel@boquitas-pintadas.com.ar
Internet: www.boquitas-pintadas.com.ar (in Kürze auch im Netz)

Links zur Kunst- und Kulturszene:
www.buenosaliens.com.ar
www.wipe.com.ar

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