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Mexiko: Telenovelas
Waschpulver mit Leidenschaft

Wege der Liebe, Sündenfreie Empfängnis oder Flügel, Macht und Leidenschaft...
Die schöne Claudia wird die Mörder ihrer Eltern rächen, die Intrigantin entlarven und schließlich ihre große Liebe finden. Vierzig Minuten pro Tag verfolgen Millionen meist weiblicher Fernsehzuschauer das dramatische Schicksal ihrer Heldin, der gata salvaje, benannt nach der gleichnamigen Telenovela: Die Wildkatze.

Telenovelas, die lateinamerikanische Variante der daily soaps, werden von führenden Sendern wie Globo in Brasilien oder der mexikanischen Televisa bereits seit Ende der siebziger Jahre auch ins Ausland exportiert. Der Anteil der lateinamerikanischen Telenovelas vor allem in den USA steigt stetig an, ein Resultat der zunehmenden spanischsprachigen Bevölkerung im Norden des Kontinents. US-amerikanische Serien dagegen konnten sich bis heute in Lateinamerika nicht in diesem Maße etablieren.


Entwickelt hat sich die Telenovela aus US-amerikanischen radio soap operas der 30er Jahre. Hersteller für Reinigungsmittel aller Art finanzierten Hörspiele, mit deren Werbepausen sie gezielt Hausfrauen erreichen wollten. Die Bezeichnung soap opera deutet ironisch die Melodramatik dieser ausgestrahlten Geschichten an. Auch durch die Entwicklung der Medienlandschaft hat sich am ursprünglichen Konzept nicht viel geändert. Der Fernseher hat lediglich das Radio abgelöst und die inzwischen zahllosen Serien existieren weltweit mal in Endlosformat und mal als zwanzig Episoden Streifen. So endet beispielsweise die Telenovela, das populärste lateinamerikanische Fernsehgenre im Gegensatz zur amerikansichen soap opera bereits nach einigen Wochen oder Monaten. Es gibt kein offenes Ende mit Auferstehungsmöglichkeiten für tragisch Verstorbene oder Bösewichte. Konflikte und leidenschaftlichen Verstrickungen werden vorbildlich gelöst und die Heldin heiratet immer ihre große Liebe. Erleichtertes Aufatmen seitens der Zuschauer nach mit durchlittener Zeit. Und sie lebten immer glücklich fort. Ende. Beginn der nächsten Telenovela.

Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich weder am grundsätzlichen Handlungsmuster noch an der Zielgruppe etwas geändert. Televisa beschreibt die typische Zuschauerin folgendermaßen: Sie ist zwischen zwölf und vierundsechzig Jahre alt und hat tendenziell eine geringe Schulbildung, was allerdings lediglich bedeutet, dass diese Frauen am ehesten zugeben, sich regelmäßig Telenovelas anzusehen. Die Behauptung, nur ab und an zufällig mit zu gucken, wenn Mama halt auch schaut, ist sehr beliebt. Wer gibt schon gerne zu, bei Cinderellamärchen mitzufiebern.

Wobei gerade mexikanische Telenovelas wegen ihrer absurd realitätsfernen Handlungen und Charaktere geliebt werden:

Nirgendwo sonst wird in derart komplex verwickelten Handlungssträngen so verzweifelt geliebt, intrigiert, betrogen und gerächt. Sogar die brasilianischen Telenovelas können in punkto Leidenschaft und Gewalt nicht mithalten und der unverhohlene Sexismus in Plots wie z.B. María Mercedes ist selbst für venezolanische Produzenten uneinholbar.

Inzwischen existieren Kanäle, die 24 Stunden am Tag Telenovelas und die dazugehörige Werbung ausstrahlen. Telenovelas durchdringen längst mit allen Konsequenzen Alltag und Kultur in lateinamerikanischen Gesellschaften. Für die Sender stellen sie aufgrund der niedrigen Produktionskosten und der unzähligen Weitervermarktungsmöglichkeiten eine Lizenz zum Geld drucken dar: Auszüge aus der Serie als Fotonovela, Musik-CDs, Groschenromane, Starvermarktung bis hin zum weltweiten Export kompletter Staffeln.

Viele der Zuschauer gaben in der Televisastudie an, sie wünschten sich das Leben, einer Telenovelafigur zu führen. Keine Überraschung, bedenkt man, dass die Geschichten hauptsächlich in der Oberen Mittelklasse bis Oberschicht spielen. Die Charaktere sind durchschaubar, die Bösen werden schwer bestraft, unschuldig Leidende und sonstige Moralisten dagegen proportional zu ihrem früheren Leid belohnt. Es sind zwar Tendenzen zu erkennen, in die endlose Aneinanderreihung von Konflikten im Handlungsverlauf der Episoden auch realere Gegebenheiten und sogar modernere Frauenbilder einzuflechten. Doch schwierige soziale Themen wie Rassismuskonflikte beispielsweise werden in keiner Telenovela auch nur angedeutet. Und Frauencharaktere wie Betty la Fea, so modern wie Doris Day, beherrschen nach wie vor die Serienlandschaft: Chef heiraten, aufatmen, Beginn der nächsten Serie.

Das Erfolgsgeheimnis der Telenovela liegt in ihrer absoluten Realitätsferne und dafür wird sie geliebt.

Text + Fotos: Alexandra Geiser Druckversion    

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