caiman.de 11. ausgabe - köln, november, 2001

Rent a Mariachi

An einer Straße in Mexiko stehen seltsam gekleidete Männer, wie aus einer Folkloreshow: sie tragen trajes de charro: dunkle Kleider mit botonaduras, aufwendige Knopfgarnituren, ausladende Sombrero, hohe Stiefeln und Nietengürtel. An ihrer Seite Instrumente. Aha! Mariachis!

Was tun die denn hier? Kein Fest in der Nähe. Und trotzdem so viele, in kleinen Gruppen. Stehen da und warten. Ein Auto fährt vorbei und hält vor einer kleinen Truppe. Kurze Verhandlung, die mariachi steigen ein, begleitet von den neidvollen Blicken der umstehenden Bands. Rent a mariachi!

Sind sie doch eine Institution auf allen Festen, zu fröhlichen aber auch traurigen Anlässen, und immer anzutreffen bei zünftigen mexikanischen Hochzeiten. Genau diesen verdanken sie angeblich auch ihren Namen; abgeleitet vom französischen Wort mariage (Hochzeit, Vereinigung).

Zur Erklärung ein Rückblick:
Im 19. Jahrhundert entscheidet sich Mexiko - zum zweiten Mal - für die Monarchie als Staatsform. Doch woher so schnell einen Monarchen nehmen? In den europäischen Königshäusern hält sich die Begeisterung über das riskante Jobangebot in Grenzen: schon einmal, 1824, ist schließlich ein Kaiser von Mexiko erschossen worden.

Kein wahrhaft blaublütiger, aber immerhin ein proklamierter. Doch 1861, die USA sind mit ihrem Sezessionskrieg beschäftigt, schickt der französische Kaiser Napoleon III. unter dem Vorwand des Schuldeneintreibens ein Soldatenkorps ins mexikanische Hochland. Er bietet Erzherzog Maximilian von Österreich, dem Bruder des Kaisers Franz Joseph I., die mexikanische Kaiserkrone an. Dieser akzeptiert und nennt sich Maximilian I. Fortan gibt es am Hofe des neuen Kaiserreiches Mexiko einiges zu feiern und zu tanzen. Alles französische gilt als chic und so entsteht der Begriff der mariachis; die Bezeichnung für ein aufspielendes Musikerensembles. Sagen zumindest Sprachforscher.

Schöne Geschichte, stimmt nur nicht!

Denn die Bezeichnung mariachi ist viel älter und die phonetische Übereinstimmung mit dem französischen Wort mariage reiner Zufall. In der heute ausgestorbenen Sprache Coca bedeutet mariachi: Bühne, auf der getanzt wird; mit ziemlicher Sicherheit entstanden in der ländlichen Region Jalísco.

Ursprünglich den reichen Hacienda-Besitzern als Statussymbol vorbehalten, gewinnen die trajes de charro und besonders die sombreros nach der Revolution von 1930 an Popularität unter den mariachis. Durch die aufkommenden Medien wie Radio und Kino, aber vor allem auf politischen Wunsch hin, wurde die vorher regional begrenzte, ländliche Folkloremusik Ausdruck einer populären nationalen Musik, sogar einer nationalen Identität. Nicht umsonst gleichen die kostümierten Musiker den revolutionären Kämpfern wie Emiliano Zapata oder Pancho Villa.

Zudem schlossen sich die Musiker zu immer größeren Gruppen zusammen. Bestand die Besetzung ursprünglich aus vier Musikern, d.h. zwei Violinen, einer vihuela (mexikanische Leier) und einer Gitarre, ergänzten später erst eine, dann sogar zwei Trompeten das Ensemble. Die Violinbesetzung wurden auf mindesten drei heraufgeschraubt, plus vihuela, Gitarre und guitarrón.

Heute nennt man so ziemlich jedes Folklore spielende Ensemble Mariachis, auch wenn sie in Restaurants mit „Guantamera“ Liebespärchen auf die Nerven fallen und keine rein mexikanischen sons oder rancheras mehr spielen. Abhilfe schafft da nur eine Einladung zu einem Tequila.

Der Kaiser erlag übrigens seinem Berufsrisiko: 1867 wurde Maximilian wie schon sein Vorgänger erschossen. Zu seiner Beerdigung spielten mariachis die Marseillaise direkt nach El Rey.

Text + Foto:
Alexandra Geiser

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