logo caiman
caiman.de archiv
 
macht laune

Titicaca klingt lustig
(erschienen 05/2001)

Konkrete Vorstellungen hatte ich keine, wenig wusste ich über meine Gastländer, Erwartungen jedoch hatte ich viele als ich meine Reise zu planen begann. Nur eines stand fest: zum Titicacasee musste es gehen. Der Name ist Programm, dachte ich. Schon als ich klein war, hat er mich immer zum Lachen gebracht. Na, das konnte doch nur gut werden.

Auf über 3800 Metern Höhe, tiefblau glänzend und irgendwie unwahrscheinlich inspirierend, lag er dann vor mir, dieser See mit dem seltsamen Namen, der zu zwei Dritteln zu Peru und zu einem Drittel zu Bolivien gehört. Er genießt den Ruf, der höchste befahrbare See der Erde zu sein; aber das ist nicht ganz korrekt. Es gibt noch einige andere, die etwas höher liegen, aber offensichtlich nicht bekannt genug sind, um diesen Titel zu verdienen. Fakt ist, dass der Lago de Titicaca der größte See Lateinamerikas und der größte der Erde über 2000 Meter ist.

Die abschreckend niedrigen Wassertemperaturen luden nicht unbedingt zu einem Bad ein, aber einige Inseln, die man mit dem Boot anfahren konnte, versprachen interessant zu werden. Also entschloss ich mich zu einer zweitägigen Tour mit verschiedenen Höhenpunkten.

Unser erster Stop waren die Uro-Inseln, die islas flotantes. Sie sind mittlerweile die wohl wichtigste Touristenattraktion der Region und somit prädestiniert, enormes Entsetzen bei all denjenigen auszulösen, die glauben, hier ein Stück Natur belassene Andenkultur vorzufinden. Unterscheidet sich der Besuch der kleinen, handgeflochtenen Schilfinseln doch kaum spürbar von einem Abstecher in einen mittelgut sortierten Souvenirshop; wenn man mal von dem schwankenden Boden unter den Füßen absieht.

Der Sage nach flüchteten einst die Uros vom Festland auf diese aus Tortora-Schilf gebauten schwimmenden Inseln, um der Unterwerfung durch die Inkas zu entgehen. Aus heutiger Sicht ist ein Leben auf solcherart Kunstwerken kaum vorstellbar, aber die Menschen dort geben sich die allergrößte Mühe, uns die Kultur ihrer Vorfahren näher zu bringen (die Uros selbst sind natürlich längst ausgestorben).

So fahren sie jeden Morgen mit dem Motorboot auf die Inseln, breiten ihre Verkaufsartikel aus, lassen ihre Kinder tanzen, halten die Hand auf und fahren abends wieder zurück. Während sie auf Kundschaft warten, flechten sie Schilf, um ein Untergehen der Inseln zu verhindern, denn was im Wasser von unten verrottet, muss von oben nachgelegt werden. Eine wirklich faszinierende Sache, wenn man es genauer betrachtet.

Man gab uns 20 Minuten Zeit, um die Kultur der Insulaner kennen zu lernen. Als wir uns mit dem Boot einige Meter entfernt hatten, sahen wir bereits den Grund für unser plötzliches Aufbrechen: Die nächste Gruppe näherte sich dem kleinen Eiland, das bei zuviel Besuch vermutlich unterzugehen drohte.

Ein kurzer Aufenthalt lohnt sich trotzdem, und wenn man den Erzählungen Glauben schenken darf, gibt es weiter hinten, fernab des Tourismus, noch jede Menge bewohnter Uro-Inseln, auf denen angeblich einige hundert Nachfahren dieser Kultur mit Fischerei ihr Leben bestreiten.

Egal wie friedlich der See zuvor ausgesehen hatte, während der Stunden in unserem kleinen Motorboot machte er sich bei mir in gewissem Maße unbeliebt. Wind und der damit unweigerlich verbundene Seegang verursachten bei vielen von uns Übelkeit, und wir waren dankbar, nach etwa fünf Stunden endlich unser nächstes Ziel erreicht zu haben: Amantaní

Amantaní ist tatsächlich eine richtige Insel, und der Gedanke, dass uns diesmal nicht der Boden unter den Füßen wegzufaulen drohte, erleichterte uns. Am Hafen empfingen uns bereits eine Reihe von Dorfbewohnerinnen, denen wir jeweils zwecks Übernachtung allein oder zu zweit zugeteilt wurden.

Es war schön, für die Dauer des Aufenthalts nicht mehr Teil der Gruppe, sondern Gast einer peruanischen Inselfamilie zu sein. Um unser Haus zu erreichen, mussten wir unter großer Anstrengung eine Anhöhe hinaufsteigen. Oben angekommen wurde ich für die Tatsache, dass einem auf 4000 Metern Höhe recht schnell die Luft ausgeht, entschädigt, denn die Aussicht war fantastisch. Der Titicacasee lag zu meinen Füßen, ich konnte bis zur benachbarten Isla Taquile hinüberschauen und Schnee bedeckte 6000er in der Ferne vermuten. Meine Gastgeberin lebte mit ihren drei Kindern wie alle Inselbewohner in einem kleinen, einfachen Haus, das unten aus einem Schlaf/Wohnraum und einer Küche und oben aus einem Gästezimmer bestand, welches über eine steile Leiter zu erreichen war. Das Loch im Boden, das als Toilette diente, befand sich einige Meter entfernt und war von drei Steinwänden umgrenzt.

Ich war begeistert von dem unerwartet direkten Kontakt mit den Menschen und ihrer scheinbar unberührten Kultur, wenn auch die Verständigung sehr bald an mangelnden Sprachkenntnissen scheiterte.

Ganz sicher wäre es spannend gewesen, sich mit der Frau ein wenig über ihr Leben auf der Insel zu unterhalten, so ganz ohne Strom, mit einer sehr begrenzten Auswahl an Lebensmitteln (ich bekam zu allen drei Mahlzeiten Kartoffeln mit Ei in verschiedenen Ausführungen), und drei „Vater losen“ Kindern. Offensichtlich verdienen die Männer der Insel das Geld auf dem Festland.

Die Begegnung mit den Bewohnern von Amantaní war schon etwas Besonderes, und ich fühlte mich für einen kurzen Moment tatsächlich irgendwie zugehörig. Trotz der Kommunikationsprobleme erlebte ich die Menschen als unwahrscheinlich freundlich und bemüht, wobei letzteres vielleicht auch wieder mit ihrer Abhängigkeit vom Tourismus zusammenhängt, wer weiß. Dies weiter zu hinterfragen, unterließ ich, um mir nicht die Illusion zu nehmen, tatsächlich auf authentische, peruanische Gastfreundschaft gestoßen zu sein.

Am nächsten Tag wurde die Tour mit einem Stopp auf der Isla Taquile abgerundet, die im Vergleich zu Amantaní sehr viel mehr Touristen bewirten muss, da sie ausgehend von der Hafenstadt Puno auch als Tagestour angeboten wird. Mehrere Restaurants und Souvenirshops stören das Bild ein wenig.

Trotzdem ist sie auf ihre Weise eine wunderschöne Insel, die einen Besuch wert ist. Wer jedoch ein kleines bisschen mehr Ruhe sucht, sollte einen Extratag auf Amantaní in Erwägung ziehen.

Text + Fotos: Cora Steigenberger

Weitere Artikel zur Kolumne findet ihr im Archiv.







 
Archiv
nach




© caiman.de - impressum - disclaimer - datenschutz pa´rriba