caiman.de 12/2003

Tinto de verano

Mitten in Granada werden wir von einem leicht angetrunkenen Hotel-Praktikanten auf Moped gestoppt. Während wir ihm verwirrt, weil derartiges aus dem zivilisierten Teil der westlichen Welt nicht gewohnt, zuhören, versucht er uns in blühenden Farben das Hotel, in dem er arbeitet, schmackhaft zu machen. Er schindet richtig Eindruck als er uns gönnerhaft einen Gratisstadtplan überlässt. Kurz darauf erscheint der Hotelbesitzer in seinem Kleinwagen. Höchstpersönlich erkundigt er sich, ob wir mit seinem Marketingexperten zufrieden sind, klopft uns auf die Schulter und bietet uns erneute Ermäßigungen an. Er drückt uns ein signiertes Streichholzbriefchen in die Hand das als Rabattgarant dienen soll. Sehr geschäftstüchtig die Granadier.

Doch immer noch nicht unserem Budget entsprechend. Wir fahren weiter und sind alsbald völlig irritiert. Ständig werden wir angehupt und angeschrien, da wir zu doof sind, das Straßen-Einbahn-System dieser Minigässchen adhoc zu assimilieren.

Den Höhepunkt bildet eine kleine Straße, die zur Alhambra führt und durch einen Eisenpoller in der Straßenmitte versperrt ist. Völlig verdattert stehen wir vor diesem Ding, müssen zurücksetzen und beobachten aus der Ferne wie andere Autofahrer etwas in eine nebenstehende Säule brüllen. Die Szene wiederholt sich ein ums andere mal. Doch um zu den im Reiseführer empfohlenen Hotels zu gelangen, müssen auch wir da durch. Zum letzten Mal stehen wir vor diesem Unding und schreien Unverständliches ins Mikrofon bis die Schlange hinter uns gefährlich lang und das Hupkonzert Furcht einflößend wird. Und siehe da, die unsichtbare Frau im Poller resigniert und gibt die Straße frei.

Euphorisch setzen wir unsere Suche fort und verpassen die Abzweigung. Der Ohnmacht nahe, da kein Weg zurück, verfallen wir in einen hysterischen Lachanfall bis uns das Auto vor einer unauffälligen Bruchbude absäuft. Zunächst nur schemenhaft, dann klarer, erkennen wir, dass wir vor einer der gesuchten Herbergen gestrandet sind. Das Doppelzimmer kostet uns nach einigen Verhandlungen 24 Euro. Froh und stolz nehmen wir die notdürftige Schlafgelegenheit in Besitz und starten leichten Fußes ins Nachtleben. Direkt vorbei an der meterhohen Leuchtreklame am Ausgang unseres Hotels: "Sonderangebot Doppelzimmer 18 Euro".

Auf der von Lebenslustigen wimmelnden Plaza Nueva setzen wir uns an den ersten freien Tisch. Wir bestellen ein Humpen ähnliches Gefäß mit Sangria verwandtem Inhalt und bewältigen die flüssige Wohltat in einem Zug . Mit dem zweiten Liter fühlen wir Schwerelosigkeit in die Glieder sickern. Das war der Moment, in dem wir uns in das Getränk verliebten:

50% Rotwein
50% Zitronen oder Orangensprudel
1 Orangenscheibe

Tinto de verano macht richtig Laune.

Text: Camila Uzquiano