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Macht Laune: Skanks bunte Zitatenkiste

Auf ihrem neuen Album "Cosmotron", das vor wenigen Tagen in die Brasilianischen Plattenläden Einzug hielt, der sechsten Studioarbeit in ihrer zehnjährigen Bandgeschichte, zieht es die vier Musiker aus Minas Gerais stilistisch ins Swinging London der 60er Jahre. Schon die ersten Klänge des Openers "Supernova" weisen die Richtung: was sich wie eine Mischung aus "Tomorrow never knows" vom 1966er Beatles-Klassiker "Revolver" und "2000 light years from home" vom 1967er Rolling Stones Album "Their Satanic Majesties Request" anhört, ist der Beginn eines bunten Zitate-Reigens. Und auch ihre Coverart erinnert stark an die guten alten Zeiten.


Das Frontcover ist die Synthese aus zwei berühmten Beatles-Covern: "With the Beatles" von 1963 und "Rubber Soul" von 1965. Und das Bandfoto auf der Rückseite erinnert an den Fernsehauftritt der Fab Four im ersten Beatles-Film "A hard days night", mitsamt den alten Vox-Verstärkern, über die Paul McCartney noch heute auf Tourneen seinen Hofner-Bass spielt.

Doch Skank lässt sich nicht in den Golden Sixtees einsperren. So erinnert "Nômade" an Stings Flirt mit nordafrikanischer Musik auf "Brand new day", genau wie das dahinfadende Klaviermotiv am Ende des Stückes, das eigentlich in den letzten Jahren ein Markenzeichen des ehemaligen Police-Bosses geworden ist. Immerhin spielte Skank 1998 eine spanische Version von "Wrapped around your finger" für die Police-Hommage "Outlandos D`Americas" ein und präsentierten den Song auch auf ihrem 2001er Live-Album "MTV ao vivo".

Doch irgendwie hat man das Gefühl, Skank will uns mit so vielen Zitaten nur auf falsche Fährten locken. So beginnt "Os ofendidos" mit einem typischen Motown-Sound, um dann in wütenden Gitarrenriffs zu explodieren. Und die nächste Nummer "É tarde" erinnert an eine schlechte Südsee-Kreuzfahrt-Elvis-Immitation im Würstchen-Dosen-Remix.

Doch es geht auch besser. So ist ihnen mit "Dois Rios" eine große Schnulze gelungen, die ein würdiger Nachfolger für die Novella-taugliche "Balada do amor imbalável" vom 2000er Vorgänger "Maquinarama" werden könnte. Daneben glänzt die Band mit Upbeat-Nummern wie "Vou deixar", das ähnlich beschwingt daherkommt wie einst "Shiny happy people", die Zusammenarbeit von REM mit den B 52s.

Ohne Zweifel ist Samuel Rosas Stimme noch immer eine der markantesten der Brasilianischen Musikszene. Dies hat er schon mit Gastauftritten bei 14 Bis ("Bola de meia, bola de gude") und im Duett mit Daniela Mercury ("Minas com Bahia") unter Beweis gestellt. Doch seine Kompositionen wirken diesmal etwas zu angestrengt, es fehlen die leicht dahingeworfenen Melodien, die die Vorgängeralben auszeichneten. Vielleicht muss man dem Album aber einfach mehr Zeit lassen, bevor es sich, ähnlich "Maquinarama", erschließen lässt.

Immerhin erstaunlich wie wandlungsfähig sich Skank auf den letzten Alben gezeigt haben, von ihren frühen Reggae-Ska orientierten Platten hin zu den Metall-Attacken von "Maquinarama". Aber sie sollten aufpassen, über soviel Stilsprüngen nicht belanglos zu werden und irgendwann nur noch nach Ringo Starr-Soloalben zu klingen.

Und ob die Fans, die schon an "Maquinarama" zu schlucken hatten, sich an den neuen Sound gewöhnen werden? Oder doch gleich lieber direkt die Originale kaufen?

Text + Fotos: Thomas Milz Druckversion  


Skank Discography

Skank (1993)

Produktionstechnisch gesehen eine Katastrophe, kommt die erste Platte ein bisschen schüchtern daher. Doch Stücke wie "Salto no asfalto" und "In(dig)Nação" mit ihren eingängigen Melodien und den wummernden Reggae-Beats lassen aufhorchen. Und Jorge Bens Fußball-Hymne "Cadê o Pênalti" ist der Vorgänger des brillanten "É uma partida de futebol" von 1996. Ansonsten: nur bedingt empfehlenswert.

Caiman-Wertung:
(maximal 5)


Calango (1994)

Klangtechnisch ein Riesensprung nach vorne. Skank präsentiert auf ihrem zweiten Album mit Stücken wie "Jackie Tequila", "Pacato Cidadão" und "É proibido fumar" einige ihrer Klassiker. Daneben gibt es mit "Te ver" den ersten ganz großen Singlehit der Bandgeschichte. Geheimtip: "Estivador".


Caiman-Wertung:
(maximal 5)


O Samba Poconé (1996)

Mit dieser Platte gelang Skank der nationale und internationale Durchbruch. "Garota Nacional" wurde in der spanischsprachigen Welt ein Riesenhit, während das Video zu "É uma partida de futebol", das mit tausenden von Fußballfans in Belo Horizontes Fußballarena "Minerão" aufgenommen wurde, Skanks Ruf als Fußballverrückte bestätigte (die Band ist in ihren Sympathien zwischen Atlêtico und Cruzeiro, beide aus Belo Horizonte, hoffnungslos geteilt). Das Album verkaufte sich wie warme Semmeln, Manu Chao steuert seine Quietschstimme zu einigen Nummern bei, und "Tão seu" ist immer noch eines der schönsten brasilianischen Liebeslieder der letzten Jahre. Ein Meisterwerk und die ideale Einstiegsplatte für Skank-Neulinge.


Caiman-Wertung:
(maximal 5)


Siderado (1998)

Nicht so beschwingt wie der Vorgänger, dafür aber härter, metallischer und ähnlich melodiös. Immerhin konnte Skank drei Singles erfolgreich auskoppeln: das Britpop-Stück "Resposta", das Titelstück „Siderado“ mit rasanten Bläserhooks und das druckvolle Sauflied "Saideira".


Caiman-Wertung:
(maximal 5)


Maquinarama (2000)

Der erste große Stilbruch. Weg sind die lateinamerikanischen Rhythmen der Vorgängeralben, Skank klingen nach Oasis und hektischer Großstadt. Dabei gelingen ihnen große Hymnen wie "Ela desapareceu", "Canção noturna" und das überragende "Ali". Dagegen dudelte der brasilianische Rundfunk den eher flachen Schmachtfetzen "Balada do amor imbalável" rauf und runter.


Caiman-Wertung:
(maximal 5)


MTV ao vivo (2001)

Schon als sie 1994 das Video zu "Te ver" in den Straßen von Ouro Preto drehten, versprachen sie, hier eine Live-Platte einzuspielen. Und sie hielten Wort. An zwei Abenden nahmen sie die DVD und Live-CD "MTV ao vivo" auf. Einzig neues Stück ist "Acima do sol", das neben der Version von Bob Dylans "I want you", hier "Tanto" genannt, im Radio rauf und runter gespielt wurde. Eine starke Platte, eine eindrucksvolle Best-of-Vorstellung.


Caiman-Wertung:
(maximal 5)


Cosmotron (2003)

Ein Album voller Zitate, weshalb man vergeblich nach einer Linie sucht, die einem die Platte erschließen lässt. Man darf gespannt sein, ob "Cosmotron" mit der Zeit an Charakter gewinnt, wie es schon bei den beiden ebenfalls nicht sonderlich zugänglichen Vorgängern "Siderado" und "Maquinarama" der Fall war.


Caiman-Wertung:
(maximal 5)


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