caiman.de 09/2004

Piranha frittiert macht laune


Über die Luft so rein,
dass der Blick den Horizont gestochen scharf auf die Linse projiziert,
legt sich im Nu der schwerste Nebel.
Die Leichtigkeit, mit der
der beseelte Körper über die saftigen Wiesen gleitet, entflieht,
und zu Platten gepresste Luftschwaden beziehen unüberwindbar Position.

Torpedo artig schießen hinter den imaginären Mauern
Faust große Käseecken hervor,
die ihrem heiß begehrten Platz
inmitten eines jeden Büfett Fatale Fromage,
für diesen räuberischen Auszug
den pikanten Rücken kehren.

Im Schwarm so unerbittlich,
vernichten sie in Augenblicken
scheinbar übergroße Gegner.

Allein ihr Anblick lähmt das Opfer:
Teigartige Fäden, viel zu groß gemessen am Gesamteindruck,
verleihen dem Weichkäse die Möglichkeit,
klebrig zuzubeißen
und fürchterliche Wunden zuzufügen.

Binnen Sekunden platzieren die wild umherwirbelnden Käseecken
ihre alles vernichtende, milchige, zähflüssige Masse
an jeder nur erdenklichen Stelle.

Jedes Drehen und Winden
gekontert durch eine neue Attacke.
Schwere befällt das Opfer
und die Lider fallen alsbald durch
in die ewigen Fonduegründe.

Ähnlich dem französischen Weichkäse, der nach Übergenuss die kühnsten Träume hervorruft, tritt auch eine südamerikanische Fischart in fast alles verzehrenden Schwärmen auf: der Caribe, in kühlen Breiten besser bekannt als Piranha. Ihn findet man in fast allen Gewässern des Kontinents. Bevor man sich in den Kampf mit dem kleinen Räuber begibt, sollte man sich vergewissern, dass sich weder Süßwasserdelfine noch Nutrias (Fischotter) in der Nähe befinden. Diese nämlich haben den schmackhaften Caribe ganz oben auf ihrer Nahrungsliste. Alles Weitere ist einfach: Nylonfaden und Angelhaken (die Größe des Hakens spielt keine Rolle), Köder (Hauptsache Fleisch, beispielsweise Stückchen des Spanferkels vom Vorabend), lockeres Handgelenk, fester Ruck im richtigen Augenblick und Obacht auf die Finger, denn Piranhas beißen schnell. So sollte es gelingen, in einer halben Stunde die opulente Ration zur Verköstigung einer 10-köpfigen Familie zu gewährleisten. Ausnehmen, Entschuppen, Frittieren. Und für den Vielfrass, der sich, wie auch am französischen Käsebüfett, wider allem gesunden Menschenverstand bis zur Besinnlosigkeit vollstopft, Schnaps!

Text: Dirk Klaiber