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Portugal: Seltsame Gefangene in Lissabon

"Welch seltsame Szene beschreibst Du und von welch fremdartigen Gefangenen redest Du, sie sehen genau wie wir aus." So schrieb Platon, und mit diesen seinen Worten beginnt der portugiesische Schriftsteller José Saramago sein Buch "A Caverna" (Die Höhle).

Und ich, Brasilianerin unterwegs, fremd auf dieser Reise, werde konfrontiert mit dieser Szene in einem portugiesischen Haus aufgefüllt mit zwischen den Regalbrettern schlafenden Büchern, in einem vergangenen Universum, inmitten so vieler vergessener Seelen.

Portugal, Lissabon... wie viel Literatur und Geschichten habe ich im Verlauf meiner Kindheit und Jugend in der portugiesischen Kolonie Brasilien davon vernommen. Bücher, Charaktere, enge Gassen voller Lieder, Namen – alle präsent in den Straßen des amazonischen Landes: es war wie eine Wiederentdeckung der Reise des Pedro Álvares Cabral, die Schwarzen, die Fischerboote, der Reichtum und die Armut einer in die Gegenwart hineinreichenden Vergangenheit.

Die portugiesische Dichterin Florbela Espanca schreibt über das "Gefangensein":

"Erinnern? Vergessen? Alles egal!
Gefangennehmen oder freilassen? Ist das schlecht? Oder gut?
Wer sagt, dass man jemanden ein Leben lang lieben kann,
der lügt!

Und wenn ich eines Tages Staub sein muss, Asche und Nichts.
So sei meine Nacht eine Morgendämmerung,
die mich verliert, um mich wiederzufinden..."

Aber ich, ich verlor mich in Lissabon, zwischen meiner Vergangenheit und meiner Gegenwart. Da war ich, ging durch kleine Gassen, die Hügel hinauf und wieder hinunter, auf der Suche nach Wegen, die weder in Stadtplänen noch Reiseführern eingezeichnet waren. Jetzt, da ich nicht mittendrin, sondern nur zwischen jenen alten Portugiesen sein wollte, die halbschlafend an den Tischen der Bars wachten,... oder in den die Straßen entlangkreuzenden bondinhos (schmale Straßenbahnen), die mich auf dieser von magischen Laternen illuminierten Reise führten. Nicht wissend wohin, glaubte ich an eine Rückkehr. Und unabhängig von meinem Willen brachten sie mich doch an den Ausgangspunkt meiner Reise zurück... seltsame Gefangene!

Fados, eine Musik voll von Gerüchen, Sehnsüchten und Träumen. Lissabon, ihr Tejo und ihr Lied:

"Ich komme wieder, im Frühling, alles was ich wollte, war meine Erfahrungen mitzunehmen. Ich will die Vogelschwärme über die Häfen Lissabons fliegen sehen, fliegt, fliegt, bald schon bin ich bei Euch... Aber wenn irgendwer das Steuerrad dieses brennenden Schiffs übernimmt, welches mein Leben in Flammen setzt, das reisend und langsam war, so hungrig nach Glück,... heute ist der Tag der Abreise...

Dreh dich, du mein Herz, das so gerne zur See fährt..."

Bevor meine kurze und überraschende Reise nach Lissabon zu Ende ging – die, wer weißt das schon, vielleicht noch gar nicht begonnen hatte – wurde sie mit Wein begossen..., köstlichen Rotweinen, die sich da in mich ergossen, Glas für Glas, Wort für Wort, Grund meiner betrunkenen und jetzt wachen und klaren Impressionen der Tage und Nächte in meiner Heimat, im Land meiner Sprache... die ganze Welt wollte sich betrinken, sich verlieren, sich erwecken, sich in den Schlaf wiegen und träumen.

Wenn man darüber nachdenkt – was für seltsame Szenen und fremdartige Gefangene beschreibe ich... Ich, Brasilianerin in Portugal, fühle mich genauso fremd und unterwegs wie die, die diese Zeilen gerade lesen.

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