caiman.de nullausgabe - köln, 1.dez.1999

kuba: auf der suche nach der kubanischen wirklichkeit

Kuba, Sinnbild einer gegenwärtigen Revolution, einer permanenten Auflehnung gegen Imperialismus und US-Embargo; Mythen die diese rote Insel gebar: Che Guevara, der noch heute dem Freiheitssymbol einen Namen gibt, Castro, ein charismatischer, alternder, engstirniger Sozialistenführer; Sonne, azurblaues Meer, weiße endlose Strände; romantische Verklärung eines Landes, welches durch seine Geschichte der letzten großen Revolution in den Herzen weiterlebt.
Die kubanische Wirklichkeit hingegen ist schwer zu erfassen, vor allem für den europäischen Kurzurlauber. Der kubanische Alltag - gegenwärtige Konfrontationen mit dem Sozialismus - wird vor dem touristischen Auge gut verpackt. Die Wege der Urlauber sind glatt und unbeschwerlich. Varadero, das Pauschalurlaubsziel, lockt mit preisgünstigen Angeboten, großen Hotelkomplexen, alles inklusive. Abschottung ist hier das Motto. Zugänglich ist der von Schranken kontrollierte Touristenstreifen nur für jene Kubaner, die Angestellte der Hotels sind.

Der Strand von Havanna, Playa del Este, ist nicht anders. Er ist bewacht. Kleine hölzerne Aussichtstürme, die wie Rettungshochsitze erscheinen, sind von Polizeibeamten in Beschlag genommen. Sie kontrollieren das bunte Treiben an den Stränden. Zwar sind die Kubaner selbst der roten Sonne verfallen, halten gern ein Nickerchen unter den schattenspendenden Palmen oder tanzen vergnügt in der untergehenden Sonne, doch tun sie dies´ abseits der Touristenstrände.
Kein Kontakt mit fremden Welten erlaubt. Kommt es dennoch zum kulturellen Zusammenstoß, kann es passieren, daß man mit dem unüberschaubaren Strudel des Überwachungsapparates konfrontiert wird.
Cadillacs im Barrio Chino (Chinatown Havanna). Selbst der europäische Paß verhindert nicht die Festnahme des wißbegierigen Kubaners. Er verschwindet spurlos, wird überprüft und taucht meist erst am nächsten Tag wieder auf. Keine weiteren Fragen, und auch keine Antworten erbeten.
Kuba zwischen Nostalgie und Plattenbau: Die Farben der rostigen Cadillacs aus den 50ern schillern bunt, die heruntergekommenen Häuser im Kolonialstil zeugen von ehemaliger Pracht. Daneben die neue sozialistische Architektur, Plattenbauen. Betonschwere Häuserklötze, die sich der tropischen Sonne entgegenstrecken. Kahle Plätze, die die Siedlungen umgeben. Statuen der großen Revolutionsführer wie Antonio Machado oder José Martí erheben sich in der Mitte der Plätze und spiegeln die lange revolutionäre Tradition dieser Insel wider.
Ostblock, Propaganda-Sprache an den Mauern, die in großen roten Buchstaben die Rufe nach dem Sieg der Revolution dem Volk in Erinnerung zu schreien versuchen.
"Wir werden siegen!"
Die Rikscha, das meist genutzte Verkehrsmittel Havannas. Überall trifft man auf die Geschichte Kubas, doch hinter jedem Fenster entfacht sich die Gegenwart.
Die Versorgungslage der Insel scheint schlecht. Nur Havanna als Hauptstadt besitzt einen Bonus. Dollarshops siedeln sich immer mehr in der Metropole an und ermöglichen den Kauf von europäischen und lateinamerikanischen Grundnahrungsmitteln. Für einen Kubaner mit einem monatlichen Durchschnittseinkommen von 5-7 US$ ist die Erfüllung von ein wenig Luxus illusorisch. Die Bevölkerung ist auf die Libreta, die Lebensmittelkarte angewiesen. Vom Staat werden ihnen spärliche Rationen Zucker, Reis, Kaffee, Brot zugeteilt, die jedoch nicht zur Überbrückung des monatlichen Grundbedarfs ausreichen.
Eine Alternative zu den teuren Dollarshops sind die freien Bauernmärkte. Und obgleich man sich in der Karibik befindet und ein ausgewogenes Sortiment an Früchten erwarten sollte, ist die Auswahl eher spärlich. Auch frischen Fisch sucht man vergebens. Der Fischfang ist den staatlichen Fischkooperativen vorbehalten. Doch der Erfindungsgeist der Kubaner kennt keine Grenzen. Um in den Genuß des tierischen Eiweißes zu kommen, sieht man sie nachts im heimlichen Dunkel mit aufgeblasenen Traktorenreifen zum Meer ziehen.
Auf Kuba hungert keiner, der Schwarzmarkt blüht. Man bekommt dort alles: Meerestiere, selbstgebrannten Rum oder die aus den Zigarrenfabriken geklauten Luxusartikel.
Kuba die Insel - auch im Kopf der Menschen? - der Horizont verschwimmt im Meer. Der Rest der Welt ist weit weg. Das Ungesehene, das Unfaßbare bleibt ein Traum. Und der ewige Feind ist schnell gefunden, personifiziert in der Supermacht USA. Jegliche wirtschaftliche Mißstände werden auf das Wirtschaftsembargo der Nordamerikaner zurückgeführt. Doch scheint die Ineffizienz der kubanischen Planwirtschaft hausgemacht und nicht, wie vom "máximo líder" gerne propagiert, vom Nachbarn ins Land getragen.

Kuba..., Land der tropischen Träume und der nostalgischen Verklärung. Eine nicht enden wollende Suche nach der Wahrheit und der so schwer zugänglichen Wirklichkeit.

Für mehr Info kontaktiert: jutta@caiman.de (Jutta Huppertz)