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Grenzfall: Keine Nachhaltigkeit ohne Entwicklung
Erneuerbare Energien in Zentralamerika - Interview

Auf der "Renewables 2004" sprach Torsten Eßer mit Patricia Panting (PP), Umweltministerin von Honduras, Juan Mario Dary Fuentes (DF), Umweltminister von Guatemala, Roberto González Díaz-Durán (GD), Energieminister von Guatemala und Marco Antonio González Pastora (GP), Generalsekretär der CCAD, über Umwelt- und Energiefragen in Zentralamerika.

TE: Wie sieht die Arbeit der Umweltministerien in Zentralamerika aus. Ist es nicht schwierig, Geld für Umweltbelange einzusetzen?

PP: Wir haben ein Umweltgesetz aus dem Jahre 1992.

Bis 1996 wurde das Umweltministerium geschaffen, das auch für die natürlichen Ressourcen zuständig ist. Bildung, Gesundheit und Sicherheit stehen bei den Regierungen aber immer weiter oben auf der Agenda als die Umwelt, es gibt nur geringe Mittel für unser Ministerium, wir leben hauptsächlich von internationalen und regionalen Geldern.


Darum müssen wir unsere ganze Kraft und Kreativität einsetzen, um den Umweltschutz voran zu treiben. Das heißt auch darüber nachzudenken, wie wir mit der Umwelt und den Ressourcen Gewinne erzielen können: Ein Großteil des Ressourcenverbrauchs in unserem Land war früher gratis, für die Nutzung von Wasser zum Beispiel musste nicht bezahlt werden. Und wenn es Gebühren gab, dann entsprachen sie in keiner Weise den wirklichen Kosten. Wenn wir heute eine Erlaubnis, Wasser zu nutzen, zum Beispiel für die Energiegewinnung, erteilen, muss der Betreiber pro Kubikmeter Wasser zahlen. Dieses Geld dient dazu, unser Ministerium zu finanzieren. 70 Prozent gehen an uns, 30 Prozent in die Staatskasse. Und es gibt auch Strafen für Umweltsünder, mit denen wir uns finanzieren. Das alles ist neu.

GP: Die "Kerne" der Umweltministerien werden aus den nationalen Haushalten bezahlt, aber viele Aufgaben sind so groß, dass sie dort Hilfe brauchen, um die vielen Projekte durchzuführen. Die CCAD hilft ihnen dabei.

GD: Die Umweltministerien in unseren Ländern sind noch recht jung. Die CCAD hilft uns auf technischem und politischem Gebiet: Denn die Umweltpolitik greift ja in die Kompetenz anderer Ministerien ein: Energie, Gesundheit, Agrar usw. Dort ist sie nicht zuhause und es ist unsere Aufgabe, diese Themen den anderen zu eigen zu machen. Als ich zu Beginn des Jahres im Kabinett das Thema "erneuerbare Energien" aufbrachte, schlug mit große Skepsis entgegen. Nun sind zwei Minister hier auf der Konferenz. "Glücklicherweise" fällt dies mit der unglücklichen Situation der hohen Ölpreise zusammen, so dass die Notwendigkeit dieser Veranstaltung und der erneuerbaren Energien noch klarer wird.

TE: Welche Programme zur Nutzung erneuerbarer Energien führen Sie durch? Wie hoch ist der Anteil dieser Energien?

DF: In Guatemala wird die Energie zu 65 Prozent mit Öl erzeugt, etwa 30 Prozent mit Wasserkraft und 5 Prozent wird aus Geothermalenergie und Kohle gewonnen. Der Anteil sauberer Energien ist also noch zu gering. Nur etwa 10 Prozent der vorhandenen Wasserkraft werden genutzt, bei der Geothermie ist es nur ein Prozent. Zentralamerika hat ein riesiges Potential an Geothermalenergie durch seine Vulkane. Man schätzt, dass in Guatemala daraus 5.000 Megawatt (MW) Energie gewonnen werden könnten. Heute erzeugen wir gerade einmal zwischen 30 und 50 MW.

PP: Länder wie Honduras haben historisch gesehen ihre Elektrizität immer aus erneuerbaren Energien gewonnen. Als dann die Treibstoffe günstig wurden, haben die zentralamerikanischen Staaten begonnen, sie im großen Stil einzuführen und den Energiemix zu verändern. Die erneuerbaren Energien wurden ab diesem Zeitpunkt vernachlässigt. Außerdem hatten wir nicht mehr die Technologien zur effizienten Nutzung erneuerbarer Energien. Wir müssen aber zu ihnen zurück, um weniger Öl zu verbrauchen, vor allem bei diesen Ölpreisen, die unseren Staat strangulieren. In Honduras liegt der Anteil der Treibstoffe an der Energieerzeugung etwa bei 50 Prozent, Holz hat einen Anteil von 34 Prozent und Wasserkraft sechs Prozent. Mit der Nutzung der Wasserkraft gibt es ein Problem: Internationale Umweltschutzorganisationen kritisieren den Bau kleiner Kraftwerke. Sie berücksichtigen aber nicht die Belange der Bevölkerung, die Energie und Entwicklung braucht.

TE: Apropos Holz. Das Problem der Deforestation ist in Honduras sehr groß. Welche Gegenmaßnahmen ergreifen Sie?

PP: Es ist in erster Linie ein Armutsproblem. Die Leute nutzen das Holz zum Kochen usw. Dazu kommt der illegale Holzeinschlag der teuren Sorten, vor allem in den Gebieten der Misquito-Indianer. Wir führen, u.a. mit der deutschen GTZ, einige Projekte zur Walderhaltung durch.

TE: Wie geht Guatemala mit diesem Problem um?

DF: Auf zwei Wegen: Einerseits durch bessere Bildung und durch die Optimierung der Energiegewinnung mit Holz auf dem Niveau dieser "Haushaltstechniken". Bei unserem Entwicklungsstand wäre es utopisch anzunehmen, dass wir in näherer Zukunft die Nutzung von Holz unterbinden könnten. Also konzentrieren wir uns auf die effizientere Nutzung des Holzes durch bessere Herde. Das senkt auch die Emissionen. Denn nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation ist das bei Kindern bis zum Alter von fünf Jahren die Haupttodesursache. Gleichzeitig versuchen wir einen nachhaltigen Holzmarkt zu etablieren, d.h. die Holzproduzenten müssen die Wälder wieder aufforsten.

TE: Wie vermitteln Sie den Menschen auf dem Land, wo kaum jemand lesen kann und die Armut so groß ist, dass alles Holz verbraucht werden muss, die Umweltprobleme?

GD: Es gibt Umwelterziehungsprogramme auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene. Dabei arbeiten wir stark mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zusammen. Die Zusammenarbeit erstreckt sich auch auf Projekte wie zum Beispiel das der "Brennstoff sparenden Herde", die Einrichtung von Schutzgebieten, die Förderung von Kleinst-Solarenergie oder die Einführung einer Technologie zur Methangasgewinnung. Was fehlt, ist der Zugang zu Finanzierungsprogrammen, vor allem für die Leute vor Ort, die sich diese Technik nicht leisten können. Bei den Banken fehlt oft die Bereitschaft, Kleinkredite zu vergeben. Darum verbreiten sich manche Technologien nur langsam.

TE: Gibt es Umwelterziehung in den Schulen?

DF: Eher sporadisch. Bisher gab es da keine konsistente Politik. Erst jetzt setzt zum Beispiel ein Bewusstsein ein, dass unser Wald eine Lebensquelle ist. In Guatemala sind die Menschen auf dem Land, wo immerhin noch 70 Prozent der Bevölkerung leben, größtenteils Analphabeten, die Kampagnen zur Umwelt haben dort also wenig Erfolg. Man muss zuvor die Leute zuvor ausbilden.

TE: Das bedeutet, dass Umweltfragen nur von den Eliten in den städtischen Gebieten diskutiert werden!

DF: Genau, sehr häufig ist das so. So gibt es gute Ideen, doch deren praktische Umsetzung ist sehr schwer. Das ist eine Doppelaufgabe: Bildung und Umwelterziehung.

TE: Gibt es in Umweltfragen eine zentralamerikanische Kooperation?

GP: Ja, in der schon erwähnten CCAD. Sie ist Teil des politischen Integrationssystems SICA und verfolgt zwei Ziele: Die Harmonisierung der nationalen Umweltpolitiken und die Schaffung einer regionalen Kooperation in Umweltfragen. Wir haben bei beidem große Fortschritte gemacht. Darüber hinaus organisieren wir internationale Kooperationen. Es gibt sie für die gesamte Region, Projekte, an denen nur drei oder vier Länder beteiligt sind. Wir erleichtern zudem die Bildung gemeinsamer Positionen in den internationalen Gremien. So zum Beispiel bei der Konvention zur Biodiversität. Die sieben Länder arbeiten wie ein Team. Die Präsidentschaft der Comisión rotiert wie in der EU, das ständige Sekretariat befindet sich in San Salvador, El Salvador.

DF: Wir haben in den letzten Jahren verschiedene Treffen der Energie- und Umweltminister gehabt und einen regionalen Energieplan entwickelt. Denn unsere Problem sind sehr ähnlich und ebenso sind die Indikatoren im Bildungs- und Gesundheitswesen vergleichbar. Darum glauben wir, dass wir gemeinsam die Probleme besser lösen und eine stärkere Position gegenüber der Weltgemeinschaft vertreten können.

GD: Über die CCAD haben wir zum Beispiel ein Partnerschaftsprogramm mit Finnland.

TE: Warum Finnland? Wegen der Geothermalenergie?

GP: Finnland hat schon lange eine Kooperation mit Zentralamerika und sie betrifft alle Formen erneuerbarer Energie. Diese Allianz ist 2002 in Johannesburg entstanden, auf dem "Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung". Die Partnerschaft betrifft nicht nur die Regierungen, sondern auch Unternehmen auf beiden Seiten, die sich mit erneuerbaren Energien beschäftigen.

Es ist ein kleiner Fonds, aber wir können so eine Lernkurve fahren in Technologien für erneuerbare Energien, die sonst keiner finanzieren könnte.

TE: Gibt es eine Kooperation mit dem großen "Bruder" Mexiko?

GP: Mexiko, zumindest der Süden, hat viel mit uns gemeinsam. Wir sind zum Beispiel über den "Plan Puebla Panama" (PPP) verbunden, der u.a. einen "Energiekorridor" durch den Isthmus beinhaltet, SIEPAC (Sistema Interconectado de Electricidad para América Central) genannt. Es gibt Pläne, eine Gasleitung vom Südosten Mexikos bis nach El Salvador zu bauen. SIEPAC wird einen regionalen Energiemarkt schaffen. Das ist gut, denn eine der Barrieren für die erneuerbaren Energien in Zentralamerika sind die kleinen Märkte. Größere Kraftwerke brauchen größere Abnahmegarantien. Das größte Energiepotential Zentralamerikas liegt in der Geothermalenergie. Wir haben fast 50 Vulkane, die auch nah genug an den industrialisierten Zonen liegen. Aber die teure Erschließung lohnt sich nur für größere Märkte, denn zum Beispiel in Belize und Nicaragua wird wenig Energie gebraucht, in Costa Rica, Panama und El Salvador umso mehr. An solchen Projekten beteiligt sich dann auch Mexiko.

GD: Mexiko, aber auch Kolumbien, sind wichtig für die Kooperation. Denn von dort kommen Technologien zur Energiegewinnung, die nicht nur günstiger sind als die aus den Industrienationen, sondern auch angepasster an unsere Lebensverhältnisse. Natürlich weil wir Nachbarn sind.

GP: Die Kooperation "Süd-Süd" ist wesentlich günstiger für uns. Zum Beispiel gibt es ein Programm das "de campesino a campesino" heißt. Da zeigen mexikanische Bauern aus der Sierra Madre unseren Bauern ihre Techniken der nachhaltigen Landwirtschaft. Die Produktivität ist danach in diesen Gegenden stark angestiegen. Kolumbien möchte übrigens auch am PPP teilnehmen und hat schon drei Projekte vorgeschlagen, die es auch finanzieren wird.

TE: Können über den erwähnten Energiemarkt im Bedarfsfall auch schnell größere Mengen Energie von einem Land in ein anderes verschoben werden?

GP: Ja, SIEPAC macht das möglich. Denn es gibt auch ein zentrales Büro, in dem der regionale Energiebedarf überwacht wird. Dort können schnell Energieeinheiten ge- und verkauft werden.

TE: Für mich ist es eine Überraschung, dass Guatemalas Umwelt- und Energieminister so einträchtig nebeneinandersitzen! In Deutschland gibt es immer Ärger zwischen den beiden.

DF: Das gab es bei uns auch mal. Aber als Teil der neuen Regierung haben wir uns sofort zusammengesetzt und Umweltkriterien festgelegt, bei denen auch die Entwicklung der Energiegewinnung berücksichtigt wurde. Darum sind wir ein "unzertrennliches" Paar, der Energieminister und ich. Wir stimmen unsere Politik möglichst immer ab. Man kann sagen, die "nachhaltige Entwicklung" ist wie Vor- und Nachname: sie gibt es nur zusammen. Energiepolitik berücksichtigt hauptsächlich die "Entwicklung", Umweltpolitik das "Nachhaltige".

Text: Torsten Eßer
Fotos: caiman.de
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Den Leitartikel zu dem Interview findet ihr unter: Erneuerbare Energien in Zentralamerika.

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