caiman.de 06/2004

Grenzfall: Cochabamba Rambazamba

"Kaum aus Deutschland eingetroffen, begann das Abenteuer am internationalen Flughafen in Santa Cruz (auf dem so gut wie niemand Englisch sprach). Mit Händen und Füßen versuchte man mir zu erklären, dass sich mein Anschlussflug nach Cochabamba enorm verspäten würde. Leider verstand ich kein Wort und war daher froh als es dann einige Stunden später endlich losging. Glücklicherweise kosteten mich meine 15 Kilo Übergepäck keinen einzigen Centavo. Nach etwa 30 Minuten Flugzeit hatte der Flieger immer noch nicht so richtig an Höhe gewonnen und bewegte sich alles andere als geradlinig vorwärts.

Da dies auch einigen anderen Passagieren unangenehm aufgefallen war, beruhigte uns die Crew mit dem Hinweis auf kleine technische Probleme; kein Grund zur Besorgnis. Und kurz darauf landeten wir dann problemlos wieder auf dem Startflughafen in Santa Cruz. Und wieder war ungewiss langes Warten angesagt. Ein oder zwei Stunden? Ich erinnere mich nicht mehr so genau. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit.

Dann hieß es, alle Passagiere zum Check-In, Bordkarten umtauschen und Verteilen auf die nächsten zwei Flüge. Irgendwann hielt ich dann meine neue Bordkarte für einen drei Stunden späteren Flug und einen Essengutschein in der Hand. Alles weiter verlief reibungslos und so landete ich wohlbehalten in Cochabamba. Am meisten beeindruckte mich die Tatsache, dass mit mir auch mein Gepäck und das unversehrt in Cochabamba eintraf. Anscheinend beinhaltet jedes Chaos auch eine gewisse Ordnung, obwohl ich das mit meinem damaligen Erfahrungsschatz nicht nachvollziehen konnte.

Nun war ich also in Cochabamba, der drittgrößten Stadt Boliviens, um für fünf Wochen eine Sprachschule zu besuchen. Da Sprachschule und Unterkunft drei Kilometer auseinander lagen, kam ich nicht umhin, mich mit zwei weiteren Verkehrsmittelsystemen vertraut zu machen: Zunächst mit Taxis in Form herkömmlicher PKWs aber einem kleinen Unterschied.

Vor dem Beifahrersitz befand sich ein großes Loch, wo einst das Lenkrad prangte. Die meisten Taxis wurden aus asiatischen Ländern importiert, in denen Linksverkehr herrscht. Und so wurden einfach die Pedale sowie das Lenkrad nach links versetzt, der Tacho und andere Armaturen dagegen blieben an ihrem alten Platz. Das zweite Verkehrsmittel, wesentlich günstiger als die eh schon billigen Taxis, ist der Bus, der so genannte Micro. Der wesentliche Vorteil gegenüber Deutschland ist die Flexibilität der Fahrzeuge in Bezug auf Haltestellen und Fahrpläne. Verschiedene Linien bedienen feste Routen, auf denen es weder vorgegebene Stopps noch planmäßige Abfahrtszeiten gibt. Man braucht sich nur an irgendeine Straßenecke der entsprechenden Route stellen und winken, schon hält der Bus und man kann einsteigen.

Nach fünf Wochen war ich mit den städtischen Beförderungsmitteln und ihren Eigenheiten dermaßen vertraut, dass ich mich auf die Suche nach neuen Herausforderungen begab.

Ich entschied mich für das Leben auf dem Lande; genauer gesagt wählte ich Riberalta im Departemento Beni, dem Amazonasgebiet im Norden des Landes, um dort viereinhalb Monate bei einer Schweizer Missionsgesellschaft mit indianischen Frauen und Kindern zu arbeiten.

Zum Einkaufen und für Ausflüge standen uns zwei Autos zur Verfügung. Ich erinnere mich noch gut an meine erste Fahrt, als ich dachte, wie nett, dass all die Leute kommen, um uns zu verabschieden. Dann begannen sie die Ladefläche zu bevölkern und ich machte mir zum ersten und zum letzten Mal ernsthafte Sorgen über das Verbot der Personenbeförderung auf der Ladefläche und die Gurtpflicht.

Eines Tages begleite ich eine Kollegin zum Markt. Da sie dann noch einige andere Dinge zu erledigen hatte, bat sie mich, mit dem Taxi zurückzufahren. Ich begab mich zum Taxistand direkt am Markt und hielt Ausschau nach Taxis. Umsonst! Also fragte ich einen kleinen Jungen, der mich zunächst ungläubig anschaute, dann den Arm ausstreckte und auf ein vorbei fahrendes Mofa zeigte, welches auf sein winken hin anhielt.

Alle Taxis in Riberalta sind einfache Mofas (genannt Motos). Taxifahrer erkennt man an einem Basecap. Diese Mofas arbeiten nach dem gleichen Prinzip wie unser Missionsfahrzeug: Mit darf, wer drauf passt; fünf Personen oder Möbelstücke sind keine Seltenheit.

Zum Schluss und in diesem Zusammenhang noch Folgendes: Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich immer gewundert, dass an vielen Cola-Ständen ein Schild mit der Aufschrift "Rauchen verboten" hing. Als mein Taxifahrer jedoch an einem dieser Stände hält, eine Flasche Cola kauft und deren Inhalt in den Tank des Mofas kippt, begreife ich.

Text: Dorothea Koschmieder