caiman.de 06. ausgabe - köln, juni 2002

Der São Joaquim-Markt in Salvador

"... denn ich ließ die Seele meines Lebens baumeln, als mich dieser Markt rief, ich sollte schauen wie das Leben hier vorbeimarschiert.“ (Chico Buarque)

Kochtöpfe, Schweine, Bananen und Mango, Cachaça, Eier, Huhn und Batterien, Unterhöschen, Gewürze, Ziegen, Bier und Coca Cola, Bratwurst, Weihrauch, Kopfsalat und Orangen, Salz, Strohzigaretten, Mandiok und Erdnüsse, magische Formeln für die Liebe, magische Formeln fürs Geld, magische Formeln für den Bösen Blick und magische Formeln für all die Dinge, die du dir bisher nicht einmal vorstellen konntest.... wir sind auf dem São Joaquim-Markt in Salvador!

Hey Du, der Du durch Bahia reist und die Bewohner Salvadors kennen lernen möchtest: komm zur feira, komm zum Markt!

Eigentlich bezeichnet feira die Wochentage: beginnend mit segunda-feira, dem Montag, wörtlich dem zweiten Markttag, terça-feira, dem Dienstag, wörtlich dem dritten Markttag, quarta-feira, dem Mittwoch, quinta-feira, dem Donnerstag und sexta-feira, dem Freitag. Wer hat sich das ausgedacht, dass jeder Tag ein Markttag ist? Das kann nur von den Portugiesen kommen (mit allem Respekt!).

Feira ist eben auch der Markt selber, aber die Feira von São Joaquim will uns noch etwas anderes sagen. Fangen wir von vorne an. Wie jede gute Geschichte hat auch diese einen Anfang, eine Mitte und ein Ende (es wäre mir lieber wenn die Geschichte das Ende hätte, das wir uns vorstellen und wünschten).

Hey Du, der Du hier ankommst, Du bist in einem Labyrinth gelandet. Doch keine Sorge, Du wirst Dich nicht verlieren, es gibt den Heiligen Joaquim als Schutzpatron für deinen Anfang und dein Ende.

Tritt ein durch einen Korridor voller Menschen und hängender Waren. Begründet das Leben den Markt oder ist es der Markt, der das Leben hervorbringt?

Sämtliche Gewürze der brasilianischen Küche, live, in Stereo und in Farbe: Früchte, die mehr sind als nur exotisch, zum Preis einer Banane, Papaya zum probieren und verkaufen, lebende Fische und die der letzten Woche, selbst gebrautes Parfum, Cachaça, der jeden Kater vertreibt, Hand getöpferte Kunstwerke, Heiligenstatuen für alle möglichen Religionen, Kräuter für alle Körper- und Seelenqualen, und viele, viele Bahianer.

Du, der Du in der Mittagszeit vorbeikommst, Du kannst die Träume der Menschen erleben: es ist Siesta-Zeit. Hinter den Bananenkisten eine Hängematte, ein Menschen ohne Angst, seine Zeit zu vergeuden, verbringt seine Schlafenszeit damit, von der Liebe zu träumen.

Siehe, dass man noch nicht einmal ein Haus braucht: die Erde, der Boden, ein Tisch, ein Stuhl, lehne Deinen Kopf an und lasse Deine Träume erwachen.

Nicht alle haben geschlafen, aber die, die geschlafen haben, waren vielleicht lebendiger als die anderen!

Und so denke an Brecht, damit Du Dir ein Bild von seinem, deinem Ende machen kannst:

Eines Tages ging ein Mann in einem fernen, fremden Land, wohl ein Tourist, über einen Markt, der sich "Jeden-Tag-Markt" nannte. Dort traf er auf einen
in seiner Hängematte schlafenden Bananenverkäufer. Der Mann weckte den Schläfer und sagte zu ihm: „Hey, wenn Du anstatt hier zu schlafen, ernten würdest, könntest Du viel mehr Bananen auf dem Markt verkaufen. Der Bananero antwortete: "Ich war heute schon ernten."

Aber der Fremde ließ nicht locker: Wenn Du mehr Bananen pflücken würdest, könntest Du diese verkaufen und hättest mehr Geld, könntest bald schon mehr Land kaufen, mehr Stauden anpflanzen, noch mehr ernten und noch mehr verkaufen. Dann könntest du andere Banereros einstellen und diese für Dich ernten lassen und hättest bald so viel Geld, dass Du Dich genüsslich zurücklehnen und ein schönes Leben führen könntest.

Der Schläfer hörte schon lange nicht mehr zu!

Besuche den Markt und Du wirst sehen, dass jeder Tag ein (Traum) Markttag ist!

Text: Cristina Poli