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caiman.de 8. ausgabe - köln, 01. august 2000
portugal

Las Cinque Chagas
pa´rriba

Einer der glänzendsten englischen Freibeuter der späten elizabethanischen Zeit war George Clifford, der dritte Earl von Cumberland.

Er war ein vollendeter Höfling und einer der größten Grundbesitzer im Königreich, jedoch spielsüchtig und hoch verschuldet. Ein Zeitgenosse schrieb, daß "seine extreme Liebe zu Pferderennen, Turnieren, Bowls-Spielen... und ähnlich teuren Sports zum Verlust seines Grundbesitzes aufs Höchste beitrug."

Es überrascht daher nicht, daß sich Clifford der Freibeuterei widmete - ein riskantes Unternehmen mit den höchsten Gewinnerwartungen. Aber auch die Ehre der Nation spielte eine Rolle. Seine potentiellen Kaperziele waren ausschließlich spanische oder portugiesische Schiffe.

Mit seinen ersten fünf Unternehmungen erzielte Cumberland wenig Gewinn. Im Jahre 1592 jedoch wendete sich das Blatt. Eine Flotte, an der er finanziell beteiligt war, kaperte die Madre de Dios vor den Azoren.

Es war eine portugiesische Baracke, die vom fernen Osten mit sehr wertvoller Ladung zurückkehrte, zu der sowohl Juwelen und Porzellan als auch Gewürze gehörten. Allein die Größe des Schiffes kam einer Sensation gleich, ganz zu schweigen vom Wert der Beute, die umgerechnet 500.000 Pfund Sterling betrug.

Zwei Jahre später, 1594, tat sich Cumberland mit einer Gruppe reicher Kaufleute aus London zusammen, und gemeinsam rüsteten sie drei Schiffe von jeweils 300 Tonnen aus. Die Schiffe verließen Plymouth in Südengland am 6. April.

Am 13 Juli des selben Jahres stießen sie südlich von Fayal, einer der Azoreninsel, auf eine portugiesische Baracke. Es war die Las Cinque Chagas, die sich auf dem Heimweg von Ostindien befand. Sie war noch größer als die Madre de Dios. Außer ihrer offiziellen Fracht hatte sie viele portugiesische und italienische Kaufleute an Bord. Zudem waren Passagiere und Fracht von anderen Schiffen übernommen worden, allen voran die Santo Alberto, die an der Ostafrikanischen Küste gestrandet war.

Die Chagas selbst hatte in Mocambique überwintert und lief danach Angola an, um die Vorräte aufzufüllen. Hier kamen zusätzlich nochmals 400 Sklaven an Bord, so dass das Schiff nun endgültig an die Grenzen seiner Kapazität stieß.

Damit erhöhte sich die Gefahr der Ausbreitung von Krankheiten. Außerdem mußte mit Flauten im Kalmengürtel gerechnet werden. Beides führte dazu, dass sich Kapitän Don Francisco de Mello gezwungen sah unter dem Druck von Passagieren und Besatzung die Fahrt zu unterbrechen und einen nahegelegenen Hafen zur Aufnahme von Nahrungsmitteln und Trinkwasser anzusteuern.

Zu diesem Zeitpunkt waren die Verhältnisse auf der Chagas verheerend. Viele Passagiere litten unter Fieberanfällen und Hunger. De Mello entschloß sich, einer Meuterei zuvorzukommen, indem er einer Abstimmung unter den Offizieren und den wichtigsten Fahrgästen zustimmte. Obwohl sich keine eindeutige Mehrheit herausbildete, fiel die Entscheidung, einen nahegelegenen Hafen anzusteuern; allerdings unter der Bedingung, dass im Falle eines Piratenüberfalls alle verpflichtet waren, das Schiff mit ihrem Leben zu verteidigen.

Das Schreckensszenario wurde Realität. Die Las Cinque Chagas wurde im Laufe des Tages von Cumberlands Flotte angegriffen. Die Schlacht zog sich über Stunden hin, ohne dass eine der Parteien einen entscheidenden Vorteil erlangen konnte. Schließlich zog Cumberland sich zurück; jedoch nur um am nächsten Morgen den Angriff mit unverminderter Härte fortzuführen.

Schließlich brannte der Bugspriet der Chagas, und die Flammen breiteten sich rasch aus. Den Portugiesen dagegen blieb nur die Wahl, lebendigen Leibes zu verbrennen oder aber über Bord zu springen.

Die meisten wählten letzteres, doch nur 13 von ihnen wurden gerettet. Portugiesischen Berichten zufolge retteten die Engländer ausschließlich diejenigen, die ihnen Juwelen ins Gesicht warfen; alle anderen wurden getötet.

Brennend trieb die Chagas den Rest des Tages und die folgende Nacht führerlos umher. Erst am nächsten Morgen explodierte sie und nahm ihre wertvolle Fracht mit in die Tiefe.

Obwohl es keine genauen Angaben über den Wert gibt, war er sicher nicht geringer als der der Madre de Dios.

Die "Las Cinque Chagas", was soviel wie die fünf Wundmahle Gottes bedeutet, ist heute vor allem für Schatztaucher interessant. Viele Unternehmungen haben bereits versucht, das Wrack zu finden; jedoch erfolglos.

Die Chagas ist nur eine von hunderten spanischer und portugiesischer Galeonen, die während der Eroberung der neuen Welt ihr Ziel nicht erreicht haben. Freilich waren nicht alle so reich beladen wie die Chagas oder die Madre de Dios, aber auch schon eine "kleine" Ladung würde heute mehrere Millionen Dollar wert sein.

Es ist für uns nur schwer vorstellbar, welche Mengen an Gold, Silber und
Edelsteinen die Spanier aus Amerika herausgepresst haben.

Und ein nicht geringer Teil davon ging auf dem Seeweg verloren.

ENDE



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paul@caiman.de (Paul Huppertz)
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