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Brasilien: Augen auf beim Mitbringselkauf

Wie schön, zuhause anzukommen, den Koffer voller Andenken auszupacken und an die schon gierig grapschenden Familienangehörigen zu verteilen. Ein besonders netter Ort, um Mitbringsel einzukaufen, ist die Stadt Embu das Artes, eine halbe Autostunde von São Paulo entfernt. Obwohl nicht von ausländischen Touristen, dafür jedoch von den Paulistanas, den Bewohnern São Paulos, überflutet, ist doch Vorsicht geboten. Auch hier ergeht es einem nicht anders als in so vielen Touristenorten, wo man gerne viel Geld für nahezu wertlose Dinge hergibt.

Hätte es mir nicht eine Lehre sein sollen?

Der Krokodilzahn, den ich einst als Andenken aus dem Regenwald mitbrachte und der angeblich erst am Tag vorher aus dem Maul des toten Riesen herausgerissen worden war, zerbrach damals schon auf dem Heimflug.

Ob gerade dieses Krokodil an schwerwiegendem Karies gelitten hatte oder Krokodilzähne, entgegen der üblichen Meinung, generell als äußerst zart und zerbrechlich zu bezeichnen sind, konnte ich nicht restlos klären. Aber es hätte mir eine Warnung sein sollen, Mitbringseln aus Brasilien gegenüber kritischer zu sein.

Schmerzhaft erinnere ich mich noch an den Strandverkäufer, der mir gestenreich versicherte, dass der Ring, den ich soeben bei ihm gekauft hatte, ein ganz besonderes Einzelexemplar sei, versehen mit mythisch-magischen Indianermotiven, angefertigt gar nicht weit von jenem Strand. Stolz erzählte ich daraufhin jahrelang jedem die Geschichte meines Ringes. Bis ich dann mitten in der tiefsten deutschen Provinz jemanden traf, der genau den gleichen Ring mit exakt den gleichen Motiven trug, gekauft in einem Geschäft für Billigschmuck. Der mythisch-magische Arm der Indianer macht augenscheinlich vor nichts halt.

Damals hatte man mir auch "richtig echte Edelsteine" angeboten. Ich lag gerade am Hotelpool, als ein sonnenbebrillter Mann auf mich zukam und mir zuflüsterte, dass er ganz besonders hochwertige Edelsteine dringendst verkaufen müsste.

Dabei schaute er sich verstohlen um, so als ob jemand gefährliches hinter ihm her sei. Selbstverständlich wimmelte ich ihn ab, auf solche Tricks falle ich nun mal nicht herein.

Jetzt, Jahre später, liegen sie wieder vor mir, die bunt funkelnden, "wertvollen Edelsteine", wie mir die Verkäuferin versichert. In den Straßen von Embu drängeln sich, wie jeden Sonntag, Massen von Wochenendflüchtlingen, die der 22-Millionenstadt São Paulo entströmen, um im kleinen historischen Zentrum Embus Zuflucht zu suchen.

Beeindruckend, wo Paulistaner auch aufkreuzen, sie verstopfen immer alles. Den Soundtrack zum bunten Treiben liefern Straßenmusikanten, dazu die allgegenwärtigen Streuner mit ihrem ständigen Bellen und die lautstarken Anpreisungen für baianische Küche. Acarajé, Spieße mit gegrillten Krabben, Caldo de Cana, Zuckerrohrsaft, und Dosenbier.

"Ist das alles schön bunt hier!" Für einen Steinhändler in Deutschland soll ich sechs Kilo Steine mitbringen, kieselsteingroße. Mit ihnen lasse sich ein gutes Geschäft auf deutschen Weihnachtsmärkten machen. Ich nehme lieber direkt 12 Kilo. Alles, was das Herz begehrt, um es sich in den eigenen vier Wänden bequem zu machen, findet sich in Embu.

Holzschnitzereien für das Wohnzimmer, Eisenbeschläge für den Garten, Sitzkissen, hier "pufs" genannt, für vor den Fernseher, Kerzenständer für das romantische Rendezvous, kitschige Bilder mit halbnackten Indios zum Verzweifeln, antike Schrankwände für den Bücherfreund. Und die unvermeidlichen Hängematten.

Doch die hier im Südosten Brasiliens kommen lange nicht an die kunstvollen Hängematten des Nordostens heran, mit ihrer Häkelborde und den feinen bunten Mustern. So wie jene rot-blau gestreifte, die ich mir in Fortaleza kaufte und in der ich dann durch die Nachmittage vor mich hin schaukelte, bis sich die Tochter meiner Vermieterin zum Stillen ihres Babys hineinlegte und das Kleine ob der wilden Schaukelei meine liebste Hängematte mehrmals voll kotzte. Und da die Windel auch nicht so richtig fest saß, war meine Hängematte schließlich so voller stinkender Flecken, dass ich sie in die Waschmaschine stopfen musste. Seitdem ist sie einheitlich lila.

Von einem quasi zahnlosen Wuschelkopf lasse ich mir einen Schlüsselanhänger mit meinem Namen schnitzen. Den musste ich ihm drei mal auf verschiedene Papierstücke schreiben, von denen er ihn dann auf das Holzstück überträgt. Ich nutze die Zeit, um durch die mit bunten Kissen, phantasievollen Kerzen und leuchtenden Kleidern vollgestopften Straßen zu gehen. Schon 1554 gründeten die Jesuiten Embu, oder, wie es zuerst hieß, Bohi, woraus dann später M`Boy und dann Embu wurde. Ende der 1960er Jahre ließen sich hier Hippys nieder, die ihre selbstgebastelten Schmuckstücke zum Kauf anboten.

Seit 1969 verwandelt sich die Stadt in einen bunten Jahrmarkt für alles, was man zwar nicht wirklich braucht, das Leben aber irgendwie nett dekoriert. So wie der geschnitzte Schlüsselanhänger, der mittlerweile fertig ist. Mein Name ist jedoch trotz aller Vorkehrungen falsch geschrieben.

Aber auch solch kleine Rückschläge können einem derart erfolgreichen Tag nicht wirklich etwas anhaben. Den Händler kräftig heruntergehandelt, so dass meine Taschen vollgestopft sind mit den kostbarsten Steinen, die Brasilien zu bieten hat. Bevor ich sie dann zurück in Deutschland aus meinem (80 Kilo schweren) Gepäck holen kann, in dem noch ein aus Aststücken zusammengesetzter Tisch mitsamt Eisenfüßen, Riesenbuntstifte aus armdicken Ästen, gut riechende Kerzen und eine Riesen-Hängematte für die ganze Familie verpackt sind, sterbe ich fast während des Transportes. Aber auch dies kann letztlich einen erfolgreichen Geschäftsmann nicht vom rechten Weg abbringen, denke ich, als ich das Steingeschäft tief in der deutschen Provinz betrete.

"Hier sind Ihre sechs Kilo Steine, wie bestellt. Wenn Sie noch mehr wollen, ich habe noch welche im Wagen." Mit betretener Mine reißt der Händler den ersten Sack voll Steine auf. "Die sind ja alle gefärbt", spricht er, "das sind einfache Kieselsteine, die in Farbe oder Säurebädern eingelegt wurden. Oder im Backofen erhitzt, damit sie sich schön bunt färben. Die kann ich nicht verkaufen!"

Es tröstet mich nicht wirklich, später in einem Billigschmuckladen auf die gleichen Steine zu treffen. Aber wenigstens bin ich nicht der einzige, der sich reinlegen lässt. Dass die Steine genau so teuer sind wie in Brasilien, ärgert mich dann aber doch schon ein bisschen. Und so winke ich die Verkäuferin zu mir und frage sie rundheraus:

"Sie wissen doch bestimmt, dass die Steine radioaktiv bestrahlt wurden, um diese Farbe zu bekommen. Oder?"

Text + Fotos: Thomas Milz Druckversion  

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