caiman.de 11/2003

Helden Brasiliens: Alles für die Quote - Skandal um Gugu

Bei Silvio Santos Fernsehsender SBT wird es niemals langweilig. Brasiliens zweitgrößte Sendeanstalt sorgt in und vor allem auch rund um die eigentliche Glotze ständig für höchst ausgefallenes Bohai und verwandelt den Sender immer mehr in ein Biotop des schlechten Geschmacks. Silvio Santos, der begnadete König der Sonntags-Ganztags-Fernsehunterhaltung (caiman berichtete bereits ausführlich), begann vor einigen Jahren, sich verstärkt auf die Arbeit hinter der Kamera zu konzentrieren und schickte seinen Nachfolger Gugu Liberato ins Quotenrennen gegen TV Globos Faustão. Der große Silvio selber präsentiert seitdem nur noch die "Millionenshow" (auch hierüber berichtete caiman bereits) und, nebenbei, die Entführung und Befreiung seiner Tochter, wobei er im Bademantel den Kidnapper dazu überredete, sich der Polizei zu stellen (Details dazu in vorangegangener Caiman-Ausgabe). Hauptsache, so Silvio, die Quote stimmt, dann darf man dem Publikum eigentlich alles vorsetzen.

Das dachte sich vielleicht auch Gugu Liberato, der in den letzten Monaten mit Geschichten um seine angebliche Homosexualität, seine Beziehung zu der Frau, die gerade seine Kinder Nr. 2 und 3 austrägt und um die zu diesem Zwecke vollzogene Befruchtungsmethode eher negative Schlagzeilen verursachte. Zudem zieht er im Rennen um die beste Sonntagsnachmittagsquote mit seiner Show "Domingo legal" ("Super Sonntag") gegen den dicken Dauerquatscher Faustão regelmäßig den Kürzeren. Jetzt hat er aber wohl so richtig daneben gegriffen.

In seiner Show vom 07. September wurden zwei mit Kapuzen bekleidete Gestalten in die Sendung geschaltet, die sich als "Alfa" und "Beta" vorstellten und sich als Angehörige des PCC ("Primeiro Comando da Capital"), São Paulos gefährlichstem Drogenkartell, ausgaben. Sie bedrohten den Fernsehprediger Padre Marcelo Rossi, den 2. Bürgermeister São Paulos und drei Fernsehmoderatoren mit dem Tod. Doch das Interview hinterließ bei vielen Zuschauern einen faden Beigeschmack – es wirkte seltsam gestellt. Und so wurde recht schnell publik, dass alles gefälscht war, die zwei angeblichen Gangster von Gugus Assistenten auf der Straße angequatscht und für jeweils 500 Reais Gage engagiert worden waren.

Gugu wies jede Schuld von sich, sah sich von seinem Assistenten und der Produktionsleitung seiner Show bewusst getäuscht. Er habe zurzeit so viele private Probleme, dass er keine Möglichkeit gehabt hätte, diese Geschichte auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Reumütig zog er von einer Fernsehshow zur nächsten, beteuerte mit zerknautschtem Gesicht seine Unschuld. Wo immer er dieses zeigte, schnellten die Quoten der entsprechenden Sendung nach oben. Mit seinem Auftritt konnte er sogar die Talkshow der bereits scheintoten Hebe Camargo ein wenig aufpeppen.

Auch in den Sendungen der mit dem Tode bedrohten Fernsehmoderatoren ist Gugu aufgetreten, um die seltsame Geschichte seiner Unschuld zu verbreiten. Er selber, so sagt er, sei der am meisten an der Aufklärung dieses Falls Interessierte. Und so vertraue er voll und ganz auf die Polizei und die Justiz. Diese untersagte ihm jedoch erst einmal, am darauffolgenden Sonntag mit seinem "Domingo legal" auf Sendung zu gehen. Ob Gugu darüber hinaus noch mit ernsthaften Konsequenzen zu rechnen hat, ist fraglich. Auf jeden Fall sind bereits vier große Werbekunden seiner Sonntagsshow abgesprungen.

Und so bleibt uns nur noch ein Zitat von Gugu höchstpersönlich: "Wer noch nie einen Fehler begangen hat, der möge den ersten Stein werfen!"

PS: Vielleicht ist Gugu ja auch selber ein Opfer der in Brasilien so beliebten "pegadinhas", der Verarschungsgeschichten mit versteckter Kamera, geworden. Sein Assistent Barney, der die beiden "Gangster" für das Interview engagierte, ist beim "Domingo legal" verantwortlich für die Produktion der "pegadinhas", in denen sich Gugu normalerweise über andere Personen lustig macht. Könnte es sein, dass Gugu unfreiwillig in seinem eigenen Kothaufen ausgerutscht ist? (lesen Sie mehr in unserer Reportage über die "pegadinhas" in brasilianischen Fernsehen!).

Text: Thomas Milz