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Brasilien: Von Textil Hering bis Shopping Müeller
oder Guaratuba bis Florianopolis

In Gedanken an das äußerst sättigende Mittagsmahl in Morretes hatten wir uns vorgenommen, das Abendessen ausfallen zu lassen und nur einen leichten Trunk zum Sonnenuntergang in Form einer Caipirinha zu uns zu nehmen. Aber wie es im Brasilianischen so schön heißt: "Das boas intenções o inferno está cheio" (Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert). Wir wurden also unseren guten Vorsätzen untreu und verleibten uns zuerst eine Portion Austern aus der Bucht ein und danach noch einen "Robalo grelhado" (eine Art Barsch). Der Abend zusammen mit unseren Freunden fiel etwas länger als geplant aus.

Es ist schon nach 9 Uhr und die Sonne wärmt bereits kräftig, als wir uns verabschieden. Wir fahren in der Küstenebene nach Südwesten und haben zu unserer Rechten die Serra do Mar. Die landwirtschaftlichen Betriebe zu beiden Seiten der Straße sind für brasilianische Verhältnisse Kleinbetriebe. Sie haben sich auf Geflügelzucht spezialisiert und bieten hauptsächlich "Galinha caipira" (übersetzt etwa "Huhn vom Bauernhof") und "Marreco" an. Marreco ist eine Entenart, die in ganz Südbrasilien gezüchtet wird. Sie findet vor allem Verwendung in "Marreco recheado" (gefüllte Ente), einem Gericht, das typisch für die von Deutschen besiedelten Gebiete ist.

Kurz vor Garuva überschreiten wir die Grenze zu Santa Catarina und erreichen wenige Kilometer später die berühmt - berüchtigte BR 101.

Berühmt deswegen, weil die BR 101 analog dem Highway Number 1 in den USA eine Art Kultstraße und Verkehrsverbindung zwischen Nord- und Südbrasilien ist. Berüchtigt wegen des hohen Verkehrsaufkommens und der vielen schweren Unfälle.

Wäre nicht der erläuternde Text der Reklameschilder am Straßenrand in portugiesischer Sprache verfasst, könnte man sich fast nach Deutschland versetzt fühlen. Da gibt es das Hotel Tannenhof, die Pousada Grünwald, den Anglerhof und – mit nationalem Anklang – das Hotel Germania. Aber auch die Geschäfte lassen deutsch grüßen: das Shopping Müeller (kein Schreibfehler) oder die Textilfabrik Hering (die sinnigerweise auch den entsprechenden Fisch in doppelter Ausführung als Markenzeichen aufweist). Ein leichtes Zugeständnis an das Land, in dem man sich befindet, hat man bei den Vornamen gemacht: Paul wurde zu Paulo, Ernst zu Ernesto, Moritz zu Mauricio.

Wir befinden uns kurz vor Joinville am Beginn eines stark von Deutschen geprägten Siedlungsgebietes, das im südlicher gelegenen Blumenau seinen in und außerhalb Brasiliens bekanntesten Ort besitzt. Und natürlich finden wir hier überall den Hinweis auf das köstliche Gericht "Marreco recheado" und auf Gaststätten, in denen man es verzehren kann. Doch wir bleiben standhaft und lassen uns nicht vom Weg nach Süden abbringen.

Wenige Kilometer nach Joinville verlassen wir die Schnellstraße. Wir wollen São Francisco do Sul besuchen, die älteste Stadt Santa Catarinas. Aber nach wenigen Kilometern brechen wir den Versuch ab. Eine dicke Regenfront hat uns überrascht; es gießt in Strömen – keine Chance, eine Stadtbesichtigung durchzuführen. Wir verschieben das Vorhaben auf die Rückfahrt und bewegen uns zurück auf die BR 101.

Nasse Spurrillen, von den Lastwagen aufgewirbeltes Wasser und der starke Regen machen das Fahren anstrengend, gefährlich und reduzieren die Reisegeschwindigkeit erheblich. Als wir Navegantes passiert haben, lässt glücklicherweise zumindest der Regen etwas nach, die Fahrtbedingungen bleiben trotzdem schwierig. Wir schauen auf der Straßenkarte nach, wie viele Kilometer uns noch von Florianopolis trennen. Keine Chance, dass wir dort unter den bestehenden Bedingungen noch vor Anbruch der Dunkelheit ankommen.

Itajaí und Balneário Camboriú sind die nächsten Orte, die wir passieren. Sie befinden sich eingezwängt zwischen der BR 101 und dem Strand und reizen uns nicht zum Verweilen. Auf der Karte sehen wir, dass Porto Belo und Bombinhas ein ganzes Stück abseits auf einem Landvorsprung liegen und so verlassen wir die Hauptstraße, um uns dort ein Quartier für die Nacht zu suchen.

Porto Belo, das wir als erstes erreichen, zieht sich als Aneinanderreihung von Hotels, Pousadas, Lanchonetes (Imbissstuben), Restaurants und sonstigen Dienstleistungsbetrieben kilometerlang an einem wenig attraktiven Sandstrand entlang, der das Ende einer großen Bucht bildet.

Wir verspüren wenig Lust, hier zu bleiben, und folgen deshalb der Straße, die den vor uns liegenden Bergrücken überquert. Der Ausblick von hier oben behagt uns schon wesentlich mehr. Unter uns in einer Bucht, die auf beiden Seiten von felsigen Landvorsprüngen begrenzt wird, liegt Bombinhas und weit geht der Blick hinaus auf den Atlantischen Ozean.

In engen Kurven geht es hinab in den Ort und schon nach kurzer Zeit finden wir in der Pousada Caracol direkt am Strand ein wunderschönes Zimmer mit Meerblick. Der Nachteil, dass die Pousada kein Abendessen serviert, ist leicht zu verschmerzen, denn in unmittelbarer Nähe befindet sich ein Restaurant, aus dessen Küche es köstlich duftet. Und der Geschmack des Fischgerichts, das wir anschließend zu uns nehmen, hält was der Duft versprochen hat.

Die lautstarke Unterhaltung einiger Einheimischer, die am Strand entlang zur Arbeit unterwegs sind, beendet unseren morgendlichen Schlummer. Der Himmel zeigt sich zwar bewölkt, aber mit vielen blauen Lichtblicken. Also nichts wie raus aus den Federn. Nach dem etwas frugalen Frühstück erkunden wir zuerst den "Hausstrand" von Bombinhas, begehen ihn in der gesamten Länge und genießen dabei den Blick auf die Berge, die die Bucht begrenzen, auf den Ozean, auf dem eine Gruppe von Fischerbooten zum Fang ausfährt, aber auch auf die wunderschönen Gärten und Häuser, die an den Strand angrenzen. Hier lässt es sich leben!

Dann steigen wir ins Auto und suchen den Weg zum Aussichtspunkt. Die Beschilderung ist zwar – wie in Brasilien üblich – etwas lückenhaft und irreführend, aber mit einiger Mühe erreichen wir das Ziel.

Es hat sich gelohnt. Nach Westnordwest zu sehen wir die große Bucht und die Ausläufer von Porto Belo. Hinter der Küstenebene im Westen steigen die Berge der Serra do Mar auf. Nach Süden geht der Blick über den Strand von Mariscal auf die vorgelagerte Halbinsel mit dem Morro do Macaco (Affenberg). Und im Osten sind die drei Inseln zu erkennen, die die Reserva Biologica von Arvoredo bilden – Ilha das Galés, Ilha Deserta und Ilha do Arvoredo.


Für Tauchbegeisterte ist diese Ecke ein Traumgebiet. Das Zusammentreffen des warmen Brasilienstroms mit einer kalten Strömung, die von den Falklandinseln kommt, schafft optimale Bedingungen für eine reiche Unterwasserwelt. Dazu kommt das in der Nähe der Ilha das Galés gesunkene Schiffswrack. Interessierte können Ausflüge dorthin bei verschiedenen Anbietern in Bombinhas buchen und Tauchausrüstungen mieten. Ein Betreten der Inseln jedoch ist nicht gestattet.

Nachdem wir alles Sehenswerte im Bild festgehalten haben, erkunden wir die Strände von Mariscal, Conceição (mit seinen natürlichen Meerwasserschwimmbecken) und Zimbros. Die Bucht von Zimbros mit ihrem klaren, ruhigen Wasser dient als Zuchtstation für Austern und alle anderen Arten von Muscheln. Am Strand reiht sich ein Lokal an das andere – mit verlockenden kulinarischen Angeboten, denen wir nur mit Mühe widerstehen können.

Wenig später machen wir uns auf den Weg zur Ilha de Port Belo. Dort können neben einem Museum der deutschen Familie Schürmann auf einer Wanderung durch die Mata Atlantica (atlantischer Regenwald) auch prähistorische Felsinschriften besichtigt werden.

Aber wieder einmal macht uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Als wir in Porto Belo ankommen, hat sich der Himmel zugezogen, starker Wind ist aufgekommen und es fängt zu regnen an.

Leise auf brasilianisch fluchend ("porra, porra, porra"), bewegen wir uns zurück zu unserer Pousada, verstauen unser Gepäck und machen uns bei mittlerweile starkem Regen auf den Weg nach Florianopolis.

So wie es scheint, haben wir es immer wieder nur mit einzelnen Regenfronten und nicht mit einem kompakten Schlechtwettergebiet zu tun, denn kurz bevor wir die BR 101 verlassen und nach Florianopolis abzweigen, lässt der Regen nach. Dafür nimmt der Verkehr zu, denn die autobahnähnliche Straße, auf der wir uns befinden, ist der einzige Zugangsweg vom "Continente" (Festland) auf die Ilha de Santa Catarina und außerdem Verbindung zwischen dem alten Zentrum Florianopolis, das sich auf der Insel befindet, und den neuen Trabantenstädten auf dem "Continente".

Kurz bevor wir den trennenden Meeresarm auf der modernen Autobahnbrücke überqueren, haben wir einen phantastischen Blick auf die Ponte Hercilio Luz, eine elegante Hängebrücke, die 1926 die bis dahin eingesetzten Fähren ablöste, und heute das Wahrzeichen von Florianopolis bildet.


Die Baukosten waren so hoch, dass der Staat Santa Catarina fast daran Pleite ging und erst 1978 die letzten Schulden begleichen konnte. Doch bereits 1982 wurden technische Mängel an der Brücke festgestellt, die seitdem für den Verkehr gesperrt ist.

Auf der Insel angekommen, orientieren wir uns in Richtung "Centro", um uns bei einem kurzen Stadtrundgang einen ersten Überblick zu verschaffen. Doch wieder setzt der Regen ein und Florianopolis fällt sprichwörtlich ins Wasser.

Text + Fotos: Dieter Hauguth Druckversion  

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