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Brasilien: Wasser in der Wüste

Wild schlingernd pflügt unser Fahrzeug durch den Sand und nutzt dabei die gesamte Breite des ausgefahrenen Weges. Ganz gegen die brasilianische Gewohnheit des "Nordeste", es gemächlich angehen zu lassen, meint unser Fahrer, sein Können zeigen zu müssen und jagt den Off-Road-Toyota über die zahlreichen Bodenwellen. Wir klammern uns an den vorhandenen Haltegriffen fest, bemüht, nicht aus dem Auto zu fallen oder uns blaue Flecken zu holen. Nach gut einer Stunde Fahrt und Durchquerung zahlreicher Bäche und Flüsse, die unseren Weg kreuzen, haben wir dann unser Ziel erreicht, den Eingang zum Nationalpark Lençois Maranhenses.

Im Nordosten Brasiliens, im Bundesstaat Maranhão, vier Autostunden oder eine Flugstunde von der Hauptstadt São Luis entfernt, verbirgt sich diese Welt aus Sand und Wasser, aus Dünen und Seen. Die starke Meeresströmung und der Südostpassat, der "Traders Wind", von dem schon die alten Seefahrer wussten, sie beide sind die Schöpfer und ständigen Veränderer dieser Landschaft.

Der Wind treibt den Sand ins Land und formt Dünen, die eine Höhe von bis zu 40 Meter erreichen können.

Er bewegt die Dünen, hält sie in steter Wanderschaft und kein Hindernis kann sie aufhalten, sie begraben alles unter sich. Die starken Regenfälle in den Monaten Mai bis Juli sammeln sich in den Vertiefungen zwischen den Dünen und bilden dort Süßwasserlagunen, die von November bis April langsam wieder austrocknen.

Mühsam stapfen wir im tiefen, feinen Sand den steilen Abhang der ersten Düne empor – ein Vorwärtskommen wie bei der Bitburger Springprozession, 2 Schritte vor, einer zurück. Oben angekommen belohnt uns ein Rundblick der Kontraste. Nach Osten dehnt sich der grüne Buschwald, den wir in der letzten Stunde durchquert haben bis zum Rio Preguiças. Nach Westen reiht sich Düne an Düne, marmorweiß, nur unterbrochen von den tiefblau schimmernden Wassern der Süßwasserlagunen. Die tiefstehende Sonne wirft lange Schatten und modelliert plastisch die klassischen Formen der Dünen mit ihrem langem Anstieg auf der Ostseite und dem steilen Abfall auf der Westseite.

Wir rutschen die Düne wieder hinunter und erreichen nach wenigen Schritten den Rand der Lagune. Das Erlebnis eines Bades inmitten der Wüste wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Es ist ein Genuß, als wir in das Wasser eintauchen, denn es hat nicht, wie erwartet, Badewannentemperatur, sondern ist angenehm frisch. Wie es scheint, haben die Lagunen Verbindung und Wasseraustausch mit dem Grundwasserpegel. Nachdem wir die Badefreuden ausgiebig genossen haben, klettern wir zurück auf den Kamm, lassen uns vom Wind trocknen und sehen zu, wie die Sonne als glutroter Ball über dem Sandmeer im Westen untergeht.

Am nächsten Tag ist Kontrastprogramm angesagt: eine Bootsfahrt auf dem Rio Preguiças. Dieser Fluss bildet die Grenze zwischen dem Nationalpark Lençois Maranhenses am Westufer und dem Naturschutzgebiet Pequenos Lençois, das eine ähnliche Struktur wie der Nationalpark aufweist, am Ostufer. Wir verlassen Barreirinhas flußabwärts. Bis São Domingos, etwa 15 Minuten entfernt, ist die Gegend noch relativ dicht besiedelt. Danach begleiten uns nur noch Galeriewälder aus Açaipalmen, Buritipalmen und Mangroven.

Nach etwa einer weiteren Stunde ändert sich das Panorama. Dünen – diesmal leicht gelb gefärbt – drängen von Osten an den Fluß. An ihrem Fuß liegen einige palmblattgedeckte Hütten: der Fischerort Vassouras. Wie uns unser "Guia" erklärt, hat das Dorf seinen Namen (Vassouras = Besen) von einer Pflanze, die hier in großen Mengen wächst und deren Zweige früher für die Herstellung von Besen verwendet wurden. Wir verlassen das Boot und erklimmen die nächste Düne und können in der Ferne bereits den Atlantik erkennen.

Zum Rio Preguiças zu sind die Dünen schon in den Mangrovenwald eingedrungen. Einige Bäume sind abgestorben und schauen nur noch mit der verdorrten Krone aus dem Sand. Andere sind erst zur Hälfte verschüttet, aber bei einer Wandergeschwindigkeit der Dünen von fünf Metern pro Jahr ist abzusehen, wann der ganze Wald verschwunden sein wird.

Und dann wird der Fluss den Sand ins Meer transportieren und ein neuer Kreislauf wird beginnen.

Wir gehen zurück zum Boot und fahren weiter flussabwärts. Als wir bei Atins die Flussmündung erreichen, wird die Fahrt etwas "wellig". Es ist Flut, das Wasser des Atlantik drängt gegen das Wasser des Flusses und verursacht hohe Wellen, die uns kräftig durchnässen. Wir sind froh, als wir wieder festen Boden unter den Füßen haben. Hier in Atins befinden wir uns fast am Ende der Welt. Die Strohhütten des kleinen Fischerortes grenzen unmittelbar ans Sandmeer. Unser Ziel ist das Haus von Dona Luzia. Sie ist bekannt für die köstlichen "Camarões" (Garnelen), die sie nach einem Geheimrezept zubereitet. Wir erholen uns mit einem kühlen Bier in der Hängematte, während die Hausherrin das Essen zubereitet. "Torta de Batatas" (eine Art Kartoffelbrei, im Ofen gebacken) und die berühmten "Camarões" – ein Gedicht. Es ist eine Riesenportion, die wir verdrücken, und wir sind mehr als satt, als wir uns auf den Rückweg zum Boot machen.

Am nächsten Morgen schlägt die Stunde des Abschieds – wir müssen zurück nach São Luis. Anstelle des Landweges wählen wir ein 6-sitziges Flugzeug des brasilianischen Herstellers Embraer. Nachdem der Kapitän das Verstauen des Gepäcks überwacht hat, mustert er kritisch seine Fluggäste, schätzt deren Gewicht und verteilt danach die Plätze – nun ist das Flugzeug ausgetrimmt und es kann losgehen. Der Blick, der sich uns während des Fluges bietet, ist unbeschreiblich schön – der Rio Preguiças inmitten der umgebenden Galeriewälder, die weißen Dünen mit den darin eingebetteten Süßwasserseen, die in den Farben zwischen tiefblau und grün changieren, das Delta verschiedener Flüsse mit verstreut dazwischen liegenden Inseln und zum Schluss die Strände bei São Luis und die Stadt selbst – wir sind überwältigt.

Text + Fotos: Dieter Hauguth Druckversion  

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