caiman.de 01. ausgabe - köln, januar 2002

Der CaRIOca - Kurzportrait eines Badelatschenträgers

Carioca: Einwohner von Rio de Janeiro. Bezeichnung der um die Guanabarabucht ansässigen Indianer für die ersten weißen Männer, die aus dem fernen Europa kommend hier den Anker fallen ließen. Heute ein Synonym für die coolsten und einfallsreichsten, aber auch die selbstverliebtesten und überheblichsten Bewohner dieses Planeten.

"Cariocas sind schön, Cariocas sind cool, Cariocas machen Schweinereien, Cariocas sind golden,
Cariocas sind modern, Cariocas sind gewitzt, Cariocas sind direkt, Cariocas mögen keine bewölkten Tage."

"Na, mein Bruder? Alles schön?", grüßt der Carioca, braungebrannt und die unvermeidlichen Badelatschen an den Füßen. Als typischer Carioca will er lieber unerkannt bleiben: "Ein echter Carioca hört nichts, sieht nichts und lässt sich niemals fotografieren." Er sei auf dem Weg zum Strand, um die "galera", seine "Galeerenkumpels", zu treffen.

Die "galera da praia" besteht aus den besten Freunden des Carioca, solange er Sand unter den Füßen hat. Sobald er jedoch den Strand verlassen hat, sollte man auf keinen Fall seinem Abschiedsgruß "Aparece em casa" ("Schau mal bei mir zuhause vorbei!") Folge leisten. Er wird die Tür öffnen und nicht wissen, wer Du bist.

Für den Carioca besteht das Leben vor allem aus dem Strand und den Frauen, die dort zu anzutreffen sind. "Dieses Lebensgefühl ist es, was Rio zu der "cidade maravilhosa", der "wunderbaren Stadt", macht und was jeden Carioca mit großem Schmerz erfüllt, sobald er Rio verläßt: jeder Carioca muss wenigstens ein mal in der Woche an den Strand, sonst stirbt er."

Ganz anders als die Paulistas, die Einwohner São Paulos.
"Die Paulistas sind ständig nervös, aufgeregt, sie wissen einfach nicht, wie man sich richtig amüsiert. Sie fahren am Wochenende an den Flughafen, wo sie den startenden Flugzeugen hinterher schmachten. In ihnen schlummert die vage Hoffnung, eines Tages dieser Stadt zu entkommen. Wir Cariocas sind da ganz anders."

Die Paulistas behaupten hingegen, dass der Carioca nicht gerne oder eigentlich gar nicht arbeitet. Die Cariocas seien "malandros", "Gauner", und sie seien faul, so lauten die Vorurteile. Was andere jedoch als "malandragem", als "Gaunereien", bezeichnen, ist für den Carioca eine hochentwickelte Form von Flexibilität, was als Faulheit angesehen wird, ist die Fähigkeit, die Zeit effektiv zu nutzen.

Der Carioca denkt ständig ans Geschäft:
"Wenn der Carioca an den Strand kommt, so gilt sein erster Blick dem, was er am heutigen Tage für sich gewinnen kann: er schaut sich die im Sand räkelnden Frauen an. Sein zweiter Blick gilt den "pivetes", den kleinen Dieben, "Strandratten" genannt, und er kalkuliert, was er verlieren könnte. Daran läßt sich erkennen, dass der Carioca ein geborener Volkswirtschaftler ist."

Und wenn er doch irgendwie mal in die Klemme kommt, so sagt der Carioca: "Num dá pra dá um jeitinho?“ ("Kann man da nicht irgendwie was drehen?") - und bugsiert sich damit aus jeder noch so verzwickten Situation.

"Cariocas werden als Schlitzohren geboren, als Champions, Cariocas haben einen Akzent, Cariocas sind fröhlich,
Cariocas sind aufmerksam, Cariocas sind so sexy, für Cariocas ist alles ganz klar, Cariocas hassen rote Ampeln."

Am Abend treffen wir den Carioca in seiner Lieblingsbar zum obligatorischen Tagesabschluß, der "repiau", was soviel heißen soll wie "happy hour".

"Entgegen allen Gerüchten ruhte der Herr auch am siebten Tage nicht, sondern nutzte seinen freien Tag dazu, eine Oase der Schönheit in die Welt zu pflanzen - Rio de Janeiro.
Und das Schönste an Rio de Janeiro ist, dass es voll von Cariocas ist."

Der Song "Cariocas" stammt von Adriana Calcanhoto.

Text + Fotos: Thomas Milz

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