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caiman.de 3. ausgabe - köln, 01. märz. 2000
venezuela

Bolívar und Chávez

Vor vier Jahren entfacht, läßt mich der Gedanke nicht mehr los: Bolívar und der Caiman Seite an Seite, gegen Kolonialherren und alle die sich in diesem aussichtslos erscheinenden Unabhängigkeitskampf gegen uns und die Freiheit stellen. Wir gegen den König! Aus heutigem Blickwinkel – Hannoveraner Prinzen prügeln sich mit bajuwarischen Unterwelt-Größen, so zu lesen in der Yellow-Press - ist die Tragweite unserer Unternehmung kaum zu begreifen. Doch gehen wir zweihundert Jahre in der Zeitrechnung zurück und stellen dann die Frage: Wer traut sich, uns im Kampf gegen die unnahbare, aber allgegenwärtige Krone Spaniens zu unterstützen? - Wir finden um die 40 prächtige Jungs, den harten Kern der Befreiung der amerikanischen Besitzungen, und siegen schließlich im Jahr 1830.

Es gibt Momente in welchen mir diese Gedanken sehr real erscheinen und ich mich beispielsweise dabei ertappe, wie wir, Simón und ich, den kleinen, schwachen und degenerierten Karl IV. durch die Gänge des Escorials schubsen...

El Libertador auf der Plaza Simón Bolívar in Mérida.

Simón Bolívar stirbt allein und arm in Santa Marta in Kolumbien. In den ersten 40 Jahren nach seinem Tod muss ich miterleben, wie die Antipathie des venezolanischen Volkes gegenüber dem Libertador einem allgemeinen Desinteresse an seiner Person weicht. José Antonio Páez – in Deutschland dank meines Kampfgenossen Ludwig aus Hannover bekannt als ein dunkelhäutiger, eher kleiner aber kräftiger Mann mit Stiernacken - schafft es, das (bolivarianische) Volk nach der Unabhängigkeit zusammenzuhalten. Er selbst wird zum Aushängeschild der politisch stabilen Gründerzeit der Republik. Kein Gedanke an Bolívar! Einzig O´Leary, einer unserer 40 treuen Mitstreiter, in Besitz der Tagebücher Simón Bolívars, begibt sich an die Arbeit, diese für die Nachwelt zu transskribieren. (So dankbar ich O´Leary auch bin, bitte ich euch doch, nicht alles für bare Münze zu nehmen, was angeblich der Feder Bolívars entsprungen sein soll. O´Leary neigte ähnlich wie auch ich ein wenig zur Übertreibung, nicht nur in Bezug auf sein Verhältnis zu Bolívar.)

Mit dem Präsidentschaftsantritt Antonio Guzmán Blancos verspüre ich neuen Lebenssaft in meine Adern fließen. Guzmán wird dafür sorgen, dass zum Ende des 19. Jahrhunderts die Modernisierung in Venezuela Einzug hält und für mich viel wichtiger, dass Bolívar heute neben Humboldt venezolanischer Volksheld Nummer 1 ist. Der liberale Präsident erinnert sich der Lichtgestalt des Befreiungskampfes und macht sie zur bald allgemein akzeptierten Identifikationsfigur des ansonsten sehr gespaltenen Volkes. Simón Bolívar, als Büste oder Ganzkörperstatue meist hoch zu Ross und immer in Uniform del estílo frances, wird zum Mittelpunkt eines jeden venezolanischen Dorfplatzes. Doch den letzten krönenden Schritt in Richtung Verschmelzung der Begriffe Bolívar und Venezuela wagte Guzmán Blanco nicht.
Aber noch dieses Jahr - und das ist meine inständigste Hoffnung - steht uns die Namenzusammenführung bevor.
Hugo Chávez – und auch dabei habe ich ein gutes Gefühl - ist der richtige Mann, der, neben der Zerschlagung der alten Parteienstruktur und des inzestuösen Korruptionsgebildes in der Belle Etage, dem venezolanischen Volk seine einstige Identifikationsfigur wiedergeben wird. Und deshalb von dieser Stelle an den aktuellen Präsidenten Venezuelas: "Setz` ein Zeichen Hugo, und ruf sie aus, die von Dir so herbeigesehnte Republica Bolivariana de Venezuela."

In mir lodert wie einst ein Feuer neuartiger Gefühle und Gedanken. Es besteht immerhin zum ersten Mal seit 170 Jahren, dem Zeitpunkt des Dahinscheidens Bolívars, ein Funke Hoffnung, meinen alltäglichen Kampf an des Befreiers Seite ad acta legen zu können und mich mit einem neuen Libertador auf unvorhersehbare Wege zu begeben.

pa`rriba
Für mehr Info kontaktiert: dirk@caiman.de (Dirk Klaiber)



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