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caiman.de 9. ausgabe - köln, september 2000
amor

Suchtliebhaber

Eigentlich war ich immer der Meinung, nichts käme meiner Tabaksucht gleich. Aber weit gefehlt !

Wir befinden uns irgendwo in Guatemala im Nirgendwo zu Honduras. Seit Stunden sind wir nun in unserem überraschend robusten Stadtjeep unterwegs und seit Stunden weit und breit kein Kaffeeautomat.

Nicht, dass ich ständig Kaffee bräuchte, aber früh morgens geht es ohne gar nicht (und dies war einer der Tage, an dem mir bewußt wurde, dass ich doch eher suchtgefährdet als Genießer bin.)

Meine Laune ist dementsprechend auf dem absoluten Tiefpunkt als wir auf ein guatemaltekisches Dorf treffen; und oh Wunder nach ca. 100 Metern taucht von links ein "Hotel" auf, quasi aus dem Nichts. Meine Begleitung geht ob meiner zitternden Hände mit voller Wucht in die Eisen (wobei sich diese Aussage relativiert, da wir ja nicht gerade mit 100 Sachen unterwegs sind). Ich reiße die Tür auf kaum das der Wagen zum Stillstand gekommen ist und flehe einen vor dieser Oase sitzenden Zehnjährigen um Kaffee an.

Zivilisierter Deutscher oder nicht, mir in diesem Moment völlig egal; beinahe knie ich vor ihm.

Aus welchen Gründen auch immer erklärt er sich bereit, Erkundigungen einzuziehen. Genauso kam es mir vor: es ging in dieser Phase, die ich wahrlich gerne übersprungen hätte, nicht um die Beschaffung des braunen Goldes, nein, es ging um Information.

Und die brach mir beinahe das Genick: kein Kaffee! "Gibt´s nicht", schrie ich,"dort steht Hotel und in Hotels gilt Kaffe als Grundnahrungsmittel."

Tja, nicht in Guatemala. Während ich mich wild gestikulierend um meine eigene Achse drehe, erblicke ich das zweite von anscheinend genau zwei Schildern in dieser "Pampa".
"Café" steht dort zu lesen, wahrlich das magische Wort.

Ohne den Kleinen oder meine Begleitung eines weiteren Blickes zu würdigen, schließlich hat immer der andere Schuld, bewege ich mich wie in Trance in die entsprechende Richtung. Ich finde einen in der Hängematte liegenden, vor sich hin dösenden Einheimischen.
Hier muß es einfach klappen, es muß! Schlaftrunken blinzelt er mich an. "Kaffee", fragt er, "Kaffee hab ich nicht ! Es braucht so circa 1 Lichtjahr bis der Sinn dieses Satzes zu meinem Gehirn vorgedrungen ist.

"Aber, aber, aber, wo Kaffee drauf steht, sollte doch auch Kaffee drin sein". Halb bewußtlos bringe ich entsprechendes Argument vor. Prompt erfolgte die Gegenfrage des sich dieser Logik nicht ganz verschließen könnenden Gesprächspartners: "Wie spät ist es?"

"Keine Ahnung, so 15 Uhr", fange ich wieder an zu brüllen.
"Tja, 15 Uhr, viel zu spät für Kaffee, aber morgen früh, kein Problem."

Völlige Leere in meinem Kopf und langes, sehr langes Schweigen. Dann wird es mir bewußt:
So sehr ich Kaffee süchtig bin, so sehr "hängt" dieser Typ an bzw. in seiner Hängematte.

Kaffeeliebhaber trifft Hängemattenliebhaber!

Lang lebe die Liebe!!!

pa`rriba

Sönke Schönauer

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