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Argentinien: Rio de la Plata – Special, Teil I
Rundgang durch Buenos Aires - La Boca und San Telmo

Buenos Aires wird von vielen als die europäischste Stadt Südamerikas bezeichnet. Und das nicht ganz zu Unrecht. Denn zumindest das Zentrum erinnert mit seinen prächtigen Boulevards, grandios-pompösen Bauwerken und den von Hund und Herrchen bevorzugten ausladenden Parks ein bisschen an Paris, ein bisschen an Barcelona, und natürlich an Italien. Etwa 40% der Porteños, der Einwohner von Buenos Aires, sind italienischer Abstammung. Und kaum ein Stadtviertel ist so italienisch wie La Boca.

"Natürlich kannst Du abends durch La Boca laufen, aber Du wirst es wahrscheinlich nicht überleben!", erklärt Fernando, seines Zeichens Porteño, Schriftsteller und Tangoliebhaber. La Boca ist ein Arbeiterviertel. Wer von den Touristenpfaden abweicht und durch die zerfallenden Straßen geht, stößt unweigerlich auf die Zeugen des wirtschaftlichen Niedergangs der letzten Jahre. Kleine Slums haben sich in den Baulücken gebildet und das Straßenpflaster strotzt vor Schlaglöchern.

La Boca liegt an der Mündung des Riochuelo in den Rio de la Plata. Daher der Name: La Boca – der Mund. Hier befindet sich der alte Hafen Buenos Aires.

Die ersten Bewohner, hauptsächlich Genuesen, waren so arm, dass sie ihre Häuser aus alten Schiffsplanken und sonstigen verwertbaren Überresten bauten.


Die aus Holz und Zink zusammen gezimmerten Behausungen strichen sie mit Schiffslack.
Die Gegend um den alten Hafen verwandelte sich so in ein farbliches Durcheinander, das heute die Touristenströme nach "El Caminito" leitet. Eigentlich nur der Name einer kleinen Straße, so steht er heute für das ganze farbenprächtige Viertel voll Souvenirs, Kneipen und Tangotänzern.

Doch der große Stolz von La Boca ist der "Club Atletico Boca Juniors". Am 3. April 1905 von fünf kleinen italienischen Immigrantensöhnen gegründet, zählen die "Boca Juniors" heute zu den erfolgreichsten Fußballclubs der Welt. Fünfmal gewannen sie die Copa Libertadores, die südamerikanische Champions-League, und dreimal den Weltpokal, zuletzt im Dezember 2003 gegen AC Mailand.

Kurios ist die Geschichte der Vereinsfarben Blau und Goldgelb. Zuerst spielte man in rosa Hemden, danach in schwarz -weiß-gestreiften. Doch zufrieden war man mit diesen Farben genauso wenig wie mit dem anschließenden blau-weiß.

So entschloss man sich eines schönen Tages im Jahre 1907, zum Hafen zu gehen. Die Farben der Flagge des ersten Schiffes, das in den Hafen einfuhr, sollten die Vereinsfarben werden. So trägt man seit diesem Tag die Farben Schwedens. Nur verfeinerte man das schwedische Gelb zu einem strahlenden Goldgelb.

Und wer erinnert sich nicht an Diego Armando Maradonas goldene Haarsträhne, als er zum ersten mal nach dem Dopingskandal bei der Weltmeisterschaft 1994 wieder ein Fußballstadion betrat? Jener 30. September 1995 markierte die Rückkehr des verlorenen Sohns nach 14 langen Jahren.

Schon zu Beginn seiner Karriere, 1981, hatte er für die "Boca Juniors" gespielt, war danach jedoch nach Barcelona gewechselt. Hier in La Boca wird er wie ein Messias verehrt. Das vereinseigene Museum in den Katakomben von "La Bombonera", dem Stadion von "Boca Juniors", hat einen ganzen Saal eigens zum Gedenken an "El Diego" hergerichtet.

"La Bombonera", das eigentlich "Estadio Alberto J. Armando" heißt und mitten in La Boca liegt, nimmt lediglich einen Häuserblock in der Breite und zwei in der Länge ein. Aufgrund seiner Architektur zählt es zu den beeindruckendsten Fußballarenen der Welt. Auf den steil ansteigenden Hängen finden 58.000 Zuschauer Platz, die nur durch eine dicke Plexiglasscheibe vom Spielfeld getrennt sind.

Die Trainerbänke liegen unterhalb der Haupttribüne, auf der man geradezu das Gefühl hat, über dem Spielfeld zu schweben. Nicht einmal 2 Meter trennen die erste Sitzreihe vom Spielfeld.


"Boca Juniors" bietet neben dem Vereinsmuseum eine einstündige Stadionführung an, auf der man alles zu sehen bekommt, was das Fußballherz begehrt, angefangen mit dem Tunnel, durch den die Spieler von den Umkleiden zum Spielfeld gelangen, dem Saal für Pressekonferenzen, der Umkleide der "Boca Juniors", dem Arbeitsraum der Presse bis hin zu den Duschen und Toiletten, wo einst "El Diego" wandelte... Und das ganze für 7,90 Pesos!

"Mit den argentinischen Indianern war nicht zu spaßen. Zweimal mussten die Spanier Buenos Aires gründen, 1536 und 1580. Das erste mal wurden sie von den Indianern einfach aufgefressen. Beim zweiten mal eigentlich auch, aber da haben wenigstens ein paar der Spanier überlebt."

Fernando wohnt in San Telmo, nahe dem Parque Lezama, der die Grenze zu La Boca bildet.

Hier gründete Pedro de Mendoza am 3. Februar 1536 Buenos Aires, zum ersten mal. Ihm zu Ehren errichteten die Einwohner 1936 anlässlich der 400-Jahrfeier der Stadt eine prächtige Statue. Was wohl nicht alle Porteños glücklich stimmt. Auf den Boden vor der Statue hat jemand mit bunter Schrift "Indianerschlächter, Hurensohn, für immer bist du mit Blut besudelt" ("ASESINO DE INDIOS – HIJO DE PUTA – SIEMPRE ESTARAS MANCHADO CON SANGRE") geschrieben, und daneben Indianer gemalt, die in einem Kreis aufgestellt sind und sich die Hände reichen, die Augen geschlossen.

San Telmo ist für zwei Dinge berühmt: Antiquitäten und Tango. Der Tango schwebt zwar über ganz Buenos Aires. Allerdings, so erklärt Fernando, gibt es in Buenos Aires nur an die 1000 ernsthafte Tänzer. "Früher hatte der Tango etwas verruchtes, war er der Tanz der Seeleute und der Prostituierten. Erst als der Tango in der pariser Gesellschaft Begeisterung auslöste, akzeptierte man ihn auch in Buenos Aires gehobeneren Kreisen.


Heute ist er ein großes Geschäft, weil er Tausende von Touristen anlockt." Wir sitzen in einem großen alten Saal, von dessen Decke prachtvolle Kronleuchter hängen. "Milonga", Ecke Humberto 1° und San José. "Das Geheimnis des Tangos ist es, zu spüren, was der Partner als nächstes will. Das macht die ganze Sache natürlich recht schwierig." Neben uns sitzt ein ganzer Tisch voll deutscher Touristen. "Erstaunlicherweise zählen die Nordeuropäer zu den besten Tangotänzern. Norweger, Deutsche, Dänen. Es ist übrigens als Mann sehr vorteilhaft, einen dicken Bauch zu haben. Die Frauen können sich dann beim Tanzen wunderbar anlehnen."

San Telmos wichtigste Straße ist die Defensa, die "Verteidigungslinie", die vom Parque Lezama bis zur Plaza de Mayo im Zentrum führt. Bis hierhin kamen die englischen Soldaten, die 1806 und 1807 erfolglos versuchten, Buenos Aires den Spaniern streitig zu machen.

Jeden Sonntag wird die Defensa für den Autoverkehr gesperrt und verwandelt sich in einen Jahrmarkt. Hier kann man wundervolle Antiquitäten kaufen und Straßentango mitsamt Orchester bewundern. Oder man besucht die "Pasage de la Defensa" (Defensa, 1179), früher der Wohnsitz einer reichen Familie, die jedoch vor diversen Gelbfieber-Epidemien in das schicke Stadtviertel Recoleta flüchteten.

Allein im Jahr 1871 fielen 14.000 Menschen dem "vômito negro", dem "schwarzen Erbrechen", zum Opfer. So diente das lehrstehende Haus mit seinem prächtigen Innenhof als Quartier für zahlreiche Immigrantenfamilien. Heute finden sich hier kleine Souvenirshops.


Vor der "Pasage de la Defensa" kann man sich für einen Peso eine zwei Meter lange Schlange um den Hals legen lassen. Es wird nicht das letzte mal sein, dass wir ihr in Buenos Aires begegnen. Doch dazu mehr in unserer nächsten Ausgabe!


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