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Amor: Zeca Pagodinho und der brasilianische Bierkrieg

Sommer, die Zeit der Verliebten, der kurzen aber heftigen Affären, des romantischen Sonnenuntergangs zu Zweit, die neue Liebe im Arm und ein kühles Bier in der Hand...

Heiß ging es in diesem Sommer auf dem brasilianischen Biermarkt zu. Ganz überraschend trumpfte die Biermarke Schincariol, bis dato eher so etwas wie das Mauerblümchen unter den Bieren, mit einer cleveren Kampagne auf, angeführt von Brasiliens Musikstar des Augenblicks: Zeca Pagodinho, trinkfester Samba- und Pagodesänger, nuschelnder Frauenheld und stets zu allem bereit. Mit dem simplen Slogan "Experimente!" – "probier`s!" prostete er dem Fernsehpublikum zu, und schon schnellten die Verkaufszahlen des "Nova Schin", des "Neuen Schin" in die Höhe. Von 11,2% Marktanteil im September 2003 auf 15,2% im Dezember.

Vergeblich lief die Konkurrenz in ihren eilig produzierten Werbeclips Sturm, allen voran der Brauereiriese AmBev, der mit den Marken Skol, Antarctica und Brahma einen Anteil von über 60% des brasilianischen Biermarktes hält. Die Marke Kaiser präsentierte eine neue Variante, Kaiser novo sabor, und trotz der Sommerhitze purzelten die Preise kräftig.


Und Schincariol ging weiter in die Offensive. Im Sambódromo von Rio de Janeiro mietete man sich für die Karnevalstage eine Loge und lies dort mächtig viel Prominenz aus Showbizz, Politik und Wirtschaft auflaufen. Zwar war die 500 Quadtratmeter-Präsenz im Vergleich zu den 2000m2 der Konkurrenz der Brahma eher mickrig, doch saß die Schincariol-Loge wie ein Stachel im Fleisch der Konkurrenz.

Einzig Zeca Pagodinho drückte die Stimmung bei den "Nova Schins" etwas. Er sei erkältet, deshalb könne er kein Bier trinken, sprach er, zog sich etwas widerwillig das Hemd des Sponsors über, um es wenig später wieder auszuziehen. Wahrscheinlich wusste Pagodinho zu diesem Zeitpunkt bereits von der Bombe, die am 12. März, nur knapp drei Wochen nach seinem mürrischen Karnevalsauftritt für "Nova Schin", per Werbespot hochging.

Rechtzeitig zur vieldiskutierten Fusion der brasilianischen AmBev, Muttergesellschaft der Brahma, mit der belgischen InterBrew zur weltgrößten Brauerei, überrumpelte Brahma die gesamte Konkurrenz. Und plötzlich war der gute alte Zeca mit einer Brahma-Flasche in der Hand zu sehen. Dazu sang er das Lied "Amor do verão", die "Sommerliebe". "Fui provar outro sabor, eu sei. Mas não largo meu amor, voltei" ("Ich habe eine andere probiert, ich weiß, aber deshalb verlasse ich noch lange nicht meine wirkliche Liebe – und bin zurückgekehrt").

Schincariol protestierte lautstark und ließ seine Anwälte los. Immerhin habe man noch einen bis September 2004 gültigen Vertrag mit Zeca Pagodinho. Doch schon bald sickerte durch, dass Brahma die 18 Millionen Reais Vertragsstrafe für Zecas Seitenwechsel übernehmen würde. Zudem, so wurde verlautbart, habe man für den pausbäckigen Barden noch mal 3 Millionen Reais draufgelegt, zuzüglich eines ständig randvoll mit Brahma gefüllten Kühlschranks in Pagodinhos Haus in Duque de Caxias. Andere Quellen sprachen sogar von 3 Millionen Dollar, also fast 9 Millionen Reais Gage.

Schincariol gelang es nach einer Woche, den auf allen Kanälen dauerlaufenden Brahma-Spot verbieten zu lassen. Gleichzeitig startete man einen Werbespot, in dem eine Zequinha genannte Person mit einem Freund "Nova Schin" trinkt. "Würdest Du für 300.000 die Biermarke wechseln?", fragt der Freund, doch Zequinha verneint. "Eine Million?" Wieder verneint Zequinha. "Drei Millionen?" Dieses mal wird Zequinha schwach. "Für drei Millionen sage ich, dass ich sie liebe, küsse sie auf den Mund und wage ein Tänzchen mit ihr." Im Hintergrund hängt ein Schild: "Spezialität des Tages: Verräter."

In den darauffolgenden Tagen wurde Pagodinhos Wechsel auf allen Kanälen und in allen Zeitungen heftigst diskutiert. Um aus der Defensive zu kommen, schaltete Brahma Werbespots, in denen Passanten auf der Straße gefragt werden, ob sie schon einmal "Opfer einer Sommerliebe" geworden seien.

Und natürlich hatten alle Interviewten Verständnis dafür, dass man sich in der Hitze des Gefechts Hals über Kopf verliebt, um danach reumütig zu seiner alten Liebe zurückzukehren.

Zeca Pagodinho legte noch eine Schüppe drauf und verkündete, dass er niemals aufgehört habe, Brahma zu trinken. Selbst für die Dreharbeiten zu seinen "Nova Schin" Werbespot habe man ihm Brahma-Bier in die Schincariol-Flasche umgefüllt. Doch dieses Versteckspiel sei ihm zu viel geworden: "Ich bin einfach viel zu alt, um mich beim Biertrinken zu verstecken. Ich habe es nicht mehr ertragen, mich zu verstellen. Alle Welt weiß, dass ich Brahma trinke. Außerdem habe ich mein Leben lang gratis für sie Werbung gemacht – wo auch immer ich aufgetaucht bin, stets stand eine Flasche Brahma neben mir."

Mit seinen großen Hundeaugen schaut Zeca in die Kameras, und daheim vor dem Bildschirm prostet man ihm mit einem Glas Brahma zu. Der Sommer ist vorbei, und während sich die Anwälte der zwei Brauereien immer noch darüber streiten, ob Zecas Werbespot nun über den Bildschirm flimmern darf oder nicht, scheinen für die Zuschauer daheim die Affären des Sommer-Strand-Urlaubes vergessen und vergeben. Es ist die Zeit, sich an Mutters alte und doch so vertraute Brust zu kuscheln, Zeit der Heimkehr. Nirgends ist es halt so schön wie in Mutters Schoß.

Text + Fotos: Thomas Milz druckversion   

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