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amor: trauzeuge totalausfall


Der junge Mann in der ersten Reihe wirkt nervös. Verteufelt auch, der Bräutigam hatte ihm am Abend zuvor versprochen, den Text seiner Fürbitte erhalte er in der Kirche. Nun rückt sein Auftritt näher, von seiner Rede aber keine Spur. Sämtliche Zettel, die er zu greifen bekommt, werden inspiziert, ob sie nicht irgendeinen Hinweis verbergen. Doch die Blätter in seiner Umgebung enthalten ausschließlich, wie es sich für eine ordentliche Hochzeit gehört, das Programm der Trauung inklusive Liedtexte und dem Abschnitt, der ihn unweigerlich als Fürbitten-Redner ausweist. Verwirrt bleibt er sitzen als der Zeitpunkt gekommen ist und alle Redner nach vorne gerufen werden. Dann werden die Fürbitten vorgetragen, abwechselnd auf deutsch und spanisch. Keine Larifari Reden. Herzzerreißendes. Tränen fließen vor Rührung.

Und dann vernimmt er seinen Namen, der sich aus dem ihm unbekannten spanischen Sprachengewusel herauswindet und der Platz hinter dem Pult verlangt nach seiner Präsenz. Es ist der Gang nach Canossa. Zittern in den Knien, Röte auf dem Antlitz: "Liebes Brautpaar. Ich kenne euch ja schon länger. Ihr seid ein super Paar." Zur Unterstützung räkelt sich die Faust mit erhobenem Daumen nach oben: "Echt super!"

Ja, ganz super Trauzeuge. Hast du toll gemacht! Zum Glück hat der spanischsprachige Teil der Hochzeitsgesellschaft nicht ein Wort verstanden, wenn er auch in das Gelächter des deutschmächtigen Teils mit einstimmt. Der junge Mann verkrümelt sich wieder in seine Reihe und würde den Bräutigam am liebsten mit den vor ihm liegenden Liedertexten erschlagen. Doch das Programm ist straff und schon steht der Höhepunkt der christlichen Vermählung an: Braut und Bräutigam geben sich das Jawort. Zuerst der Mann: "Ich nehme dich zu meiner Frau. Will dich lieben und ehren an guten wie an schlechten Tagen..." Und dann verließen sie ihn. Zuerst glaubt der Saal an die Ergriffenheit des Bräutigams, und dass es die Freudentränen sind, die den Protagonisten an der weiteren Ausführung seines Treueschwures hindern. Dann aber zaubert sich ein verschmitzt verlegenen Lächeln auf seine Lippen und ein leicht panisches Maria Hilf in seine Augen, die nun zwischen Pfarrer, Pastor und Braut kreisen.

"Wie lautet der Text?", flüstert der für das Publikum immer noch den Ergriffenen Mimende. "Keine Ahnung.", raunzt ihn der Pfarrer an. "Heiratest du oder ich?" Wobei die Schweißtropfen auf seiner Stirn seine Panik erahnen lassen, was den Bischoff aus Mittelamerika zu einem Schmunzeln verleitet: "Problemas, compadre?"


Doch dann straft die Braut die drei Komiker mit bösem Blick und souffliert ihrem Göttergatten: "... in Krankheit und Gesundheit bis dass der Tod uns scheidet, und jeden Tag meines Lebens werde ich Dir treu sein." Der aufmerksame Leser mag hier anmerken, dass das nicht der Originaltext in deutscher Sprache ist; gut aufgepasst! Aber einer der höchsten Kirchenträger der Lutheranischen Kirche hat das Ganze nun mal so übersetzt und basta! Währenddessen liegt unser Lieblingstrauzeuge immer noch vor Lachen am Boden, das ihm erst vergeht als er erfährt mit wie vielen Familienangehörigen er in den nächsten Stunden während der anschließenden Feier noch das Tanzbein schwingen müssen wird. Super Trauzeuge!

Text + Fotos: Dirk Klaiber Druckversion   

P.S.: Die Frage bleibt: Wie hätte der Bräutigam anstelle des Trauzeugen reagiert? Immerhin hatte der Bräutigam eine Chance; der Trauzeuge hat sie nie bekommen.

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