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Spanien: Logistisches Glockengeläut (Teil 2) - zu Teil 1

Der Donnerstag ist gefährlich! Donnerstag ist Markttag in dem kleinen Städtchen fünf Kilometer Fluss aufwärts. Daher bleibt im Dorf eines der drei Geschäfte am Donnerstagvormittag geschlossen. Die Bewohner zieht es in die Stadt und dem Dorf droht die Gefahr von außerhalb. Die Bürger haben eine Notrufzentrale eingerichtet. Beim kleinsten Anzeichen wird Señora Vegetal, die Gemüsefrau aus dem Tante-TABACO-Emma-Laden, kontaktiert.

Auf einen Donnerstag fällt auch die Hochzeit. Eines der großen logistischen Themen, das der Logie, haben wir bereits in der letzten caiman-Ausgabe geklärt.

Offen aber ist nach wie vor die Frage nach der Paella, einer Paella für 100 Personen, der sich der Bürgermeister des Dorfes angenommen hat, nachdem all unserer Versuche gescheitert sind, einen Koch oder eine Köchin, einen Cateringservice oder ein Restaurant zu ermutigen am Donnerstag ins Dorf zu kommen und eine Paella zu zelebrieren, gegen gute Bezahlung selbstverständlich.


Neun Tage vor der Hochzeit begeben wir uns zum Ayuntament, zu einer weiteren Verabredung mit dem Mann, der sich nach wie vor den Titel eines großen Logistikers verdienen kann, dem Bürgermeister. Doch nicht die Paella wird thematisiert, vielmehr erkundigt er sich nach der Gültigkeit und Vollständigkeit unserer Papiere. Zu diesem Anlass ist eine Frau anwesend, die als einzige die Vollmacht besitzt, in den umliegenden Dörfern Eheschließungen mit ihrer Unterschrift zu autorisieren.

Für den Hauch eines Augenblicks mag sich der Ausdruck des Entsetzens über unsere Gesichter gelegt haben. Denn gerade mal drei Monate ist es her, dass wir die Standesämter Registro Civil und Ayuntaments in Deutschland und Spanien unsere Heimat nannten, bis dem administrativen ok auch das bürokrative sí folgte.

Wieder gefasst setzen wir zur Antwort an:
  • Die etwa 1000 Papiere sind vom Registro Civil in der Stadt hierher ins Ayuntament geschickt worden, woraufhin unser Aufgebot für drei Wochen, für alle Dorfbewohner ersichtlich, im Glaskasten unten am Eingang aushing. Nach Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen Frist gingen die Papiere wieder in die Stadt und wurden nach erneuter Beglaubigung und der Freigabe mit dem Zusatz, dass dieser Hochzeit nichts mehr im Wege stehe, wieder ans Ayuntament geschickt.

  • Ach ich erinnere mich,

sagt der Bürgermeister, steht auf, um kurz darauf mit einem Packen von Dokumenten zurückzukehren. Den Daumen an der Seite des Stapels platziert, lässt er die gesammelten Unterlagen, als ob es sich um ein Daumenkino handele, an seinen prüfenden Augen vorüber ziehen.

  • Dann ist ja alles in Ordnung.
Die amtlich beauftragte Beglaubigerin nickt, erhebt sich, schnappt sich die Braut, drückt sie und platziert einen Kuss rechts einen links auf die Wange, beteuert, dass sie so eine schöne Braut noch nie gesehen habe und am Montag nach der Trauung das Familienbuch zur Abholung bereit liege. Adios!

Dann entlässt uns auch der Bürgermeister, jedoch mit dem Zusatz, dass er sich auf jeden Fall wegen der Paella heute Abend melden werde. Oder morgen.

Am zweiten Tag des vergeblichen Wartens auf seinen Anruf sprechen wir ihm auf Band, dass sich nun angesichts des extrem näher rückenden Termins ein wenig die Nervosität breit mache.


Am dritten Tag erfahren wir von einer Bekannten, die den vom Bürgermeister favorisierten Paellakoch kennt, dass dieser schon am Montag bekannt gegeben habe, auf gar keinen Fall den Paellajob zu übernehmen.

Und damit rückt Plan B, der allerdings noch mit Ideen zu füllen ist, mehr und mehr ins Rampenlicht. Doch kurz bevor er zu greifen beginnt, überrascht die katalanische die deutsche Mentalität ein weiteres Mal seit Anbeginn der Hochzeitsvorbereitungen. Besagte Bekannte präsentiert uns auf einen Schlag eine Hilfe in der Küche sowie ein Vereinigung von Fischern, die bereits seit zwanzig Jahren auf das Fertigen von Paellas vor Ort für 50, 100 oder 200 Personen spezialisiert sind, nachdem sie wieder und wieder beteuert hatte, ihr fehlten die Ideen, sie kenne niemanden, sie wüsste nicht, wer so etwas mache. Gekauft.

Damit bleibt nur noch ein logistisches Problem, dessen Dimensionen im Vorfeld nicht erkannt wurden: der Geräuschpegel und die Nachbarn. Schon vor Wochen haben wir die Bewohner der umliegenden Häuser auf die Hochzeit vorbereitet. Zwei Tage werde es richtig laut, nicht aber wie sich dann herausstellt zwei Wochen, denn selbstverständlich haben Freunde und Bekannte ihren Urlaub mit der Hochzeit in Spanien verbunden und eine Reihe von Geburtstagen fallen zudem noch in den Zeitraum.

Zunächst bleiben Beschwerden aus. Und so sind wir frohen Mutes als wir kleine Präsente des Dankeschöns unter den Nachbarn verteilen, bis die Braut an der Haustür der direkten Nachbarn klingelt.

Den Korb mit Blumen und Kleinigkeiten in die Höhe haltend und beteuernd, dass es sich rein um eine Aufmerksamkeit handele, trifft sie oben auf dem Balkon auf eine aufgebrachte Frau, die immer wieder schreit, man möge sie in Ruhe lassen und sich zum Teufel scheren.


Mit schlechtem Gewissen kehrt die Braut zurück. Unter die ersten Gedanken, man habe die Nachbarn bis ins Mark verärgert, mischen sich positive Zweifel; vielleicht doch ein Problem der Verständigung.

Dann 20 Minuten nach der sträflichen Zurückweisung kommt die Nachbarin herüber und sichtlich betreten, klärt sie auf:
  • Der Donnerstag ist der Tag der Einbrüche. In den letzten Wochen ist jeweils am Donnerstag in mehrere Häuser im Dorf eingebrochen worden. Daher habe ich angenommen, dass die braun gebrannte Braut, die ich nicht erkannt habe, eine Zigeunerin sei, und während ich ihr unten die Tür öffnete, ihre Brüder über das Dach einsteigen und mich ausrauben würden. Ich habe sofort alles abgesperrt und die Señora Vegetal informiert. Und erst als diese mich gefragt hat, wie denn die Frau ausgesehen habe, habe ich erkannt, dass es sich um keine gefährlichen Einbrecher, sondern um meine Nachbarin handelt.
Offensichtlich, es ist Donnerstag, der gefährliche Donnerstag, der Tag, an dem Gefahr droht.

Text: Don Röschen
Fotos: Mona Stenzel
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