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Total verknallt – Dynamit in Potosí

Potosí, Stadt der Minenarbeiter und des einst so reichen Silberberges. Diese Seite der Stadt kennt jeder. Wir hingegen waren auf der Suche nach Dynamit. Denn in der ehemals reichsten Stadt der Welt kann man diese explosiven Stangen auf der Straße erwerben. Die Augen unseres Hobby-Sprengmeisters glänzten als er die wunderbare Ware entdeckte. Überglücklich schickte er sich an, den Stand leer zu kaufen, was ich jedoch gerade noch verhindern konnte. So setzten wir unsere Reise mit nur fünfzehn Stangen Dynamit im Gepäck fort. Fünfzehn Stangen in unseren Rucksäcken, mir war nicht wohl bei der Sache.

Fortan verbrachten wir die Tage damit, einen geeigneten Ort für unsere hausgemachte Sprengung zu suchen. Erst auf unserem drei Tages-Trip durch die Salzwüste von Uyuni wurden wir in einem kleinen Ort namens San Luis fündig. Das Dorf bestand aus 5 Häusern und weit und breit gab es weder Mensch noch Tier. Als Sprengobjekt wählten wir einen kleinen Felsen, brachten die Zündschnur an und gingen alle bis auf den Sprengmeister in Deckung. Unser Problem war nur, dass wir weder die Sprengkraft von 5 Dynamitstangen einschätzen konnten noch wussten, wieviel Zeit die Zündschnur bis zur Explosion braucht.

So lagen wir da, schauten, zitterten und warteten auf den „Experten“. Gemächlich zündete er die Schnur und begann, nicht ganz so gemächlich, auf uns zu zu rennen, während wir die Zeit stoppten und uns die Ohren zuhielten. Doch nichts geschah. Wir nahmen die Hände von den Ohren und dachten schon an eine Fehlzündung als mit einem Mal der Fels im Nichts verschwand. Kawusch! Wir freuten uns wie kleine Kinder und schauten uns um, ob uns auch niemand beobachtet hatte.

Einige Tage später befinden wir uns auf dem Weg nach Santa Cruz. Auf halber Strecke, in Sucre, weigern sich die Jungs mit dem Bus weiterzureisen. Die einzige Alternative bietet der Luftweg. Doch Flugzeug kombiniert mit Dynamit?! Ich weigerte mich, beschwor die Jungs, die Stangen zu entsorgen oder halt zu sprengen...

Doch nirgends ergab sich eine Möglichkeit, sich des Dynamits zu entledigen. Auf dem Weg zum Flughafen, wurde ich hysterisch. Wir mussten sprengen, jetzt und hier, und so bat ich den Taxifahrer uns zunächst zu einem abgelegenen Ort zu bringen. Der verstand natürlich gar nichts, doch schlug er den alten Flughafen nicht weit von unserem Terminal vor.

Kaum dort angekommen, das Gelände war gut gewählt, alte Steinhäuser im Niemandsland, stiegen die anderen aus. Ich blieb beim Taxifahrer, denn schließlich hatte der unser Gepäck. So saßen wir da, zwei Fremde. Die Zeit schien still zu stehen. Der Taxifahrer schaute scheinbar gelangweilt zu, was die gringos veranstalteten, doch seine innere Unruhe wuchs. Er begann zu schwitzen, sagte aber kein Wort; starrte nur aus dem Fenster.

Ich versuchte mich noch in Erklärungen, als die Ohren betäubende Explosion das Taxi erschütterte. Just in diesem Moment erwachte mein Taxifahrer aus seiner Erstarrung und schrie mich an, die Jungs sollten unverzüglich kommen, denn hinter den Häusern läge eine Militärbasis. Ich versuchte, die Jubelnde ins Auto zu schaffen. Ein überaus schwieriges Unterfangen, verstanden sie doch meine Panik nicht. Kaum im Auto rasten wir mit quietschenden Reifen davon.

Mit Stolz und unter konspirativem Gekiecher checkten wir am Flughafen ein. Wir standen gerade in der Wartelounge und genossen unser Heldentum, als plötzlich eine heftige Explosion das Gebäude erschütterte. Glasscherben flogen durch die Luft und wir waren gezwungen, uns auf den Boden zu werfen. Mein erster Gedanke war, dass unsere Sprengung eine weitere zur Folge gehabt haben musste. Bolivianisches Gefängnis für alle! Ich zitterte immer noch am ganzen Körper als sich herausstellte, dass die Wartelounge durch einen Überdruck in Schutt und Asche gelegt worden war. Der Pilot hatte die Triebwerke zu nahe am Gebäude gezündet.

Total verknallt!

Text + Fotos: Jutta Huppertz

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