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[kol_4] Lauschrausch: Iberoamerikanische Klänge zum Fest
 
66 Minuten Leidenschaft und Spielfreude schallen aus den Boxen, wenn man die neue CD von Chano Domínguez und der WDR Big Band hört. "Soleando", ein Konzertmitschnitt aus der Kölner Philharmonie (2011) explodiert geradezu vor positiver Energie in der Verbindung zweier Stile, die eigentlich aus dem Leid geschundener Minderheiten – gitanos, schwarze Sklaven – entstanden sind. Aber auch die wussten dieses Leid bereits in aufschäumende Tänze und kreative Rhythmen umzumünzen. Der Pianist Chano Domínguez, der sich schon immer für alle Einflüsse der Musik offen zeigte – u.a. spielte er bei CAI, einer andalusischen Rockband – hat den duende, die Seele des Flamenco, in seinen Kompositionen genial ins Big Band-Format übertragen, wobei seine spanischen Mitstreiter, die beiden Perkussionisten Israel "El Pirana" Suarez und Daniel Navarro sowie der Tänzer und Sänger Blás Córdoba, dabei unverzichtbar sind.

Chano Domínguez / WDR Big Band
Soleando
Jazzline

Ob nun in "Parque Genoveses" mit der Big Band die Post abgeht, in "Más que swing" ein wildes E-Gitarrensolo erklingt oder aber "Soleando" uns in die lyrischen Tiefen des Flamenco entführt, immer gelingt die Verbindung von Flamenco und Jazz perfekt; auch sehr zu Freude des Publikums, das nicht mit Beifallsstürmen spart.

Die Tänzerin Maria Serrano, die als "Königin des Flamenco" gefeiert wird, hat ein neues Album mit ihren Lieblingschoreographien produziert. Hier überwiegen naturgemäß die Elemente des Flamenco, inkl. zapateados (Tanz) und leidvoller Texte. Aber auch auf "Flamenco por derecho" schleichen sich "moderne" Elemente ein, so z.B. wenn in "Retales" das Klavier und der E-Bass eine eingängige Jazz-Popmelodie mit Famencosprengseln darbieten oder in "Kalma" ein dezenter, analoger Beat das Stück dancefloor-fähig macht. Der Rest der sieben Titel bleibt nahe am traditionellen Flamenco.

Maria Serrano
Flamenco por derecho
Connector/ inakustik


Aus dem polyglotten Kanada stammt Alejandra Ribera, Tochter argentinisch-schottischer Eltern. Sie wandelt stimmlich auf den Pfaden von Lhasa, Sinead O’Connor, Shakira oder Sally Oldfield. Auf ihrem beeindruckenden, dreisprachigen Debutalbum "La boca", in Kanada preisgekrönt, verarbeitet sie die Erfahrungen von Reisen durch Europa. In ihren oft düster klingenden, sehr schön instrumentierten Balladen besingt sie die Phänomene der Nacht, die Liebe, gescheiterte Beziehungen, gerne auch mal begleitet von einem fernen Dudelsack ("Goodnight Persephone").

Alejandra Ribera
La boca
harmonia mundi

Tom Waits stand Pate bei "No me sigas" einem langsamen Stück, in dem die in Paris lebende Sängerin um Vergebung bittet, "I want", ein Mitsing-Song, wurde zum Erfolg in der kanadischen Hitparade. Beim einzigen französischsprachigen Lied, "Un cygne, la nuit", wird sie vom französischen Sänger Arthur H begleitet. Hörenswert, aber nicht an dunklen Tagen.


Ein zeitloser Klassiker – Perfidia – eröffnet in der Version des Trio Melodicos diese Retro-Sammlung aus dem Hause Putumayo mit Titeln aus u.a. Kuba, Kolumbien, Puerto Rico und den USA. Auch wenn die Aufnahmen nicht alle aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts stammen, sind doch die meisten Lieder, Cha Cha Chas, Mambos und Boleros Kinder dieser Zeit. "Piel canela", "Chinita" oder "Bésame mucho" gehören zum Kanon der lateinamerikanischen Musik und werden hier von Künstlern der ersten und zweiten Garde präsentiert.

Diverse
Vintage Latino
Putumayo

Geeignet zum entspannten Hören unter dem Weihnachtsbaum genauso wie für das entspannte Tänzchen nach dem Weihnachtslikör darum herum.

Text: Torsten Eßer
Cover: amazon

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